Für Freiheit, Lincoln und Lee. Michael Schenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Schenk
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738064353
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neueren Stücke.“ Karolina Ganzweiler seufzte. „Ich schätze ja eher die klassischen Stücke, aber Josef sagt, ihm hängt Shakespeare einfach zum Hals heraus.“

      „Wir werden uns bestimmt nachher noch sehen, Mama“, erwiderte Friederike freundlich. Sie ging zu der massiven Tür hinüber, die ins Kaminzimmer führte, klopfte kurz an und trat dann ein.

      „Ah, Frau Arguille.“ Mathias von Erlenburg blickte vom Kamin herüber und schnippte etwas Asche von seinem Zigarillo. „An solch einem verregneten Tag ist es eine ganz besondere Freude, wenn Sie etwas Sonne zu uns bringen.“

      Sie nickte ihm zu und begrüßte dann von Schenck und Gottfried Wenzel, die gemeinsam mit von Erlenburg und ihrem Vater Josef eine Art deutscher Kaufmannsgilde in New York bildeten. An einem der kleinen Tische sah sie den alten Optikermeister Fürchtegott Trautmayer, der fröhlich winkte und dabei seinen Gehilfen Friedrich anstieß. Man spürte, dass Friedrich Baumgart die Ehe „seiner“ Friederike mit Timothy noch immer nicht ganz akzeptierte, auch wenn er sich sichtlich Mühe gab, es sich nicht anmerken zu lassen.

      Friederike beugte sich zu ihrem Vater und küsste ihn auf die Wange. „Ich hoffe, es geht dir gut, Papa?“

      „Aber natürlich, mein Liebes“, antwortete Josef und man merkte ihm die Freude an. Seit das Ehepaar Arguille ein kleines Haus in einem der Vororte gekauft hatten, sahen sich Vater und Tochter eher selten. „Ich wünschte, wir könnten uns öfter sehen, Tochter.“

      „Ach, Papa.“ Friedererike strahlte ihn an. „Du und deine Geschäfte. Du hast doch kaum noch Zeit, für etwas anderes. Wenn ich nicht gelegentlich zu euch käme oder Mama mich besuchte, würde ich glatt annehmen, wir würden auf verschiedenen Kontinenten leben. Und wenn wir uns sehen, dann sprichst du meist von Waren, Terminen, Kosten und Gewinnen.“

      „Krämer bleibt Krämer“, warf von Erlenburg mit freundlichem Lächeln ein. „Ob nun in Frankfurt oder hier in New York, Geschäft ist und bleibt Geschäft. Und Ihr Vater, verehrte Friederike, gehört zu den erfolgreichsten. Es mag sein, dass er bald sogar mit dem Beschaffungsamt der Regierung handelt.“

      Friederike sah ihren Vater fragend an und Josef Ganzweiler nickte erfreut. „Nun, nichts großes, mein Liebes. Die Regierung will offensichtlich die Armee reorganisieren und man erwägt, meine Dienste in Anspruch zu nehmen.“

      „Papa, das ist doch großartig“, freute sich Friederike. Sie nahm in einem der freien Ledersessel gegenüber ihrem Vater Platz.

      „Ach, nichts wirklich besonderes“, wiegelte Josef ab. „Regierungen sind ja meist eher knauserig.“

      „Aber er hat den Fuß in der Tür“, wandte von Erlenburg ein. „Nur keine falsche Bescheidenheit, mein lieber Ganzweiler.“

      „Sie haben da wirklich großes Potenzial, verehrter Ganzweiler“, sagte von Schenck. Er zog einen Kienspan aus dem Kamin und entzündete paffend eine Zigarre. „Die politische Entwicklung in den Staaten weist auf große Ereignisse hin. Nicht unbedingt angenehme Ereignisse.“ Von Schenck stieß eine blaugraue Dunstwolke aus. „Die Südstaatler werden immer fanatischer und ich möchte doch annehmen, dass diese Pflanzeraristokraten immer weniger Rücksichten auf demokratische Gepflogenheiten nehmen wollen. Für sie zählt es nur, ihre Ziele durch zusetzen und ich fürchte, jedes Mittel wird ihnen Recht sein.“

      „Sie sehen das zu Schwarz, verehrter von Schenck.“ Friederike schüttelte den Kopf.

      „Ich glaube nicht.“ Friedrich Baumgart erhob sich von dem Tisch, an dem er mit Trautmayer saß und trat näher. Sein blick war ein wenig schmerzlich, als er Friederike kurz ansah. „Ich habe unlängst einen Brief von meinem Bruder Hans bekommen. Der ist ja Aufseher auf einer Baumwollplantage in Virginia.“

      „Ja, einer der Sklaventreiber“, knurrte von Erlenburg.

