Für einen lauen Moment hielt Minn die Zeit um sich herum an und schwatzte mit ihnen. Hernach nahm er das Pogna cor – Rundschwert – aus der Wandhalterung. Was er in den Händen hielt, war nicht das künstliche klobige Ding, das er zu Übungszwecken benutzt. Oh nein! Das hier war ein Echtes! Die Kampfkünstler, zu denen zählt anscheinend auch Captain Minn, bezeichnen das Pogna cor als Herz des Kampfes.
Wie das lebendige Prachtstück eines Valpas Swa – eines Kampfkunstmeisters in seinem Besitz – eines Freiheitskämpfers gelangt ist, kann er nicht sagen.
Fakt ist: Für den anstehenden Brücken Einsatz, hatte er einen Plan geschmiedet, bei dem er es Krachen lassen will. Im Vorfeld wollte er aus dem Depot ein Übungs-Pogna cor leihen.
Der zuständige Offizier jedoch teilte ihm mit, das sein Pogna cor im Tresorraum eingelagert ist.
Minn bezweifelte es. Allerdings ein routinemäßig vor der Eingangschleuse gemachter Scan bestätigte die Aussage vom Offizier.
Mit unsicheren Füßen schritt Minn durch den Zweiten Scanner, in Gedanken hörte er schon den Eindringlingsalarm. …
Zu seiner Überraschung ertönte das Einlass Jingle und er bekam den Verwahrungsort genannt.
In Kammer 8 standen 5 Reihen mit je 10 Safes mit der Größe von geräumigen Kleiderschränken. Vor der Nummer 12 blieb er stehen. Neben seinen kompletten Kampfkleidungen verharrte an der tiefgekühlten mittel Wand, unter einer dicken Schneeschicht, das Übungsteil. Dachte er, bis sich der Schnee unter den Händen bewegte. Er hielt es für Einbildung und griff zu, die davon ausgehende mentale Kraft war überwältigend, ihm nahm es fast den Atem.
Die freigesetzte Energie verdampfte augenblicklich den zum Kälteschlaf aufgebrachten Schnee. Vor ihm hing tatsächlich ein echtes Pogna cor, es war ein Prachtstück. Dass, wie er an der sphärischen Signatur fühlte, zu ihm gehört.
Er begutachtete es: Am Handschutz sowie an der Klinge sind diverse Kampfspuren. Und das, obwohl die Rundklinge aus unzerstörbarem Stein besteht. Dem auch nur einen Kratzer zu verpassen bedurfte es Psi-Kräfte, die man nur mit solchen abwehren kann.
Unglaube lag im Gesicht. »Mit diesem Pogna cor habe ich niemals zuvor einen Kampf bestritten. Aber!: Es ist für meine kräftige Statur genau ausgemessen und ausbalanciert.«
Auf der Klinge fand er etliche Blutspuren. Der Mehas Scan zeigte, es ist sein eigenes. »Die kann man im Nachhinein aufbringen«, raunzte er.
Aller Skepsis zum Trotz durchfuhr ihm, beim hineinschlüpfen in den weichen und warmen organischen Handschutz, die mentale Bestätigung: Es gehört wirklich mir.
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(Der Handschutz sowie der Korpus des Pogna cor Rundschwertes sind Lebewesen – die Halittar – aus höheren Dimensionen.
Ein Kämpfer wählt das Pogna cor, das seine mentalen Kräfte am effektivsten stärkt.)
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Den Trumpf, dass er ein echter Pikte ist, wollte Captain Minn nicht gleich beim ersten Blickkontakt mit Captain Delune preisgeben. Ein Schnippen mit den Fingern genügte, damit alle Symbole unsichtbar wurden. … Sicherheitshalber betrachtete er sich im Spiegel. Vor ihm stand ein unansehnlicher rothaariger Mensch der Erde. Er steckte in einer traditionellen Kleidung der Bewohner vom Freien Nord Preton, sie besteht aus einem naturfarbenen Hemd sowie einem schwarzen Belted Plaid mit eingewebten weißen Clan Wappen.
Das Spiegelbild ließ ihn verschlagen grienen, ja so konnte er sich dem Rivalen Captain Delune präsentieren.
* *
Zwei Minuten später im separaten Bereich. Auf der Oberbrücke materialisierte Captain Minn. Er schaute sich um und danach stolzierte er majestätisch über den schmalen Steg hinunter zur Hauptbrücke. Am Fußende begann der Hauptweg. Daneben, mit einem Abstand von einem halben Meter zum Hauptweg, waren links und rechts Terminal Arbeitsplätze. Minn blieb für die nächsten acht Meter auf dem Hauptweg. Jeden Schritt begleitete stürmischer Applaus der Brückencrew sowie der rostige Gesang seiner Stiefel. … Zur linken Seite zweigte jetzt ein circa fünf Meter langer Nebenweg ab, etwa auf halber Strecke standen drei Terminals, der unbesetzte mittlere Platz gehört dem Captain. Am Ende vom Nebenweg war die Tür vom Bereitschaftsraum. Direkt vor ihm war eine Freifläche von circa vier mal vier Meter, ringsherum waren Terminal-Arbeitsplätze. Minn schwenkte zum Nebenweg. … Eine halbe Armlänge vorm Bereitschaftsraum blieb er stehen. Über seinem Gesicht lag ein verschlagenes Grienen.
