Im Schatten der Hexe. Norman Dark. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Norman Dark
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738086669
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      »Das stimmt, ich komme nicht so oft in die Stadt und muss auch gleich los, um meinen Sohn von der Schule abzuholen. Aber warum erzähle ich Ihnen das eigentlich? Wir kennen uns doch gar nicht.«

      »Das muss sich unbedingt ändern. Ich bin Percy, und ein bisschen weiß ich auch über Sie.«

      »Wie praktisch, dann brauche ich Ihnen nicht zu sagen, dass ich Janet Cameron heiße und …«

      »… am Waldrand in dem schicken, weißen Haus wohne«, beendete Percy Janets Satz. »Sie fahren einen schwarzen Mini One D, den ich für so eine schöne Frau mit graugrünen Augen und blonden Haaren, die wie Gold schimmern, als viel zu dunkel erachte.«

      »Mr. …«

      »Sutherland, Percy Sutherland.«

      »Mr. Sutherland, Sie mögen es ja im Flirten zu einer gewissen Meisterschaft gebracht haben, aber ich bin gänzlich uninteressiert. Wie gesagt, mein Sohn wartet.«

      »Natürlich, ich will Sie auch gar nicht aufhalten, hatte allerdings gehofft, dass Sie fragen würden, woher ich das alles über Sie weiß.«

      »Mein Haus ist nicht zu übersehen, und einen Wagen dieses Typs fährt in dieser Gegend niemand, außer mir. Ich gehe nicht davon aus, dass Sie mir nachspioniert haben.«

      »Nein, das würde ich mir nie erlauben. Aber meine Mutter und ich wohnen nicht so weit von Ihnen entfernt. Ich nehme zwar hin und wieder eine Auszeit, aber als ich das letzte Mal zurückkam, lebten Sie schon eine Weile hier. Insgeheim hat mich natürlich interessiert, was eine so attraktive Frau allein in dieser gottverlassenen Gegend macht, doch ich wagte nicht, mich Ihnen vorzustellen. Ich wusste, eines Tages würde eine Gelegenheit kommen.«

      »Ich frage mich gerade, ob unser Zusammenstoß nicht zufällig geschehen ist …«

      »Da tun Sie mir Unrecht. Auf so plumpe Art nähere ich mich Frauen nicht.«

      »Da bin ich aber beruhigt«, sagte Janet, der der Schlagabtausch langsam Spaß machte. Inzwischen waren sie am Wagen angelangt, und Janet nahm Percy die Einkaufstasche ab, um sie im Kofferraum zu den anderen Lebensmitteln zu stellen.

      Percy machte große Augen. »Sie scheinen wirklich nicht oft einkaufen zu gehen.«

      »Nein, ich bin eine menschenscheue Einsiedlerin, zufrieden?«

      »Das grenzt ja an Verschwendung. Umso größeres Glück hatte ich, Sie öfter aus der Ferne sehen zu können. Und heute sogar aus der Nähe.«

      »Ja, Sie sind ein wahrer Glückspilz. Würden Sie sich jetzt bitte oben herum freimachen? Ich stehe nämlich zu meinem Wort, auch wenn ich glaube, dass sich Ihre Mutter um Ihre Wäsche kümmert.«

      »Irrtum, das gehört zu meinen Pflichten. Die Gute sieht schon etwas schlecht, wissen Sie?«

      »Dann werden sich ja während Ihrer Abwesenheit ganze Berge von Schmutzwäsche angesammelt haben.«

      Percy musste lachen. »Ihnen kann man nicht so schnell etwas vormachen, nicht? Also gut, ich gestehe, ich habe geflunkert.«

      »Das überrascht mich nicht, aber wie gesagt, ich stehe zu meinem Wort. Wenn ich dann bitten dürfte.«

      Percy zog in Windeseile den Pulli über den Kopf, wobei seine lockigen Haare noch mehr verwuschelten, was ihm etwas Jungenhaftes verlieh. Aber Sie müssen wirklich nicht …«, sagte er schmunzelnd.

      »Doch, doch. Sind Sie telefonisch zu erreichen? Ich meine, wenn der Pullover trocken ist …«

      »Ja, hier ist meine Handynummer. Ich freue mich auf Ihren Anruf.«

      »Bleibt abzuwarten, ob Sie sich anschließend immer noch freuen. Vielleicht läuft der Pulli in der Wäsche ein?«

      Mitch stand schon vor dem Schulgebäude, als Janet ankam. »Ich dachte schon, du hast mich vergessen«, sagte er maulend.

