Borderline. Frank Habbe. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Frank Habbe
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847699668
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mit jeweils gehörigem Abstand an der Bar verteilt. Der eine, wohl um die dreißig, muskulös und etwa einsachtzig groß, sah eindeutig am besten aus. Dieser eine war Dave.

      Claire setzte sich neben ihn und bestellte ein Bier, welches sie in wenigen Zügen leerte. Mit einem knappen Wink in Richtung Barkeeper orderte sie daraufhin ein weiteres. Eine für Außenstehende eigenartig erscheinende Taktik, um das Interesse von Männern auf sich zu ziehen. Besonders, wenn man Claires vorhandene äußere Reize betrachtete. Nach ihrer Erfahrung ging es so allerdings schneller. Denn von sich aus angesprochen hätte sie Dave nicht, wenigstens nicht gleich.

      Und das Ansprechen sollten schön die Männer übernehmen. Da war sie altmodisch.

      Dave hatte die Szene stumm beobachtet. Daraufhin trank er seinen noch halb voll vor ihm stehenden Longdrink in ähnlicher Manier wie Claire aus, bestellte bei Piet einen Gin and Tonic und tat das, was Claire von ihm erwartete.

      Der Abend verlief wie geplant. Er war ein charmanter, redegewandter Typ, und der Anblick seiner muskulösen, von dem eng anliegenden Poloshirt kaum verhüllten Oberarme verursachte ein vorfreudiges Kribbeln in Claires Unterleib. Nur als sie die Bar verließen, schien Dave kurz irritiert. Dabei hatte sie ihn bloß gefragt, ob er gern Sex mit ihr haben würde. Er fing sich jedoch schnell, und sie fuhren zusammen in seine Wohnung im benachbarten Kalk Bay.

      Dort zeigte sich kurze Zeit später auf dem Esstisch, dass ihre kosmetischen Vorkehrungen zum erhofften hemmungslosen Ergebnis führen sollten. Und zu mehr: Im Laufe der Nacht liebten sie sich auf der Couch und schließlich bei einem schweißtreibenden, heftigen Ritt in seinem Bett.

      Kaum hatte der erschöpfte Dave sich zur Seite gedreht, war er auch schon eingeschlafen. Behutsam stand Claire auf, sammelte ihre in der Wohnung verstreute Kleidung zusammen und zog sich an. Dann rief sie sich mit ihrem Handy ein Taxi.

      Später, in ihrem eigenen Bett, nahm sie sich vor, Dave wieder anzurufen. Und so kam es, dass sich Claires fordernder Körper für den Rest ihres Aufenthalts nicht mehr über unbefriedigte Bedürfnisse beklagen musste.

      * * *

      Während Claire müde vor dem Flughafengebäude auf den Shuttle-Bus nach San Diego wartet, beschließt sie, ihn anzurufen, kramt ihr Telefon aus der Tasche und wählt seine Nummer. Nach dem zweiten Klingeln nimmt er ab.

      „Madame! Schön, von dir zu hören.“

      „Hey Dave. Alles gut?“

      „Alles bestens, danke.“ Daves Bariton dröhnt in Claires Ohren einen Tick zu laut. Zu aufgedreht.

      „Gibt’s doch ein Problem mit morgen?“

      „Nein, ist sogar besser, weil…“

      „Super. Muss übermorgen früh weg“, unterbricht er sie. „Halb acht? Komm einfach ins La Valencia.“

      „La Valencia?“

      „Mein Hotel in La Jolla. Ich warte an der Bar auf dich. Wir können dort was essen gehen. Ich lade dich ein.“

      „Du wohnst in einem Hotel? Ich meine, bist du umgezogen?“

      Dave zögert einen Moment. „Bloß temporär. Ich erklär’s dir morgen, okay? Muss jetzt los. Ich freu mich auf dich, Kleines.“

      „Ich mich auch.“ Doch Dave hat bereits aufgelegt.

      Nachdenklich verstaut Claire das Telefon wieder in der Tasche.

      Seit wann wohnt Dave in einem Hotel? Und dann gleich das Valencia. Gibt es da überhaupt Zimmer unter fünfhundert Dollar?

      Und seine Stimme. So überdreht.

      4. Kapitel

      Zusammen mit Pablo sitzt Diego in dem leicht schäbigen Taco Bell im Aero Drive am nordöstlichen Stadtrand von San Diego. Von ihrem Fensterplatz aus haben sie eine gute Sicht auf das Bürogebäude, das Pablo seit dem frühen Nachmittag beobachtet.