      „Das ist nicht wahr“, widersprach Friedrich. „Hans ist kein Sklaventreiber. Er nimmt seine Aufgabe sehr ernst. Für die Plantagen im Süden sind die schwarzen Arbeiter sehr wertvolle Kapitalanlagen. Außerdem haben die wenigsten Südstaatler überhaupt Sklaven. Die meisten sind Menschen, die ebenso wie wir versuchen, ihr Auskommen zu haben.“

      „Ich hoffe doch sehr, mein lieber Baumgart“, sagte von Schenck gedehnt, „dass Sie wissen, wo Ihre Sympathien liegen.“

      „Bei einem gewählten Präsidenten und einem gewählten Parlament“, sagte Friedrich überzeugt. „Meine Herrschaften, wir alle haben uns doch in Deutschland für die Freiheit und die Demokratie eingesetzt und ich denke, jeder von uns wird sich für den Erhalt der hiesigen demokratischen Verfassung einsetzen.“

      Die Männer stießen ein zustimmendes Gemurmel aus und von Schenck zuckte halb entschuldigend die Achseln. „Das ging nicht gegen Sie, Baumgart. Sicher nicht. Ich weiß noch sehr gut, dass Sie auf den Frankfurter Barrikaden gekämpft haben. Zusammen mit Ihren Brüdern, nicht wahr?“

      „Ja, auch Hans war dort“, bekräftigte Friedrich. „Und er würde sich niemals für ein Unrechtssystem einsetzen. Wir alle haben die Auswirkungen von Despotismus erlebt, von gekrönten Häuptern, die das Recht beanspruchen, über das „Wohl“ ihres Volkes zu befinden. Aber hier geht es doch nicht um zwei unterschiedliche Systeme im Norden und Süden. Wir sind ein einziges, ein demokratisches Land, und die verantwortlichen Männer im Süden sind ebenso von demokratischen Rechten und Pflichten erfüllt, wie ein jeder von uns.“

      „Würde man den Frauen ein Stimmrecht geben, so würden die Debatten zu verschiedenen Meinungen sicher auch gesitteter ausgetragen.“

      Die Männer sahen Friederike an und von Erlenburg räusperte sich. „Ich denke, liebe Friederike, wir kommen wieder einmal zu Ihrem Lieblingsthema, nicht wahr? Ich denke, Frauen verstehen einfach nicht genug von Politik, um Verantwortung zu übernehmen.“

      „Finden Sie?“ Friederike lächelte maliziös. „Wenn ich mich richtig entsinne, so wurden in der Geschichte der Menschheit ganze Kriege wegen Frauen geführt. Die Trojanischen Kriege…“

      „Meine liebe Friederike“, fiel von Erlenburg ihr unhöflich ins Wort. Frauen und Politik waren für ihn immer ein Reizthema. „Frauen stiften eben einfach Unheil. In der Politik, meine ich.“

      „Weil man Frauen in der Politik nicht zu Wort kommen lässt.“ Friederike sah ihn empört an. „Wenn man schon Kriege wegen der Frauen geführt hat, dann können Frauen ebenso Kriege verhindern.“

      „Na, na, na, das ist nun aber wirklich an den Haaren herbeigezogen.“ Von Erlenburg sah die Umstehenden an und fand bei den meisten die ersehnte Zustimmung.

      Auch Josef Ganzweiler war das Thema unangenehm. „Wir sollten nicht ständig vom Krieg reden. Gütiger Gott, niemand will doch einen Krieg.“

      Es klopfte und die Anwesenden blickten automatisch zur Tür. Ein etwas peinliches Schweigen breitete sich aus, als der Butler mit entschuldigendem Blick hereinsah. Er räusperte sich verlegen und suchte wohl einen Ansprechpartner.

      „Was gibt es denn?“, fragte von Erlenburg ungeduldig. „Raus mit der Sprache.“

      „Ich…“, der Butler rang nach Worten und sah dann Friederike an. „Es… es tut mir außerordentlich leid, Frau Arguille. Wirklich, außerordentlich leid.“

      „Zum Teufel, was ist überhaupt los?“, polterte von Schenck und seine Blicke pendelten zwischen dem Butler und Friederike, die plötzlich eine ungesunde Blässe zeigte.

      „Es ist die Celeste“, sagte der Butler hastig. „Wir haben es gerade erfahren. Sie ist gesunken. Es gab einen schweren Sturm und sie ist gesunken.“

      Friederike fühlte sich wie gelähmt und spürte die betroffenen Blicke der anderen auf sich.

      „Gab es Überlebende?“, fragte Josef Ganzweiler mit tonloser Stimme.

      „Es war ein schwerer Sturm und der spanische Frachtsegler Sankta Magdalena konnte nicht beidrehen, um Hilfe zu leisten. Es tut mir leid.“

      Friederike spürte nur noch, wie der Boden unter ihr nachgab, dann wurde