So machte es der junge Benjamin Franklin in der Druckerei zu London. Es war ein höchst ungünstiger Ort für einen strebsamen Menschen. Die andern Angestellten wollten erst ihren Spott mit dem armen amerikanischen jungen Mann treiben. Aber sie fanden bald heraus, dass er aus hartem Holz geschnitzt war, mit dem sich etwas anfangen lässt, und bald war die ganze Luft in der Druckerei anders, waren die Spötter in Bewunderer verwandelt. Sein Beispiel wirkte Wunder an ihnen. Die meisten hatten bisher ihr Geld für unnütze oder schädliche Vergnügungen ausgegeben; von ihm lernten sie nun, dass Sparsamkeit und Charakterfestigkeit die Grundlagen für alles Vorwärtskommen sind.
Oder man denke an die Umgebung, in der Abraham Lincoln aufwuchs: im Urwald, ohne Schule, ohne Bücher, ohne Gelegenheit, irgendetwas zu lernen. Kein junger Mann kann heute sagen, er sei in einer derartigen Umgebung, und der, mit dem ich sprach, lebt in einem Paradies voll günstiger Gelegenheiten, verglichen mit der Lage Lincolns. Er wohnt in New York, umgeben von Büchereien, Abendschulen, Fortbildungsschulen, billigen Buchläden, Zeitungen, Monatsschriften und allen möglichen Vorbildern – und dabei beklagt er sich, er komme nicht vorwärts, seine Umgebung sei so entmutigend!
Nein, junger Freund, das ist keine Entschuldigung in diesem Land der unbegrenzten Möglichkeiten! Sag niemandem, du seiest nichts, denn du habest keine Gelegenheit, etwas zu werden! Einen jungen Mann, der aus dem rechten Holz geschnitzt ist, kann überhaupt nichts zurückhalten. Freilich, wenn du kein Mark in den Knochen hast, wenn du nicht so viel Mut und Ausdauer besitzt, um mit dem bisschen „Entmutigung“ und mit der „ungünstigen Umgebung“ fertig zu werden – dann bist du eben nicht aus dem Holz, aus dem die tüchtigen und erfolgreichen Männer geschnitzt sind. Fort mit solchen törichten Ausreden! Schon dass du sie überhaupt aussprichst, zeigt, dass der Fehler an dir liegt, dass es irgendwo bei dir nicht richtig ist. Man wird ruhig sagen dürfen, wenn ein junger Mann in Amerika oder Europa nicht vorwärts kommen kann, so gelingt ihm das in keiner andern Umgebung in der ganzen Welt.
Tausend und Zehntausende lebender Beispiele beweisen, dass man über Hindernisse und Entmutigungen Herr werden kann, die hundertmal größer sind als die, von denen ein junger Mann sich heute zurückhalten lässt.
Es kann sein, dass Umstände dich fesseln, über die du wirklich keine Gewalt hast, dass eine besondere Not dich zwingt, Arbeit zu tun, zu der du kein inneres Verhältnis gewinnen und bei der du dein Bestes nicht leisten kannst. Dann ist allerdings ein eiserner Wille nötig, um dir zu helfen; aber mit ihm kannst du auch aus dieser Umgebung noch etwas machen, du kommst dabei nur langsamer vorwärts. Vielleicht ist es doch noch möglich, wenn du nur Mut und Kraft behältst, in eine andre Umgebung zu kommen. Sonst musst du es eben machen wie die Perlmuschel, wenn sie ein Sandkorn nicht aus ihrer Schale entfernen kann: sie umhüllt es mit dem Stoff, der es zur Perle macht. So musst auch du die peinliche und hässliche Umgebung, die du nun einmal nicht loswerden kannst, so angenehm und so schön als möglich zu machen versuchen. Denn die beständige Arbeit, mit der man aus einer unvermeidlichen Notwendigkeit das Beste macht, was aus ihr zu machen ist, wirkt schon an sich als charakterbildende und stählende Kraft.
4. Die Macht der Begeisterung
Was hat die Begeisterung nicht schon alles geleistet! Alle großen Unternehmungen verdanken ihr Dasein der Begeisterung; sie hat Ströme überbrückt, Berge durchgraben, über unübersteigliche Gebirge Straßen gelegt, Städte gegründet, Schulen, Kranken- und Waisenhäuser gebaut. Sie ist die Haupttriebfeder bei allen Erfindungen. Sie hat Stephenson aufrecht erhalten, bis er seine Lokomotive an ihren grämlichen Tadlern vorbeifahren lassen konnte, und jetzt führt sie die durchgehenden Schnellzüge von Land zu Land und von Meer zu Meer. Sie hat Fultons Dampfschiff den Hudson hinauffahren lassen und hat den alten Traum der Menschheit verwirklicht und uns Luftschiffe und Flugzeuge geschenkt. Sie hat noch immer das Unmögliche möglich gemacht.