      »Entschuldige, Schatz, der Einkauf hat etwas länger gedauert.«

      Mitch sah seine Mutter prüfend von der Seite an. Täuschte er sich, oder war sie ausnehmend gut gelaunt? »Hat der Gärtner ein kleines Schlösschen freigelegt, oder warum strahlst du so?«

      »Zu deiner ersten Frage: Nein, es wird noch einige Tage dauern, bis er fertig ist, und zur zweiten: Ist es dir lieber, wenn ich traurig oder schlecht gelaunt bin?«

      »Überhaupt nicht, aber ich meine nur …«

      Auf dem Grundstück ließ sich Mitchel dann seine Enttäuschung nicht anmerken, aber außer Bergen von losem Dornengestrüpp und einigen trockenen Ästen, gab es noch nicht viel zu sehen. Das sollte sich am dritten Tag ändern.

      Mitch stieß einen Jubelschrei aus, als er von der Schule heimkam. Mr. Fraser und seine Häckselmaschine hatten wahre Wunder vollbracht. Der Weg zu dem Steinhäuschen war jetzt frei. Und damit nicht genug, man konnte auch hineingehen, denn der Boden war eben und von allem Wildwuchs befreit.

      »Na, bist du enttäuscht, dass es nur eine halbverfallene Ruine ist?«, fragte Janet.

      »Ich weiß gar nicht, was du hast, Mum. Ich finde, es sieht ausgesprochen wohnlich aus. Sieh mal, das schöne Strohdach und die uralte Holztür.«

      »Aber Mitch, es gibt gar keine Tür, und schon gar nicht ein Dach. Die Mauern sind nur noch halbhoch, wenn überhaupt.«

      Mitchel ließ sich von den Einwänden seiner Mutter nicht beirren. »Komm, Mum, wir gehen rein«, sagte er und lief schon voraus.

      Drinnen herrschte übergangslos diffuse Beleuchtung, denn die kleinen Fenster hatten keine Glasscheiben, sondern nur mit dünnen Häuten bespannte Rahmen, durch die kaum Licht fiel. Janet konnte nicht glauben, was sie sah. Eben war es noch eine verfallene Ruine gewesen, und jetzt hatte man den Eindruck, das Haus sei bewohnt.

      »Sieh mal die große Feuerstelle mit dem alten Kessel«, rief Mitch, »da ist noch Glut drin und aus dem Kessel riecht es seltsam.«

      »Das ist nicht gut möglich«, widersprach Janet, »ein Kessel, der in der Luft und nicht an Ketten oder an einem Haken hängt, gibt es nicht.«

      In diesem Moment wurde das Feuer erneut entfacht, als habe jemand einen Blasebalg zu Hilfe genommen. Janet musste husten, weil der Rauch nur langsam durch das Strohdach abzog. Je mehr sich ihre Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnten, desto mehr Einzelheiten konnte Janet erkennen. Als sie mit dem Fuß an etwas Hartes stieß, nahm sie den schweren Holztisch wahr, der mitten im Raum auf dem Boden aus gestampftem Lehm stand. Überall lag loses Stroh herum, und sie meinte sogar, ein Gackern von Hühnern unter der derben Fensterbank zu hören.

      »Ach, ist das gemütlich«, jubelte Mitch und setzte sich auf ein Tierfell auf der Fensterbank. »Ob da jemand drauf schläft?«

      »Das könnte höchstens ein Kind sein, so schmal und kurz, wie die Bank ist.«

      »Ja, die Eltern schlafen dort«, deutete Mitch auf eine Art Alkoven im Hintergrund, in dem sich Kissen, weitere Felle und wie Lumpen wirkende Tücher befanden.

      Wonach riecht das nur? Dachte Janet. Manche Gerüche kamen ihr durchaus bekannt vor, andere waren ihr fremd. Dann sah sie die Kräuterbüschel, die im gesamten Raum von der Decke hingen. Waren da nicht auch kleine Vögel und andere Tiere darunter? »Komm jetzt, wir haben genug gesehen«, sagte sie und riss den heftig protestierenden Mitch an der Hand mit sich nach draußen.

      Draußen? Sie waren doch die ganze Zeit draußen gewesen, oder nicht? Durch die Mauerreste ohne Dach fiel ungehindert Licht auf den sandigen Boden.

      »Du hast es zerstört«, schrie Mitch auf. »Jetzt ist alles weg.«

      »Liebling, es war die ganze Zeit nichts da. Deine Fantasie hat dir einen Streich gespielt. Und ich frage mich, wie du es fertiggebracht hast, dass ich mir auch einbildete, etwas zu sehen. Wir haben so etwas wie eine gemeinsame Halluzination erlebt.«

      »Gar nicht, es war da«, beharrte Mitch, stampfte heftig mit dem Fuß auf und rannte erneut hinter die Mauerreste.

      »Komm,