Zur Kirchenmusik kamen längst Kammermusik, aber auch Opern hinzu, die die erweiterten Verpflichtungen des musikalischen Personals innerhalb ähnlicher Adelshäuser wirkungsvoll bestätigten. Sogar Kaiserin Maria Theresia soll neidvoll gesagt haben: "Wenn ich eine gute Oper sehen will, fahre ich nach Eszterhàza." Der dortige Fürst war wohl einer der kenntnisreichsten damaligen Musikmäzene, doch bleibt die Tatsache, dass die Habsburger sich Jahrhunderte über aktiv mit Musik beschäftigten, für die Vorgeschichte der Wiener Klassik und darüber hinaus auch für die gesamteuropäische Musikentwicklung von ungleich wesentlicherer Bedeutung.
Nicht nur, dass die musikalische Tradition bereits seit Kaiser Ferdinand II. (1578-1637) ein wichtiger Teil der Erziehung von Prinzen und Prinzessinnen wurde, gelten sowohl dessen Nachfolger Ferdinand III. (1608-1657), Leopold I. (1640-1705), Josef I. (1678-1711) und Karl VI. (1685-1740) noch als rege bemühte Komponisten und Musikenthusiasten. Neben ihrem alle vorstellbaren Dimensionen sprengenden Mäzenatentum, das teilweise ohne jede Rücksichtnahme auf die tatsächlich vorhandenen Mittel erfolgte, bildete die soziale Aufwertung der an den Kaiserhof verpflichteten Musiker, die Hand in Hand mit der Heranziehung von berühmten Dichtern, Librettisten und großartigen Bühnenkünstlern erfolgte, wie auch der Umstand, dass die Musik ein wesentlicher Faktor im gesamten Leben des Kaiserhauses blieb, ein wegbereitendes Fundament zur Entfaltung der späteren Wiener Klassik.
Ferdinand III., dessen langjähriger musikalischer Lehrmeister der Venezianer Giuseppe Valentini (1582-1649) war, der dreißig Jahre lang in Habsburgischen Diensten stand, komponierte bereits Stoffe geistlicher sowie weltlicher Themenkreise unter italienischem Einfluss und hinterließ, neben einer sechs- und einer achtstimmigen Messe, 4 Motetten, 10 Hymnen, ein Stabat Mater, ein Miserere sowie die Bühnenkomposition >Dramma Musicum< (1649). Schon Leopold I. begann - ebenso wie später Karl VI. - zum persönlichen Gebrauch eine umfängliche Sammlung von Notenhandschriften anzulegen, die sich im Wesentlichen in der Musikaliensammlung der Österreichischen Nationalbibliothek erhielt; sein eigenes Werksverzeichnis umfasst wohl alle noch von ihm erhalten gebliebenen selbstständigen Kompositionen, nicht jedoch die große Anzahl an Einlagearien, Tanzsätzen und Lizenzen zu fremden Werken. Selbst der außerordentliche Katalog >Distinta Specificatione dell' Archivio musicale per il servicio della Cappella, e Camera Cesarea Prima Delle compositioni per chiesa e camera della Sacra Ces. Real Maest di Leopoldo Aug. Imperatore< kann insofern nicht als komplett angesehen werden, da verschiedene vorhandene Kompositionen Leopolds darin gar nicht aufscheinen, wenngleich damit eine wertvolle Titelsammlung weiterer Werke >per Chiesa e Camera< vorliegt.
Von den 170 Gesängen >per Camera< für eine bis acht Stimmen haben sich insgesamt nur noch fünf erhalten - auch das durch gedruckte Textbücher (1675) und in einem späteren Katalog (1712) erwähnte kaiserliche Klagelied >L'Ingratitudine rimproverata< (Die Undankbarkeit des Vorwurfs) gilt mithin als verloren. Die teilweise erhaltene Oper >Timone Misantropo<, die zeitweilig Leopold zugeschrieben worden war, ist dagegen eine Komposition von Antonio Draghi - eine Dedikation am Beginn des zweiten Aktes hatte, nachdem der erste Akt verschollen blieb, zu diesem Irrtum geführt.
Seiner Hofkapelle hat Leopold zeitlebens größtes Interesse entgegengebracht und eine Fülle von Kirchenmusik für sie komponiert - noch bis 1740, also weit über seinen Tod hinaus, wurden seine kirchlichen Werke von dieser noch regelmäßig aufgeführt, vereinzelt blieben sie sogar noch bis ins 19.Jahrhundert hinein bekannt. Selbst ein Mann vom hohen Rang des Universalgelehrten und Philosophen Leibniz, fühlte sich veranlasst, Leopold den Vers zu widmen:
"Leopold, ewige Zier der Austriaden, mit Rechte
nennt dich den Großen die Welt, nennt dich den Heiligen auch".
