So lebte mit Unterbrechungen mehrere Wochen ein Pärchen bei mir. Sie stammte aus einer niederösterreichischen Kleinstadt, er aus einer Landeshauptstadt. Er hatte wegen Drogenhandel einige Zeit im Gefängnis verbracht und sich nachher bei ihr eingenistet und von ihr parasitiert, obwohl bei ihr auch nicht gerade viel vorhanden war. Sie hatte sich für ihn aufgeopfert, um dieses gefallene Geschöpf wieder in die Gesellschaft zu integrieren.
So weit, so gut. Das wäre mich ja alles nichts angegangen. Sie wohnte nämlich in einer Ein-Zimmer-Gemeindebauwohnung(4), die sie sich mit einer Mischung aus Intervention (seitens des damaligen Direktors der Österreichischen Nationalbank) und Theater (Ich bring mich um, weil ich hab nix zum Wohnen!!) über die Gemeinde Wien organisiert hatte. Aber das Geld war, wie gesagt, knapp bei ihr und so kam sie auf die Idee, sich eine Einkommensmöglichkeit darüber zu erschließen, daß sie diese billige Gemeindewohnung für einen Monat oder 2 Monate an einen amerikanischen Universitätsprofessor vermieten würde, um sich Einkünfte zu verschaffen.
Soweit ich mich erinnere, zahlte sie ca. 900 Alpendollar(5) für die Wohnung und der Universitätsprofessor ihr 5.000 oder 5.500. Also, so rechnete die verrückte Schachtel, ein Reingewinn von 4.500 Schilling! Oder 4.000, abzüglich Strom und Gas.
Ich hab sie, nennen wir sie ab jetzt Ulli, noch gefragt, als sie mir von diesem Geniestreich erzählte: Wo wohnst du in dieser Zeit? Du und er?
Darauf hat sie gesagt: Kein Problem, hab ich schon mit einer Freundin aus meinem Heimatort besprochen, wir können bei ihr wohnen.
Besagte Freundin wohnte in einem Krankenschwesternheim in einer Bett-Kochnische-Kombination, wo schon eine einzelne Person Platzangst kriegt. Da sind diese zwei Subjekte dann auch noch eingezogen. Das hat ca. 2-3 Tage gehalten, dann hat die gute Frau sie verständlicherweise hinausgeschmissen.
Dann hat Ulli bei mir angeklopft. Was sollte ich machen, ich hatte 1981 selbst monatelang keine Wohnung, ich wollte nicht wen anderen vor der Tür stehen lassen. Die beiden gaben sich natürlich keiner vernünftigen Beschäftigung hin, wie man aus der bisherigen Beschreibung unschwer erschließen kann. Ihr hauptsächlicher Zeitvertreib bestand darin, sich den ganzen Tag mit einer zur Wasserpfeife umgebauten Blumenvase mit Haschisch zuzutörnen. Da ich Nichtraucher bin, wünschte ich nicht, daß in den Zimmern geraucht wird und wies ihnen die Küche-Klo-Kombination als Raucherzimmer zu.
Ich hielt mich damals nicht viel zu Hause auf, sondern auf der Universität, in Büchereien, in Kantinen, Mensen und Wirtshäusern. Zum Glück, weil die beiden waren aufgrund des Blödsinns, den sie daherredeten, unerträglich. Sie beschäftigten sich mit Schamanismus.
Wenn ich am Abend mein trautes Heim betrat, bot sich mir regelmäßig der gleiche Anblick: Einer von beiden saß, oder besser: hing auf der Klomuschel, der andere am Badewannenrand. (Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich in der Vorraum-Küche-Klo-Kombination von 9 Quadratmetern eine Badewanne und einen Durchlauferhitzer einbauen lassen.) Auf dem Eiskasten stand die Blumenvase. Beide blickten mich mit verträumtem Blick an, als käme ich von einem anderen Stern, und lächelten milde.
Es kostete mich einige Mühe, die beiden wieder loszuwerden. Sie drangen dann noch einmal in meiner Abwesenheit in meine Wohnung ein und versauten sie gründlich.