Es gibt keinen Ersatz für die Begeisterung, der dasselbe leistete, wie sie; sie ist es, die jede Niederlage in Sieg verwandelt.
Wie ist es möglich, dass ein Angestellter oft das Drei- und Vierfache leistet als andere? Es hängt nicht immer bloß von der Geschicklichkeit ab, sondern der Grund liegt in der verschiedenen Anstrengung, genauer in dem Charakter der Anstrengung. Der eine strengt sich nicht bloß mehr an, sondern er bringt Begeisterung und Eifer zu seiner Arbeit mit, durch die sie sowohl der Menge als der Güte nach bedeutend höherwertig wird.
Wie oft hört man einen Angestellten schon morgens sagen, er fürchte sich geradezu vor der Arbeit des Tages, die Stunden rückten gar nicht vorwärts und er wäre froh, wenn die Folter schon vorbei wäre! Da ist allerdings von Begeisterung für die Arbeit nichts zu spüren. Aber kann wohl ein Mensch erwarten, dass er im Leben vorwärts kommt, wenn er seine Arbeit als Folter ansieht und an sie herangeht wie der Sklave, der nur aus Furcht vor der Peitsche arbeitet?
Ein Arbeitgeber schätzt seine Leute wesentlich nach der Gesinnung ein, mit der sie ihre Arbeit tun. Wer gleichgültig oder widerwillig arbeitet, wer deutlich merken lässt, er wäre lieber anderswo und täte lieber was andres, der wird nicht hoch in seiner Gunst stehen.
Nichts verdrießt den Chef mehr, als wenn er merkt, wie seine Leute ihre Arbeit offenbar nur als ein notwendiges Übel ansehen, dem sie leider nicht entgehen können, weil sie sonst nichts zu essen haben; er weiß genau, dass er mit derartigen Arbeitern nie etwas Rechtes anfangen kann.
Der Angestellte aber, der seine Arbeit so tut, dass man ihm anmerkt, er tut sie gern und er ist stolz auf sie, der mit Energie, Entschlossenheit und Begeisterung an sie herangeht, von dem weiß sein Chef, dass er seine Sache nicht bloß zügig macht, sondern dass er sie gut macht.
Wenn eine Lokomotive noch so stark und tadellos gebaut ist und noch so viel PS entwickeln kann, so bewegt sie den Zug doch keinen Schritt vorwärts, wenn das Wasser im Kessel nicht hundert Grad Celsius hat. Warmes Wasser, heißes Wasser, Wasser mit neunundneunzig Grad – alles nützt gar nichts. Ebenso nützt die beste Begabung und Ausbildung einem Menschen nichts: wenn nicht die Begeisterung ihn treibt, so drehen sich alle Räder seiner Maschine nutzlos und erfolglos. Der Mensch mit Begeisterung, mit Feuer – mit Raketensatz, wie Bismarck zu sagen pflegte – der bringt die Welt vorwärts. Der junge Mann ohne Begeisterung und ohne Feuer ist und bleibt ein Spiel der Wellen und der Umstände und treibt steuerlos auf der hohen See des Lebens.
Noch immer hat die Welt sich vor der Begeisterung schließlich gebeugt. Begeisterung vertausendfacht unsre Kräfte und entfesselt alle unsre Anlagen. Sie wirkt ansteckend und reißt schließlich die Umgebung unwiderstehlich mit.
Ich kenne Menschen, die alles fertig bringen, wenn sie begeistert sind; sie sind dann voll guter Gedanken und glänzender Einfälle, schöpferisch, kraftvoll und leistungsfähig. Aber wenn die Begeisterung verfliegt, so schwinden alle ihre Kräfte, sie sind wie der Strand zur Zeit der Ebbe, es ist nichts mit ihnen anzufangen, man muss einfach warten, bis wieder Flut ist.
Es ist deshalb eine große und höchst notwendige Kunst, dass man sich seine Begeisterung erhält, allen Entmutigungen zum Trotz. Aber es ist eine Kunst, die jeder lernen kann. Es handelt sich einfach darum, dass wir unsre Gedanken beherrschen. Wir können und müssen den Gedanken der Mutlosigkeit, der Angst, der Sorge von unsrem Geist fernhalten, sonst töten sie unsre Begeisterung und stumpfen unser geistiges Handwerkszeug hoffnungslos ab. Wir können unsre Stimmungen beherrschen, und wenn wir die Düsternis und Trübe ausschließen wollen, so gibt es dazu kein besseres Mittel, als möglichst viel Sonnenschein hereinzulassen.
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