Obwohl er den Rivalen nicht ausstehen kann, hielt er sich ans Brücken-Protokoll. Es verlangt, wenn es sich um keinen Notfall handelt, das er sich vor Dienstantritt oder einen außerplanmäßigen Besuch beim diensthabenden Captain anmeldet. Dazu muss Captain Minn eine Hand vorm Bereitschaftsraum Türsensor halten, wird der links daneben angebrachte Button grün, darf er eintreten.
Der Button leuchtete grün.
Die Tür fuhr auf, dabei sprach Minn in Gedanken: »Vorhang auf! Das Spiel beginnt!«
Delune stand am Schreibtisch, sein Rücken zeigte zur Tür. Wie erwartet nahm er keine Notiz vom Rivalen. Jedoch das von Minn's Stiefeln ausgehende markerschütternde rostige rasseln ließ Delune erschrocken herumfahren. Im Angesicht vom heranstampfenden Kämpfer rutschte seine Kinnlade herunter, und im selben Herzschlag formatierte sich im inneren etwas, es fühlte sich wie ein unsichtbarer Schutzwall an. Delune kannte jene Empfindung, es signalisierte Gefahr. Während seiner Untergrundzeit hatte es die Mitkämpfer und ihm schon mehrmals vor Feindkontakt gewarnt.
»Wieso habe ich das Gefühl bei dem Schotten.« Als er das dachte, fauchten Minn's Stiefel. Es kam Delune vor, als warnten auch sie vor einer Gefahr. Unwillkürlich sauste sein Blick auf die geschwätzigen Stiefel. Innerlich zuckte Delune zusammen, die Gedanken schlugen Purzelbäume: »Die Kleidung könnte passen, sie gehört ohne Zweifel zu einem vom freien Nord Preton. Und dort sind etliche Basislager der Freiheitskämpfer vom Planeten Anuna. Wenngleich ich mir nicht vorstellen kann, dass der ungehobelte Typ ein echter Freiheitskämpfer ist. Nein!, zu dem hochnäsigen Schönling passt allenfalls die Rolle eines Verräters. Dafür spricht: die Visitor gehört dem Menschen Kerun Peshk, er stammt ganz offensichtlich vom untergegangenen Planeten Vulkan. Er wird in undurchsichtige Geschäfte verwickelt sein, die mit den Freiheitskämpfern vom Planeten Anuna zusammenhängen. Das U P C ist dahintergekommen, und sie haben Peshk garantiert Spione untergejubelt. Minn ist einer davon.«
Der Gedanke an die letzte Option ließ Delune erschauern. Und das aus gutem Grund: Seine Untergrundtruppe hatte jahrelang vergeblich versucht die geheimnisumwobenen, echten Freiheitskämpfer – die sogenannten Pikten – vom Planeten Anuna zu kontaktieren. Immer wenn sie dachten: Wir haben es geschafft!, wurde ihnen bewusst: Auch diesmal sind wir nur an Fälschungen der U P C Disputen geraten.
Oftmals konnte seine Truppe gerade noch im letzten Augenblick entkommen. Und nun das!, er stand einer Fälschung direkt gegenüber. Delune's Blick rutschte über Minn. »Weder auf den Händen oder im Gesicht hatte er Symbole in diesem speziellen Blau. Er ist nur eine Fälschung.« So wie es Delune gewahr wurde, erstarrte er zur Eissäule. ...
Minn hatte jede nachkommende Geste schon zig Mal im Geist ausgeführt und nun war es soweit, er konnte sein einstudiertes Possenspiel präsentieren. Hierzu lief er im Zeitlupentempo zum Rivalen. Die erstarrten Konkurrenten Gesichtszüge entlockte ihm ein hämisches Grinsen.
Minn's einstudiertes hatte aber einen gewaltigen Denkfehler, und der entstand nur, weil er in den letzten 39 Monaten nicht aktiv am Freiheitskampf teilnahm. In dem Zeitfenster fanden aus taktischen Gründen auf der Erde keine Einsätze statt. Die gesichteten Freiheitskämpfer kamen ausnahmslos vom U P C Säuberungskomitee. Das wussten weder Minn noch Delune.
Hinzukam noch, Minn wusste nichts von Delune's Untergrund Vergangenheit.
Für Delune war Minn's Auftritt und das krächzende Edos Geschwätz das pure Gänsehaut Erlebnis. Der gefälschte Pikte hatte den Spaß und Delune den Nervenkrieg.
Sie standen sich jetzt gegenüber, Minn entsprang ein höhnisches