Wende auf Russisch. Michael Blaschke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Blaschke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752961270
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will was hören“, sagte Volkov.

      „Tut mir leid, ich hatte einen zuverlässigen, jungen Mann nach Sutza beordert, der mich mit meinem Wagen an der Grenze abholen sollte. Da meine Schwester in Kiew wohnt, nutzte ich die Gelegenheit, um sie zu besuchen. Dass die Grenze nachts gesperrt ist, wusste ich nicht. Der Transport muss es wohl noch geschafft haben. Ich nehme an, der junge Mann hat keine Transporter gefunden und ist vermutlich nach Hause gefahren. Mir blieb nichts anderes übrig, als mit dem Bus nach Kursk zu fahren.“

      „Hast du mit der Spedition gesprochen? Was ist mit den Fahrern passiert? Das widerspricht sich alles.“

      Volkov wurde böse.

      „Was ist das für ein junger Mann, von dem ich nichts weiß? Wo sind die Zoll- und Transportpapiere?“

      „Ich weiß es nicht“, sagte Moskwin, der bedröppelt vor Volkov stand.

      Den Rabitschew hatte er noch nicht getroffen und er glaubte auch nicht, dass der etwas Wichtiges zu sagen hätte.

      „Du gehst zur Polizei und meldest in meinem Namen den Diebstahl. Dann setzt du dich mit der Spedition in Verbindung. Vielleicht erfährst du da etwas.“

      „Erst muss ich mein Auto holen“, bemerkte Moskwin.

      „Das interessiert mich nicht, mach was ich dir gesagt habe, ich erwarte deinen Anruf.“

      Moskwin merkte, es war wohl besser zu verschwinden.

      Nikolai Volkov wusste, an wen er sich halten musste. Dem Oleg Morosow wollte er einen Besuch abstatten. Der alte KGB Chef war immer eine lohnende Anlaufstelle. Volkov hatte Glück, der Alte hielt sich in seiner Stadtwohnung auf. Das war selten, denn meist lebte er im Sommer auf seiner Datscha. Die Wohnung erinnerte Nikolai an die Zeit, als er in einer ähnlichen Behausung lebte. Eine typische Dienstwohnung, abgenutztes, jahrzehnte altes Mobiliar, auch die Sanitäranlagen. Sie galten einst als komfortabel und waren heute Bruchbuden. Er erinnerte sich selbst an den Geruch der alten Möbel.

      Oleg Morosow empfing seinen Besuch locker und bequem im bunten Hausrock und Pantoffeln. Es überraschte ihn nicht, dass Volkov ihn aufsuchte, gab es doch gewisse Seelenverwandtschaften, um Seilschaften zu pflegen, in diesen unsicheren Zeiten, Privilegien zu behalten und letztlich sein Vermögen zu mehren.

      Sie saßen im Wohnzimmer und die alte Wirtschafterin hatte Kaffee gebracht. Oleg wusste sehr wohl, was Volkov von ihm wollte. Er war entschlossen, ihn abzuwimmeln.

      „Oleg, wer hat meine Baufahrzeuge gestohlen? Was wird hier gespielt? Wer will mir das Wasser abgraben? Wir kennen uns seit Jahren. Wir waren doch immer bemüht, dem anderen nicht auf die Füße zu treten. Ich habe die maroden Betriebe übernommen, will investieren und sichere Arbeitsplätze schaffen und mit meinem Geld etwas für die Allgemeinheit tun.“

      Morosow unterbrach ihn: „Ich weiß nicht, wer dich bestohlen hat, ich weiß auch nicht, wer dir das Wasser abgraben will. Das Wohl der Allgemeinheit, das dir schlaflose Nächte bereitet, da weiß ich sehr wohl, dass du vor Wochen zwei Millionen Dollar außer Landes geschafft hast. Eine hübsche Summe, die hätten die Arbeiter in deinem Betrieb gern als Investition gesehen. Also, erzähle mir nichts von Dingen, die mit dir nichts zu tun haben.“

      „Was ich gemacht habe, war kein illegaler Transfer“, sagte Volkov.

      „Hast du die Summe versteuert? Hast du? Du hast natürlich nicht“, erwiderte Morosow.

      „Was glaubst du denn, wie Teile der staatlichen Betriebe privatisiert worden sind“, meinte Volkov.“ Es gibt mehr Milliadäre in Russland, als vergleichsweise im hochkapitalistischen Amerika. Wie ist das möglich, Genosse Oberst?“, fragte Volkov und er merkte, wie die nackte Wut ihn beherrschte.

      „Hier geht es nicht um mein Vermögen, hier geht es eindeutig darum, mich aus dem Geschäft zu drängen.“

      Nun war Morosow der Meinung, Klartext reden zu müssen.

      „Niemand will dir Schwierigkeiten machen. Das Ministerium will die Staatsbahn in eine Aktiengesellschaft umwandeln. Das geht natürlich nur, wenn alles vorhanden ist, was zur Bahn gehört.“

      „Hat man das nicht früher gewusst?“, polterte Volkov.

