Musik der Habsburger. Camillo Schaefer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Camillo Schaefer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783742766472
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dass die - in italienischer Sprache - abgefassten Verse Ferdinands III. alle "graziös, lebhaft und leicht singbar" wären. Seitens Quadrio (14) wurde sogar behauptet, dass ein Einzelband mit kaiserlichen Versen (die vielleicht dem revueartigen Moralitätenstück >Speculum vitae humanae< des Erzherzogs Ferdinand von Tirol (1529-1595) nacheiferten), unter dem Titel >Accademia Occupato< erschienen sein soll. Der Kaiser hatte nämlich im letzten Jahr seiner Regierung nach italienischem Muster noch eine literarische Akademie mit Sitz in Wien gegründet, deren regelmäßige Zusammenkünfte in der Hofburg abgehalten wurden. Laut Ludwig Ritter von Köchel fanden zwischen 1637 und 1700 in nur sieben Venezianischen Theatern zwar nicht weniger als 357 Opernaufführungen statt, doch ungeachtet der schweren Kriegswirren trachtete Ferdinand III. unablässig danach, dass Wien seinen vorzüglichen Platz als erste Musikstadt behielt, ohne freilich mit der italienischen Entwicklung wirklich Schritthalten zu können. Der Hof versuchte sogar Beziehungen zu dem gefeierten Claudio Monteverdi anzuknüpfen, der einige Werke den Habsburgern widmete, aber an eigener Stelle Francesco Cavalli (1602-1676), seinen Schüler, der in Venedig höchste Honorare empfing, nach Wien sandte, wo Cavalli eigens die Opern >Egisto< (1642) und später >Jason< (1650) komponierte. Seine beiden Werke hinterließen hier aber offenbar keinerlei wesentlichen Eindruck. Ähnliches widerfuhr dem Publikumsmagneten Cavalli aber auch mit seinem dekorativen Werk >Ercole amante< (1662), das er für die großangelegten Vermählungsfeierlichkeiten König Ludwigs XIV. in Paris geschaffen hatte.

      Die schon 1684 erschienen 36 Klaviervariationen von Wolfgang Ebner (1610-1665) über eine Arie Ferdinands III. gedruckt in Prag - einen vierstimmigen Madrigal mit beziffertem Bass >Melothesia Caesarea<, der sich vorwiegend in Betrachtungen über die Hinfälligkeit des menschlichen Daseins ergeht, gibt Kircher (15) im ersten Teil seiner >Masurgia universalis< wieder. Neben einem einfachen vierstimmigen Chorgesang über den Psalm >Miserere< (Erbarme dich) hat sich des weiteren noch seine Sammlung kirchlichen Werke in der vorgenannten >Distinta Specificatione dell' Archivio musicale per il servizio della Capella e Camera Cesarea Prima della compositioni per chiesa e camera della Sacra Ces. Real Maest di Leopoldo Aug. Imperatore< erhalten. Darunter befinden sich eine fünfstimmige Messe, vier Motetten, zehn Hymnen, ein >Popule meus< sowie noch ein >Stabat mater<. Guido Adler hat jedoch bereits nachgewiesen, dass dieses Verzeichnis nicht vollständig ausgeführt ist, da ein im Benediktinerstift Kremsmünster aufbewahrter Kodex des P. J. Lechler beispielsweise noch zwei weitere kaiserliche Kompositionen - nämlich eine vierstimmige Lauretanische Litanei sowie eine achtstimmige Messe mit Violinbegleitung - enthält. Auch das verhältnismäßig am weitesten verbreitete >Miserere<, in dem die musikalischen Anlagen Ferdinands besonders augenfällig hervortreten, ist in der erwähnten Sammlung nicht ausgewiesen. Wie schon in seinem >Dramma musicum<, worin er die Fabel des Herkules religiösen Zwecken entsprechend adaptiert hatte, zeigt der kaiserliche Komponist sich im Tasten nach neuen Formen, im ständigen Suchen nach bewegtem Ausdruck (16), wenngleich die eigentliche kontrapunktorische Kunst hier wohl ausbleibt. Musikalisch noch am ausgeglichensten fällt dabei der Hymnus >De Nativate Domini< mit der Begleitung von drei Flöten und drei Trompeten aus, am unruhigsten dagegen die Modulation im Madrigal >Chi volgene la mente<.

      Die Uraufführung von Ferdinands allegorischer Szenenfolge >Dramma musicum<, das sein Vorbild der Jesuitenoper entlehnte, erfolgte 1649 in Wien. Erzherzog Leopold Wilhelm (1614-1662), sein jüngerer Bruder und Statthalter der Niederlande, selber ein kunstsinniger Geist, der unter dem Pseudonym Crescente in der Akademie ebenfalls eine Sammlung italienischer Verse mit dem Titel >Diporti del Crescente< herausgab, meinte neidlos dazu, Ferdinand III. "stütze sein Zepter auf Leier und Schwert."

