Es als profundes Mittel zur Bildung der Nation ansehend, gibt Josef diesem zusätzlich ein ausführliches Statut bei - fast gleichzeitig wenden sich seine Intentionen dem Wiener Singspiel zu.
Gluck, der seinen Schüler Antonio Salieri in dessen Stellung als Kammer-Compositeur späterhin mit Rat und Tat unterstützt, findet als Musikerzieher Maria Antoinettes am Wiener Hof in der nachmaligen französischen Königin überdies eine einflussreiche, dankbare Gönnerin, die in der Durchsetzung seiner französischen Reformopern in Paris eine willkommene Manifestation ihrer Macht erblickt (14), und sich den Schutz des berühmten Opernmeisters besonders angelegen sein lässt. Nach Glucks Tod setzt Josef II. zu dessen Nachfolger als Hofkompositeur zwar Wolfgang Amadeus Mozart ein, streicht ihm jedoch aus Sparsamkeitsgründen das bisher ansehnlich gewesene Jahresgehalt von 2000 auf magere 800 fl. zusammen.
Mozart, der von seinem Amt zwar wenig in Anspruch genommen wird, beklagt, dass die 800 Gulden zu viel für das seien, was er leiste, aber zu wenig dafür, was er leisten könnte. Die vom Kaiser persönlich in Auftrag gegebene Oper >Figaro< bringt dem Komponisten alles in allem genommen nur 100 Dukaten ein - den gleichen Betrag, den der erst sechzehnjährige Mozart vormals für sein italienisches Bühnenwerk >Mitridate< erhalten hatte.
Ein Gemälde von Johann Franz Greipel (1720-1798) zeigt die Aufführung von Glucks einaktigem Festspiel >Il parnasso confuso< im Salon de bataille (Antecamera, heute Zeremoniensaal) des Schlosses Schönbrunn durch Mitglieder der kaiserlichen Familie sowie der Hofkapelle anlässlich der Hochzeit Josefs II. mit Maria Josefa von Bayern (24. Jänner 1765). Die vier Gesangspartien der kleinen Gluck-Oper (Text von Pietro Metastasio) haben vier Schwestern des Bräutigams übernommen: die Erzherzoginnen Maria Amalia (1746-1804), Maria Elisabeth (1743-1808), Maria Josefa (1751-1767) und Maria Karolina (1752-1814). Leiter der intimen Aufführung war der achtzehnjährige Erzherzog Leopold, im Orchester spielten vierzehn Musiker. Interessant bleibt das Bild jedoch vor allem hinsichtlich der Genauigkeit, mit welcher der Maler Hinweise zur damaligen Aufführungspraxis gibt. Die Partitur nennt nur zwei Hörner, die in der Sinfonia allerdings in Clarin-Lage geblasen werden - daher haben die Musiker die Instrumente gewechselt, die Hörner abgelegt und hohe Trompeten genommen; nach der damaligen Praxis traten zu Trompeten traditionell Pauken hinzu, auch wenn sie nicht eigens in der Partitur notiert sind - das heißt, die Spieler hatten zu improvisieren. Das Bild zeigt den Paukisten nun exakt ohne Notenvorlage sowie die verwendeten Clarin-Trompeten. Unter den Zuhörern hält Maria Theresia eine Partitur oder ein Particell in Händen, die Braut Maria Josefa und Prinzessin Charlotte aber je ein Textbuch (15).
Der spätere Reformkaiser Josef II. schätzt das überkommene Pathos in der Musik hoch, äußert oft geschmackliche Vorbehalte gegen erstrangige Komponisten und vertraut in diesbezüglichen Fragen vielmehr dem zweifelhaften Einfluss seines Kammerviolinisten und ergebenen Höflings Franz Kreibich. Dennoch sind die Bemühungen Josefs um die Installierung eines Nationalsingspiels als deutschsprachiges Gegenstück zur herkömmlichen opera buffa wohl außerordentlich zu schätzen - ausdrücklich anordnend, musikalische Darbietungen mit deutschen Texten zu versehen, begründet er das Wiener Singspiel damit als offizielle, kaiserlich subventionierte Bühne. Noch unter französischem Einfluss durchläuft jenes zunächst alle Wandlungen von der ländlichen Komödie bis hin zum bürgerlichen Rührstück und der romantischen Zauberoper, und entnimmt seine Sujets schließlich zusehends der Mode der neu erwachten Empfindsamkeit. In Wien werden Ignaz Umlauf, Karl Ditters von Dittersdorf, Emanuel Schikaneder, Josef Weigl, Johann Schenk sowie der Meister der Symphonie, Joseph Haydn, die bekanntesten Protagonisten dieses Singspiels, deren extra dafür komponierten Werke aber einer der ernsteren Oper zustrebenden Richtung angehören, die schlussendlich in der >Zauberflöte< ihren absoluten Höhepunkt finden sollte.