Und das alles, obwohl die besagte Gemeindebauwohnung von Ulli über ein funktionsfähiges Klo und eine abgetrennte Dusche verfügte!!
Schließlich zeitigte die Intervention der Baupolizei Früchte und die Reparatur wurde in Angriff genommen. Zunächst demontierten die Handwerker einer Baufirma wieder einmal Gudruns Klo und stemmten ein großes Loch in meine Decke bzw. ihren Fußboden. Dann zogen sie anstelle der vermoderten Balken Stahlbetonträger ein, füllten die Zwischenräume und verputzten das Ganze wieder.
Während dieser Zeit war Gudrun selbstverständlich wieder auf mein Klo angewiesen. Ich gab ihr wieder einen Wohnungsschlüssel und versicherte sie meiner Gastfreundschaft. Tu dir keinen Zwang an. Mein Klo ist dein Klo!
Gudrun war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr allein auf ihren 33 Quadratmetern. Sie hatte sich mit einem ausgesprochen gut aussehenden ägyptischen Rosenverkäufer zusammengetan. Dieser junge Mann, nennen wir ihn Said, war sofort bei ihr eingezogen und teilte seither alle Wohnungs-Freuden und -Leiden mit ihr.
Er erschien während dieser 4 oder 5 Tage, die die Reparatur der Zwischendecke in Anspruch nahm, allmorgendlich um 8 Uhr in Gudruns Schlafrock (blau-gelb kariert) bei mir am Bett, weckte mich auf und bat mich, in den nächsten 10 Minuten die Küche NICHT zu betreten, da er auf dem Klo säße.
Auch diese Episode ging zu Ende, die Decke war repariert und ich gewann die Alleinverfügbarkeit über mein stilles Örtchen wieder, obwohl dieses während dieser Zeit eigentlich nicht als still bezeichnet werden konnte.
Irgendwann danach wurde auch die Mauer aufgestemmt und der löchrige Hauptabflußstrang ersetzt.
Zuletzt erschienen zwei jugoslawische Maurer und verputzten die Mauer inklusive der Gebetsnische neu und sehr gut. Sie schlugen die Hände zusammen vor Mitgefühl über meine Wohnverhältnisse. Und das bei einer Österreicherin, einer Frau, einer Studentin! So was gibt es ja nicht einmal bei uns auf dem Balkan!
Sie verschafften mir auch eine neue Klomuschel auf Kosten der Hausverwaltung, weil sie angaben, sie hätten die alte bei den Verputzarbeiten ruiniert. Und sie riefen mich ans Fenster und zeigten mir, daß aus dem Haus gegenüber gerade eine Klomuschel abtransportiert wurde – mit einer intakten hölzernen Klobrille! Ich sauste hinunter, bemächtigte mich der Klobrille, putzte und montierte sie später und sie hat mich von da an fast 20 Jahre auf meinem Lebensweg begleitet.
Ich malte das Klo aus – schwarz-rot –, stellte den Kasten wieder auf, erweiterte ihn mit Spanplatten, ergänzte die Stufe am Fußboden, der Installateur brachte einen neuen Spülkasten und von da an war die Benützung des Klos eine reine Wonne. Ich veranstaltete gleich ein Fest zur Feier des Anlasses, ein Klo-Einweihungs-Fest. Später verflieste ich den Fußboden auch noch.
Viele Besucher, vor allem aus Osteuropa, haben später den Kopf über dieses eigenartige Räumchen geschüttelt und gemeint, so etwas hätten sie noch nie gesehen bzw. in Wien aber wirklich nicht erwartet, usw.
Sie wußten gar nicht, was für einen Luxus es darstellte und wie holprig der Weg zu diesem von ihnen vorgefundenen Zustand gewesen war!
Es wurde und wird in Literatur und Publizistik viel über die anale Phantasie und Fluchkultur der Wiener geschrieben. Und darüber, wie häufig und leichtfertig das Wort "Scheiße!" in dieser Stadt verwendet wird.
Aber ist es denn ein Wunder, bei solchen Zuständen?!
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