Musikhistoriker haben festgestellt, dass die Kompositionen Leopolds zwar die Spitzenleistungen der Musik seiner Zeit nicht erreichten, doch andererseits alle singbar geblieben sind. Als Musiker sowohl ein bemühter wie achtbarer Dilettant im besten Wortsinn (11), findet die prunkvoll-höfische Oper während seiner Regentschaft jedoch ihren absoluten Höhepunkt. Da die Oper nahezu ausschließlich italienisch bleibt, vermag Leopold selbst sich dem italienischen Einfluss in seinen Kompositionen kaum zu entziehen; dazwischen schreibt er jedoch deutsche Singspiele und Oratorien (12). Auch der spanische Einfluss auf den Kaiser ist nicht zu übersehen - immerhin besitzt er eine spanische Mutter und seine erste Gemahlin ist ebenfalls Spanierin. Mehr oder minder zu deren Freude begehrt der Kaiser immer wieder Notenabschriften aus diesem Land, dessen musikalische Entwicklung er mit auffälligem Interesse verfolgt. Ungeachtet der furchtbaren Pestjahre von 1679 und 1691 sowie der zweiten Türkenbelagerung Wiens 1683, die faktisch das gesamte christliche Abendland existentiell bedroht, schafft Leopold in dieser Zeit mit seinen >Tres Lectiones nocturni< und dem späteren >Miserere< jedenfalls musikalische Aussagen, in denen sich seine ganze innere Zerissenheit ausdrückt, die sowohl sein persönliches Lebensleid wie seine Todesgedanken widerspiegeln (13).
In diesem Sinn bleibt der Kaiser ein grüblerischer, bisweilen melancholischer Tonkünstler, der sich abschließt und auf sich selbst zurückzieht, wenngleich nicht weiter schlüssig beantwortet werden kann, inwieweit andere Musiker - so aus der Hofkapelle oder fremde Komponisten tatsächlich an der Entstehung seiner Werke beteiligt gewesen sind. Nur zweimal notiert Leopold I. sich eigenhändig die Mitarbeit Bertalis und Schmelzers. Was und wie viel andere für Leopold geschrieben haben, ob der Kaiser überhaupt mehrfach Außenstehende zum Komponieren beigezogen hat, bleibt unbeantwortet, denn die Nachweise (sowohl zu seinen musikalischen Werken wie auch denen seines Vaters Ferdinands III. und nachfolgender Herrschern) sind - angesichts des großen Themenvorwurfs - seltsamerweise äußerst spärlich geblieben. Neben den bekannten Auswahlausgaben Guido Adlers sowie den Schriften Köchels, Weilens, Hadamovskys und Brosches existieren kaum entscheidende Hinweise über die musikalischen Arbeiten der Habsburgerkaiser, andererseits ist die Literatur über die Hofmusik relativ umfangreich.
Hinsichtlich der vielen (zumeist italienischen Namen) der Musiker, Komponisten, Textautoren und sonstigen Protagonisten erweist sich jedoch, dass nur auf die allerbesten Kräfte zurückgegriffen wird - der nationale Vorrang bleibt dabei bedeutungslos, die habsburgische Kulturauffassung polyglott. Analog zur Musik schaffen nach den Burnacinis noch Francesco (1657-1743), Fernando und Giuseppe Galli-Bibiena (1696-1756) einen Inszenierungstyp, der sich fast in ganz Europa über ein Jahrhundert erhält. Antonio Daniel Bertoli (1677-1745) kreiert dazu seine berühmten Bühnenfigurinen.
Auch nach Leopold I. verändert die von festlichen Farbräuschen bewegte Oper kaum ihre glanzvolle Szene - das barocke Bühnenbild überragt seine Helden immer um ein vielfaches; während ihre Gesänge die kolossalen Arkaden, Triumphbögen und mystischen Burgen durchhallen, erweitert eine alles verbrämende Allegorie den natürlichen Spielraum hinaus ins Unendliche, denn es ist ein Welttheater ohne fest umrissene Grenzen, das Himmel und Erde zu umschließen vorgibt.
Im 18. Jahrhundert holt Kaiser Karl VI. die berühmten italienischen Poeten Apostolo Zeno und Metastasio nach Wien, auch Goldoni, der aber ablehnt, wäre vom Kaiser bezahlt worden. Während der Opernstil sich zusehends verfeinert, werden die dramatischen Lösungen trotz grandioser Szenerien und raffinierter Ausstattung aber dennoch immer mehr zu den Elementen einer toten Staffage.
Der Regent Karl dirigiert höchstpersönlich die Aufführung von Caldaras >Euristeo< (1724), bei der alle Gesangs- und Orchesterpartien vom allerhöchsten Adel, die Tänze aber von den Erzherzoginnen selbst ausgeführt werden, emphatisch vom Klavier aus. Alle seine Kinder sind musikalisch bestens ausgebildet - häufig schmücken die Töchter Maria Theresia und Maria Anna die Geburtstage ihres Vaters mit stilvollen Gesangsvorträgen.
Sogar noch als Kaiserin findet Maria Theresia, Tochter eines fast schwermütig zu nennenden Vaters und der schönen, lebensfrohen Elisabeth Christine von Braunschweig (1691-1750), Gefallen am Gesang; ihre Arien verlangen eine volle Beherrschung der Technik, doch Stimmübungen und höchster Kunstgeschmack sind innerhalb der kaiserlichen Familie bereits liebgewordene Traditionen. Bald bevorzugt man die französische Komödie, bald das deutsche Singspiel, dann einfache Operetten und Konzerte im kleineren Rahmen; nunmehr geben die Töchter Maria Theresias, Maria Anna und Marie Christine ihrerseits Vorstellungen in italienischen Arien, die in der Retirada, wohin man sich gerne zurückzieht, in Anwesenheit beider Majestäten gesungen werden.
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