Das unsichtbare Tor. Brigitte Regitz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Brigitte Regitz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742783646
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hieß es: Es gibt Schwierigkeiten mit Frau Beck. Sie führt meine Aufträge nicht aus. Hierzu ein Beispiel: Ich hatte Frau Beck beauftragt, bis heute fünfzehn Uhr eine Liste mit den Seminarbesuchen aller Mitarbeiter während der vergangenen zwei Jahre zu erstellen und mehrmals die Erledigung nachgefragt. Diese hat sie abgelehnt.

       Der Fall ist exemplarisch zu sehen. Ich könnte weitere Beispiele nennen. Es gilt festzustellen, dass die Leistung, die Frau Beck seit meinem Dienstantritt vorlegt, schlecht ist.

       Ich habe versucht, mit ihr über die Problematik zu reden, um die Ursache hierfür zu finden. Frau Beck ließ mit unverschämten Bemerkungen die Unterredung ins Leere laufen. Als ich sie da-nach noch einmal telefonisch ansprechen wollte, hat sie einfach den Hörer aufgeknallt. Ich halte es für angebracht, Frau Beck abzumahnen und ihren Aushilfsvertrag nicht zu verlängern.

      Tanja Beck stand vor ihrem Schreibtisch. Sie vibrierte vor Wut. Was Lotte geschrieben hatte, war eine einzige Lüge, nur wie hätte Tanja das beweisen sollen? Als sie am Tag zuvor aus der Mittagspause in ihr Büro kam, hatte da ein handgeschriebener, gelber Zettel gelegen: Wie besprochen, erwarte ich die Liste, auf der die Seminarbesuche aller Mitarbeiter während der letzten zwei Jahre aufgeführt sind, bis heute fünfzehn Uhr und die Aufstellung über die Arbeitszeiten der Teilzeitkräfte bis morgen zehn Uhr. Lotte

      Besprochen war das aber nicht, und schaffen konnte Tanja das auch so schnell nicht. Also hatte sie sich an Frau Lotte gewandt, die ihr kurzer-hand erklärte, wenn besagte Liste nicht bis um drei auf ihrem Schreibtisch läge, sei das Arbeitsverweigerung.

      Tanja faltete den Brief zusammen, steckte ihn in ihre Jacken-tasche. Sie hatte das Gefühl, keine Luft zu bekommen, sie musste raus aus dem Büro, aber die Mittagspause war vorbei, und sie konnte das Haus nicht einfach verlassen. Wohin also? In die Garage! Sie eilte zum Aufzug.

      Ob Lotte inzwischen wieder ins Büro kam oder nicht, war ihr egal. Die Hoffnung auf eine Festanstellung konnte sie sowieso abschreiben. Ihr weiteres berufliches Fortkommen würde sich ebenfalls schwierig gestalten, denn die Frau stellte ihr bestimmt kein gutes Zeugnis aus. Tanja mochte gar nicht daran denken, was Lotte sagen würde, wenn sich von einer Firma, bei der sie sich bewarb, jemand nach ihren Leistungen erkundigte. Wo sollte sie sich unter diesen Umständen bloß bewerben?

      Tanjas Gesicht glühte heiß. Die kühle Luft der Garage tat ihr gut. Das diffuse Licht empfand sie als angenehm, denn ihre Augen brannten. Sie lief auf der Fahrspur immer schneller, merkte, wie ihr Ärger zu verfliegen begann, blieb schließlich stehen, um tief einzuatmen. Quietsch machte es plötzlich. Tan-ja zuckte erschrocken zusammen.

      Was war das gewesen? Sie blickte um sich, konnte jedoch nicht ausmachen, wodurch das Geräusch verursacht worden war. Nichts in der Garage rührte sich.

      Die Geschäftsleitungsparkplätze fielen ihr ein. Die befanden sich etwas separat von denen der Angestellten, hatte sie gehört, denn Tanja kam nicht mit dem Auto, sondern zu Fuß zur Arbeit, weil sie in der Nähe der Shirt-Parade wohnte. Auf Zehenspitzen lief sie auf eine Wand zu, daran entlang, bis die an der Zufahrt zu den reservierten Parkplätzen der Geschäftsführer endete. Tanja hörte nun ein Rascheln. Vorsichtig schob sie ihren Kopf an der Wand entlang, bis sie um die Ecke schauen konnte.

      Sie sah ein nach oben geklapptes Garagentor. Das hatte beim Öffnen wohl gequietscht, dachte sie. Davor stand einer der blauen Transporter der Shirt-Parade. Sie erkannte zwei Männer in dunklen Overalls. Einer nahm braune Kartons von einer Palette aus dem Raum hinter dem geöffneten Tor, reichte sie dem Zweiten, der sie auf dem Laster stapelte. Die Pakete waren mit Streifen grün-gelber Folie verklebt.

      Die kenne ich doch, dachte Tanja, die habe ich schon gesehen. Sie kam aber nicht darauf, woher sie die Folie kannte. Auf den Kartons waren Aufkleber. Tanja schien es so, als sähen sie gelbrot aus, wie die von dhl. Vielleicht täuschte sie sich aber auch. Sie müsste näher ran, um mehr zu erkennen, dachte sie und trat einen Schritt vor, erwischte mit dem halben Fuß eine Wandkante, mit der sie nicht gerechnet hatte, stolperte einige Schritte nach vorn, bevor sie am Spiegel eines Autos Halt fand. Im selben Augenblick hörte sie, wie sich die Männer in ihre Richtung in Bewegung setzten.