      Trotz der Epoche der Religionskriege war es dem Kaiser dazwischen gelungen, vorzügliche musikalische Nachwuchskräfte heranzubilden und um sich zu sammeln. Die talentvollen jungen, vielversprechenden Künstler Johann Jacob Froberger (1616-1667) sowie Johann Caspar Kerll (1627-1693) werden auf seinen Wunsch nach Italien geschickt und bereiteten damit die heranwachsende Bedeutung der Orgel und Instrumentalkunst in unseren Breiten vor. 1655 ernennt Ferdinand III. Froberger, der bei Frescobaldi studiert hatte, demgemäß auch zu seinem Hoforganisten. Auf einer weiteren Reise nach England wird der Künstler jedoch völlig ausgeplündert und verdankt es letztlich nur seiner Virtuosität, sich aus der prekären Lage retten zu können. Johann Pachelbel (1653-1706) aus Nürnberg, dessen Vorbilder J. C. von Kerll und Froberger sind, avanciert unter Ferdinand zum Organisten-Gehilfen, bleibt aber gleichzeitig Domorganist von Sankt Stephan. Der hoch qualifizierte Wolfgang Ebner (1612-1665), der sogar eine grundlegende Schrift über die Generalbasslehre (1653) verfasste, wurde ebenso Hoforganist.

      Gleichzeitig sorgt Ferdinand aber auch für die gedeihliche Organisation und den inneren Aufbau der Musikerkollegien, worüber seine zahlreichen Artikelbriefe ein ausführliches Zeugnis ablegen, in denen er sogar sittliche Vorschriften über das Verhalten der Hofmusiker untereinander erteilt, deren Lehr- und Gesellenzeiten vom Kaiser nunmehr genau festgelegt und mit Rücksicht auf die gehobenen Anforderungen erweitert werden. So genannte >Bettlerinstrumente< wie Sackpfeifen, Schafsbock, Leier (Organistrum) und Triangel schied der Regent persönlich aus dem Bereich der Kunst aus, wie er auch das Absingen von diversen Schand- und Zotenliedern streng untersagte, um damit den ernsten Tonkünstlern erstmals zu einem gerechteren Ansehen zu verhelfen und "Unwürdigen" den Eintritt in die Musikersocietäten überhaupt gänzlich zu verwehren.

      Von Antonio Bertali (1605-1669), auf den wir noch zurückkommen wollen, entsteht als österreichischer Komponist italienischer Abstammung neben einer großen Anzahl von Opern, Oratorien, Messen und kirchenmusikalischen Werken inzwischen auch das theoretische Werk >Instructio musicalis<. Für seine Zeit von wesentlicher Bedeutung, die vor allem die Haltung des Kaisers beeinflusste, versuchten dessen Grundlagen den Machtanspruch des Herrscherhauses auch auf den musikalischen Bereich auszudehnen und nach außen hin wirksam zu repräsentieren.

      Sozusagen als Nebeneffekt der Kunstmusik bildete sich bereits um die Mitte des 18. Jahrhunderts die österreichische Militärmusik heraus, an deren Anfang ein selbstkomponierter Marsch des Pandurenführers Franz Freiherr von der Trenck steht; akustische Signale mit Blasinstrumenten und Hörnern galten damals freilich längst als feststehende militärische Einrichtung, wobei nach den folgenden Türkenkriegen der Einsatz von >exotischen< Blasinstrumenten, Becken, Triangeln, großen Trommeln und Schellenbäumen noch schier unübersehbar zunahm. Schon 1741 lässt sich bei den >Hoch- und Teutschmeistern< in Mailand bereits eine so genannte >Türkische Musik< nachweisen, deren grelle Signale eine abschreckende, kriegerische Wirkung verbreiten sollten. Zunehmend übertrugen Fürsten und Feldherrn ihren Militärmusikanten auch schon zivile Funktionen, die später von eigenen Hausmusikkapellen erfüllt wurden, deren >Hautboisten< die militärischen Tamboure und Trompeter ablösten. Die als äußerst sparsam bekannte Maria Theresia verfügte jedoch ihrerseits, dass es Regimentsinhabern nur erlaubt wäre Musiker mitzuführen, wenn dem Staatssäckel dadurch keinerlei Unkosten entstünden. 1766 gebot ein weiteres kaiserliches Zirkular, dieselben gegebenenfalls gleich aus den Regimentern zu rekrutieren, um die Kosten zu senken. 1777 folgte zur Systematisierung des gesamten militärischen Musikwesens in Österreich ein Regulant, das die bereits 1751 erlassene Ordnung über die vorschriftlichen Trompeten-Signale etc. noch ergänzt. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden die Gesamtbesetzungen der Militärmusikkapellen angehoben, damit dem allmählich erweiterten Repertoire von ersten Märschen und Divertimenti sowie den häufig vereinfachten Transkripitionen populärer Werke der Kunstmusik volles Genüge getan werden konnte, die vor allem in den zahlreichen Garnisonsstädten seitens des Publikums eine immer beliebtere Rolle spielen und längst zu einem Faktum des dortigen kulturellen Lebens geworden waren.

      Unter Erzherzog Karl (1806) wurden die Pfeifer endgültig abgeschafft und die Hautboisten dem Regiment hinzugezählt, während die Kosten für die eigentlichen >Bandisten<, die jeweils mindestens aus drei Dutzend Musikern bestanden, weiterhin den Kassen der Regimentsinhaber zufielen. Merkwürdig genug blieb dagegen die Funktion des Tambours oder Trommlers, der weiterhin traditionell nebenbei als Unterhändler mit dem Feind Verwendung finden konnte, dessen Feldabzeichen, das Spanische Rohr mit Knauf, aber schon als Taktierstock fungierte, seitdem er der nunmehr zahlreicheren Kapelle voranmarschierte (17).

      Der militärische Klangkörper umfasste für gewöhnlich Bassett- und Basshörner, Becken, Fagotte, Flöten, Hörner,