      „Und?“

      „Nichts.“

      Mit einem Kopfschütteln zieht Diego am Strohhalm seines Cola-Bechers und stochert schlecht gelaunt in den fettigen Pommes auf dem Teller vor ihm herum. Er schaut wieder zu Pablo, seinem besten Mann hier im Norden. Jetzt, wo Antonio nicht mehr da ist.

      Untersetzt und stämmig, mit dem für seine Heimat in der entlegenen Bergwelt Durangos so typischen rundlichen Gesicht, fleischigen Lippen und einer darüber thronenden breiten sonnenverbrannten Nase, sitzt ihm sein Capo gegenüber, den Blick unverwandt auf das gegenüberliegende Gebäude gerichtet. Nachdenklich betrachtet Diego den auf der Schnellstraße vorbeirauschenden Verkehr. Der Gedanke an den Moment, an dem ihr gesamter Plan ins Wanken geriet, ruft in ihm auch jetzt noch, Tage später, maßlose Wut hervor.

      Mitten in der Nacht stellte der GPS-Sender seinen Betrieb ein. Diego war bereits ins Bett gegangen, als ihn der Anruf Pablos aus dem Schlaf riss.

      „Sie ist weg!“

      „Wer?“ Umnebelt von Fragmenten seines letzten Traums lief Diegos Geist noch nicht rund.

      „Die Alina.“

      Da war Diego schlagartig wach.

      „Wieso weg?“ Er sah auf die Uhr. Zwanzig vor zwei.

      „Ich habe kein Signal mehr! Antonio oder Manuel erreiche ich auch nicht.“

      Das war schlecht. Sehr schlecht. Diego stand auf und hastete zum Couchtisch, wo sein Laptop stand. Er öffnete das GPS-Programm und schaute sich die Karte an. Das Signal war verschwunden.

      „Verdammt! Können sie das Gerät ausgestellt haben?“ Aber warum hätten sie das tun sollen? Außerdem war doch Antonio an Bord - auf den war Verlass.

      „Unwahrscheinlich. Wir haben es in eine der Dosen geschweißt.“

      „Sonst vielleicht irgendwelche Störungen?“

      Pablo seufzte niedergeschlagen auf. „Glaub ich nicht.“

      „Was glaubst du denn bitte dann?“ Diego spürte, wie eine hilflose Wut in ihm aufstieg. Über die Nachricht an sich. Vor allem aber über die Ungewissheit.

      Pablo zögerte einen Moment.

      „Sag schon.“

      Wieder entstand eine Pause, bevor Pablo weitersprach. „Die einzige Erklärung ist, dass sie gesunken ist.“

      „Bitte was?“

      „Es gab keinen Anruf, das Signal ist einfach weg. Wenn die Küstenwache, Navy oder sonst wer gekommen wären, hätten die Jungs sich gemeldet. Aber nichts!“

      „Wie soll sie denn gesunken sein? Die Bedingungen sind optimal. Leichter Swell, das ist alles.“

      „Ich weiß. Kann es mir auch nicht erklären.“

      Verärgert tigerte Diego durch das Appartement. „Okay. Wir treffen uns in einer halben Stunde. Ort wie gehabt.“

      „Ich bin da.“

      Sie legten auf, und Diego ging ins Schlafzimmer zurück, um sich etwas anzuziehen. Dabei überlegte er, ob er Maria anrufen sollte, verwarf den Gedanken aber rasch. Was sollte er ihr auch sagen? Dass ihm die Alina samt den fünfzehn Millionen einfach abhandengekommen war?

      Sie trafen sich in einem durchgehend geöffneten Diner in Downtown, wo Pablo auf einer Karte Diego die letzte Position der Alina zeigte. Sie vereinbarten, dass er sich gleich früh am nächsten Morgen auf die Suche nach einem geeigneten Unternehmen machen sollte, das die Bergung der Alina übernehmen konnte. Dafür hatte er bereits eine bestimmte Person im Sinn.

      Dave war ihm aufgefallen, als er nach Charterfirmen für einen Trip in das Seegebiet um Guadalupe, eine Insel, etwa hundertdreißig Seemeilen westlich der mexikanischen Halbinsel, gesucht hatte. Maria war auf die Idee gekommen, das Kokain ohne Zwischenstation aus Kolumbien direkt auf das entlegene