Die glänzenden Erfolge des heute längst vergessenen Altwiener Singspiels, die betonte Volkstümlichkeit seiner Melodien, seine leichte Einprägsamkeit, die komischen Situationen und mit naiven Texten ausgestatteten Handlungen verweisen als durchkomponierte kleine Opern aber schon indirekt auf die goldene Ära der später ebenso erfolgreichen Wiener Operette. Im direkten Zusammenhang mit dem raschen Aufblühen des deutschen Singspiels entstand daher die Absicht, auch eine ernste deutsche Oper zu schaffen. Beethovens >Fidelio<, der - mit unüberhörbaren Anklängen an das typische Singspiel ausgestattet - zum Typus der so genannten opera semiseria gehört, war beispielsweise eine der Früchte dieser Opernpläne.
Sogleich nach dem Eintreffen der Todesnachricht Josefs II. in Bonn, hatte Beethoven zu einem Text von Severin Anton Averdonk mit der Komposition einer Trauerkantate begonnen. Die Aufführung, die in einer von der Bonner Lesegesellschaft geplanten Trauerfeier stattfinden sollte, musste allerdings abgesagt werden, weil der Komponist in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit das Werk nicht vollenden konnte. Über eine zeitgenössische Aufführung ist daher nichts bekannt, da das Autograph Beethovens ebenso verschollen ist, doch existiert eine Partiturabschrift aus dieser Zeit. Ungleich mehr Beachtung fand freilich die Trauermusik auf Josef II. von Justin Heinrich Knecht zu einem Text von C. F. Daniel Schubart.
In Erzherzog Rudolf (1788-1831), dem jüngsten Sohn Kaiser Leopolds II. und späteren Kardinal-Erzbischof von Olmütz, fand Beethoven sich einen wohlmeinenden Schüler und fürstlichen Mäzen, welcher schon früh selbst als virtuoser Pianist in den Wiener Salons und danach an der Seite Beethovens selbst auftritt. Gemeinsam mit den Fürsten Isidor Lobkowitz und Ferdinand Kinsky sicherte der Erzherzog dem Komponisten später eine Ehrenpension von 4000 fl. gegen die bloße Verpflichtung zu, in Österreich zu bleiben.
Denn längst vollzieht sich innerhalb des Musiklebens schon ein gewaltiger Umschwung - nämlich der Übergang von der rein höfisch-adeligen zur bürgerlichen Musik-Ära. Während die Aristokratie, von der französischen Revolution ebenso wie dem Aufkommen der neuen Industrien in seiner Vormachtstellung bedroht, sich aus ihren musikalischen Sonderambitionen zurückzieht und ihr bisheriger Schöpfungstrieb nach und nach erlischt, räumt er dem Bürgertum das Feld. Der nüchterne Kaiser Franz II. (Franz I., 1768-1835) vermag im Streichquartett bezeichnenderweise nur noch die zweite Geige zu spielen, verfügt aber über eine bedeutende Sammlung von Notenhandhandschriften, die als so genannte Kaisersammlung zum Großteil in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien aufliegt.
Selbstverständlich haben einander so entgegen gesetzte Musikepochen wie etwa Kirchen- und Oratorienstil, die Repräsentationsoper des Barock, die italienische Belcanto- und Koloraturinflation, der pathetisch angelegte Stil Glucks oder die stets lebendig gebliebene Mozart-Oper zwangsläufig zu vollkommen verschiedenen Grundlagen hinsichtlich der jeweiligen Geschmackserziehung geführt - nichtsdestoweniger erfolgt schon 1812 in Wien die Gründung der >Gesellschaft der Musikfreunde des österreichischen Kaiserstaates<. Von 1831 bis 1835 steht ihr Erzherzog Anton Viktor (1779-1835), der achte Sohn Kaiser Leopolds II. vor - und tatsächlich erwirbt man sich damit nachhaltige Verdienste um das gesamte Konzertwesen schlechthin. Im neuen Haus, dem 1864 erbauten, prachtvollen Musikvereinsgebäude, entstand sowohl die große Bibliothek, die nur noch von den Schätzen der Nationalbibliothek übertroffen wird, und auch die umfangreiche Sammlung zur Geschichte der Musik. Erzherzog Eugen (1863-1954), der Protektor dieser Gesellschaft, stand ab 1906 auch der Stiftung >Mozarteum< in Salzburg sowie des Musikvereines in Innsbruck vor.
Noch in den Vormärz hinein fällt die Gründung der philharmonischen Konzerte, aus denen das Orchester der Wiener Philharmoniker hervorgeht, während der >Wiener Männergesangverein< (1843), der >Akademische Gesangverein< und der >Schubertbund< seither die Gesangskunst pflegen. Zur selben Zeit findet die Oper ihre Heimstätte im >Kärntnertortheater<, das ab 1853 als >k. k. Hofoperntheater< geführt wird. Hier spielte man vor allem Carl Maria von Weber, Konradin Kreutzer, Giacomo Meyerbeer, Albert Lortzing, Franz von Suppé und Friedrich von Flotow, aber auch italienische Opern sowie Kirchen- und Hausmusik, so dass sich auch in dem auf den Vormärz folgenden Jahrzehnt des Neoabsolutismus ein höchstvielfältiges Musikleben entfalten konnte. 1869 wird das neue Hofoperntheater mit Mozarts >Don Giovanni< eröffnet, das alte Haus erst 1870 mit Rossinis >Wilhelm Tell< geschlossen.