      „Nikolai, wer kann in diesen unsicheren Zeiten vorher sagen, was in einem halben Jahr geschieht“, sagte Morosow in versöhnlichem Ton. Er ging zum Schrank, holte eine Kiste kubanischer Zigarren und bot Volkov eine an. Sie qualmten still vor sich hin, der Dampf verteilte sich an der Zimmerdecke.

      „Ich mach dir einen praktikablen Vorschlag. Du verkaufst deinen Besitz an die Staatsbahn und mit dem Erlös baust du dir etwas Neues auf.“

      „Das ist ja alles so einfach“, erwiderte Volkov mit spöttischem Unterton. „Was ist mit der Belegschaft?“, fragte er weiter.

      „Da kann ich dich beruhigen, die Leute werden übernommen,“ sagte Morosow und war bemüht, die Asche der Zigarre im Aschenbecher sicher unterzubringen.

      Die alte Wirtschafterin hatte Feierabend und ging nach Hause. Volkov überlegte krampfhaft, wie er ohne großen Schaden aus der Sache heraus kommen könnte. Es war ihm klar, dass Widerstand nichts brachte. Einen Kampf gegen den FSB, den zukünftigen Bossen der Staatsbahn, konnte er nur verlieren. Die Justiz war nicht weniger korrupt, als die Gesellschaft. Er konnte niemandem trauen, schon gar nicht in diesen Zeiten. Volkov kannte die verschlungenen Pfade der Bürokratie, diesen Dschungel. Ohne Federn zu lassen, kam er da nicht durch. Ob es jemals Rechtssicherheit geben würde, wusste nur Gott und der hatte sich in diesem Land nicht mit Ruhm bekleckert.

      Volkov wusste, wollte er weiter im Überfluss leben, musste er andere Wege gehen.

      „Meine redlich erworbenen Fahrzeuge kann ich wohl abschreiben“, sagte Volkov und er schaute böse und misstrauisch zu Morosow. Der saß unbeeindruckt in seinem Ohrensessel, paffte genüsslich an seiner Zigarre und bestätigte durch Kopfnicken Volkovs Frage. Der erhob sich, er wollte mit diesem Menschen nicht unnötige Zeit verbringen. Jahrzehntelange, geheime, brutale Polizeiarbeit machte aus jedem Menschen einen charakterlosen Kotzbrocken.

      Morosow blieb sitzen. Warum sollte er diesen Volkov zur Tür bringen? Betrübt schaute er auf den Rest der teuren Havanna, die im Aschenbecher kalt wurde. Er griff zum Telefon, besprach sich mit einigen Leuten aus dem Herrenclub und alle waren zufrieden.

      Volkov fuhr nach Hause. Er fühlte sich leer und ausgebrannt. Als er in seinem Garten stand, fragte er sich, wie lange er und seine Familie das schöne Anwesen wohl noch ihr eigen nennen durften. Sie werden mich fertig machen und wenn ich nicht aufpasse, lande ich in einem Straflager, irgendwo in der Weite Russlands, dachte er, als er das Haus betrat.

      14.

      Wasil Saizew saß wie so oft am Fenster der Plattenbauwohnung und sah lustlos zu den verkommenen Fabrikhallen, die mal sein Arbeitsplatz waren. Das mit dicken Eisenketten verschlossene Tor verpasste dem Objekt ein trostloses Bild. Wasils Situation hatte sich nicht verändert. Er war immer noch arbeitslos, lebte von Gelegenheitsarbeiten und lag seiner Mutter auf der Tasche. Oft fragte er sich, wie machen andere junge Männer das, so ganz ohne Perspektive leben? Nie hätte er gedacht, dass der Zusammenbruch ein derartiges Chaos schaffen würde. Es gab nie Überfluss, aber die Versorgung mit dem Notwendigsten wurde garantiert.

      Es klopfte, seine Mutter wollte ihn zum Abendbrot holen. Sie war alt geworden, ihre Gesundheit hatte sie in einer Großwäscherei gelassen und war mit ein paar Rubeln Rente abgespeist worden. Die tägliche Hausarbeit fiel ihr sehr schwer, sie bekam oft schmerzhafte Gichtanfälle. Die Medikamente, die sie brauchte, musste sie selbst bezahlen, eine kostenlose Versorgung gab es nicht mehr. Während des Essens schellte es an der Tür. Wasil öffnete, Lew Rabitschew war gekommen. Sie gingen in die Küche und Lew grüsste mit einer leichten Verbeugung die Mutter seines Freundes. Frau Saizew lächelte, sie mochte Lew, er war immer freundlich und nett. Er war schon als Kind öfter Dauergast bei den Saizews. Mit Wehmut dachte sie an die Zeit, als die jungen Männer noch Kinder waren.

      Rabitschew war nervös, er hatte etwas mitzuteilen, was er für sehr wichtig hielt. Beide gingen