      Für den Bruchteil einer Sekunde hielt Tanja in Panik inne, dann rannte sie los, aber es war schon zu spät. Ehe sie die Tür zum Aufzug erreichte, fiel ein Schatten über sie, packte ihre Arme mit eisernem Griff, trug sie zu dem geöffneten Tor, vorbei an den Paketen. Tanja versteinerte regelrecht vor Schreck, öffnete den Mund, um zu schreien, bekam aber keinen Ton heraus, erblickte plötzlich einen schmalen, spärlich beleuchteten Gang, der zu einem Keller zu gehören schien, bekam eine Decke über den Kopf geworfen, verlor die Orientierung.

      Kapitel 5

      Ida stand gerade vor ihrem Aktenschrank und sah sich zum dritten Mal die Ordnerrücken an, ohne den zu erkennen, den sie suchte, als sie aus dem Augenwinkel etwas Grünes in ihr Büro stürmen sah. Erschrocken riss die den Kopf herum und erkannte Ingeborg Lotte in einem grasgrünen Zweiteiler, der sie noch blasser erscheinen ließ als sie ohnehin war.

      Die Frau kam auf sie zu und redete sofort los: „Sind Sie nicht mit Frau Beck befreundet?“

      Eine Antwort wartete sie gar nicht erst ab, sondern sprach gleich weiter: „Heute Vormittag war sie noch da, als ich eben von einer Besprechung zurückkam, fand ich das Sekretariat verlassen vor. Auf meinem Tisch lag auch keine Notiz. Wissen Sie etwas, Frau Sommer?“

      „Nein, mir ist nichts bekannt. Bei mir hat sich Frau Beck nicht abgemeldet.“

      „Über gesundheitliche Probleme hat sie auch nicht geklagt?“

      „Nicht, dass ich wüsste. Mir kam sie gesund vor, hat auch nichts gesagt. Tut mir leid.“

      Mit den Worten: „Der mache ich die Karriere kaputt“, rauschte Lotte so schnell aus dem Raum, wie sie gekommen war, und ließ eine besorgte Ida zurück, die sich fragte, was wohl geschehen sein mochte. Sie ließ Ordner Ordner sein und eilte ins Sekretariat. Sie nahm an, Lotte dort nicht zu begegnen, da die sicherlich die anderen Büros noch ablaufen würde. Zuerst schaute Ida hinter die Tür. Dort hing Tanjas Mantel an dem Türhaken, den sie sich angeschafft hatte, weil sie den firmeneigenen Kleiderständer für instabil hielt und vermeiden wollte, dass der plötzlich auf sie kippte und sie womöglich verletzte.

      Ohne Mantel wird sie doch das Haus nicht verlassen haben, dachte Ida verwundert, dazu ist es draußen zu frisch.

      In dem Raum herrschte eine vorbildliche Ordnung, als sei er gerade aufgeräumt worden, stellte Ida verwundert fest, ging zum Schreibtisch, zog die linke, untere Schublade auf, in der Tanja ihre Handtasche aufbewahrte, und sah die Tasche darin liegen. Auf dem Schreibtisch entdeckte sie ein Handy. Sie griff danach. Doch, ganz sicher: Das gehörte ihrer Kollegin. Es stand auf Standby, nicht einmal die Tastensperre war aktiviert.

      Eigenartig. Mantel, Handtasche und Handy befanden sich im Büro. Nur, wo war Tanja? Wo mochte sie stecken? Ida stand ratlos in dem Raum, ging zum Fenster, starrte hinaus auf die kleine Seitenstraße, die vollkommen zugeparkt war, drehte sich um, griff dann nach dem Handy, drückte die Ziffern der privaten Festnetznummer der Freundin. Es meldete sich der Anrufbeantworter.

      „Ich bin’s, Ida“, sprach sie nach dem Piepton auf Band. „Bitte melde dich umgehend im Büro. Du wirst hier vermisst. Lotte zieht sonst alle Register, um dir zu schaden.“

      Kopfschüttelnd legte sie das Telefon zurück. Was für eine Schnapsidee, zu Hause anzurufen, wo doch alles darauf hin-deutete, dass Tanja in der Shirt-Parade war. Ida ließ noch einmal ihren Blick durch das Büro schweifen, nahm das Handy an sich, steckte es in ihre Hosentasche, schloss das Schreib-tischfach zu, in dem sich die Handtasche befand, steckte den Schlüssel unter die Schreibunterlage auf dem Schreibtisch, verließ schnell das Büro. Dass sie hier gewesen war, musste Lotte ja nicht unbedingt wissen.

      Im Laufe des Nachmittags ging Ida zu Albert Kragen, klopfte an die offene Tür - rief: „Darf ich?“ und war auch schon drin, als der Kollege: „Na klar“ antwortete.

      Sie ließ sich auf einen Besuchersessel plumpsen, der schräg