„Ganz gewiss werden Sie das, Mister Carter.“ Holloran stützte die Hände aufs Sattelhorn und beugte sich leicht vor. „Nennen Sie mir einen guten Preis und ich stelle Ihnen einen Zahlschein aus.“
„Einen, äh, Zahlschein?“
„Nun sicher. In diesen unruhigen Zeiten reitet niemand mit einer großen Summe Bargeld oder Gold durch die Gegend. Wäre doch unschön, wenn die Yankees das kassieren und damit die Unterdrückung des Südens finanzieren, nicht wahr?“
„Hm, mag so sein.“ Jim strich sich mit einer Hand über das Kinn. „Aber was soll ich mit einem Zahlschein?“
„Den können Sie bei der konföderierten Regierung in Montgomery in Alabama einlösen.“
„In der Gazette stand, dass man inzwischen Richmond in Virginia zur Hauptstadt gemacht hat“, kam ein Ruf von Mary.
Holloran errötete. „Sie können den verdammten Schein überall einlösen. Jedenfalls nehmen wir das Vieh und die Pferde mit.“
Die Stimme des Colonels klang nun weniger freundlich. Jim Carter ließ seinen Blick über die Truppe des Mannes schweifen. Keiner sah wirklich wie ein Soldat aus, was daran liegen mochte, dass die Reiter fast durchweg zivile Kleidung trugen. Nur wenige besaßen Uniformteile, deren Herkunft meist unbestimmt war. Es gab ein paar blaue und graue Feldjacken, einige Männer trugen Feldmützen und zwei von ihnen Hardee-Hüte, wie sie zur Paradeuniform der Unions-Armee gehörten. Auch die Bewaffnung war sehr unterschiedlich. Moderne Karabiner und Revolver, dazu auch altertümliche Vorderladerpistolen und Musketoons. Jim bemerkte sogar drei leichte Vogelflinten, doch das war nicht unbedingt ungewöhnlich. Obwohl der Süden zu Kriegsbeginn eine ganze Reihe von Waffendepots der Union eingenommen hatte, waren die Freiwilligeneinheiten weder einheitlich uniformiert, noch einheitlich bewaffnet. Zudem gab es Unionseinheiten, wie die „Washington Greys“, die graue Uniformen trugen und konföderierte Regimenter in Blau.
Jim musterte Holloran und die beiden Männer in seiner Begleitung. Von den Schulterstücken abgesehen, erinnerte nichts an dem Mann ans Militär. Der Fahnenträger trug eine blaue Uniformjacke und einen schwarzen Zylinder, der Mann neben ihm ein kariertes Hemd, an dessen Oberarmen die Winkel eines Kavallerie-Sergeants aufgenäht waren.
Jim leckte sich nervös über die Lippen. Man konnte die zunehmende Anspannung spüren. Ein paar der Reiter änderten ihre Position im Sattel unmerklich, um ihre Waffen schneller ziehen zu können. Er hatte keine Ahnung, was dieser Zahlschein wert sein mochte, aber er konnte keinen Kampf gegen eine solche Übernacht riskieren.
Jim räusperte sich und wollte dem Angebot notgedrungen zustimmen, auch wenn er den Verdacht hatte, dass hier gerade ein Raub stattfand. Doch bevor er Holloran antworten konnte, ertönte ein wilder Schrei vom Bunkhouse herüber. „Ihr verfluchten Rebellen werdet unser Vieh nicht einfach mitnehmen!“
Slim, der verdammte junge Narr! Jim wollte Holloran eine Beschwichtigung zurufen, doch es war zu spät. Der Sergeant an Hollorans Seite machte eine rasche Bewegung und hielt plötzlich einen alten Paterson-Revolver in der Hand. Die Waffe ähnelte einem Colt Navy, besaß jedoch keinen Schutzbügel über dem Abzug und ein kleines Kaliber von 0.36. Jim sah die Bewegung und drehte sich instinktiv zur Seite. Der Schuss peitschte und der Rancher spürte den heißen Luftzug, als ihn das Bleigeschoss nur knapp verfehlte und in die Rückwand der Veranda schlug.
Einen Augenblick später dröhnte die Schrotflinte von Bill. Der Ranchhelfer hatte beide Läufe gleichzeitig ausgelöst. Aufgrund der langen Läufe und der relativ kurzen Distanz bekam der Sergeant die volle Ladung ab. Er wurde einfach nach hinten aus dem Sattel geschleudert, sein Revolver wirbelte durch die Luft.
Für einen Moment spürte Jim Carter nichts als schiere Panik, denn er begriff sofort, was nun geschehen würde.
Eine unregelmäßige Salve ertönte, als die Reiter, so schnell sie ihre Waffen bereit hatten, das Feuer eröffneten. Jim Carter entkam nur mit Glück und einem gewagten Hechtsprung durch die Tür, während ringsum Blei einschlug. Die Fenstereinfassung, hinter der Bill gestanden hatte, wurde von Projektilen zerfetzt, andere durchschlugen die Hauswand.
Mary schrie entsetzt, während Möbel und Geschirr getroffen wurden, dennoch hatte sie die Geistesgegenwart, Jim zu packen und ins Innere des Hauses zu zerren.
Aus dem Bunkhouse schossen Carl und Slim, die man nun ihrerseits ebenfalls aufs Korn nahm. Bill hatte die Schrotflinte nachgeladen, trat blitzschnell in die Fensteröffnung und drückte ab. Im selben Moment wurde er von gleich mehreren Schüssen getroffen und nach hinten geworfen. Seine Schrotladung fuhr in die obere Fenstereinfassung und zerfetzte sie.
Die Reiter feuerten ihre Waffen leer und nach kurzer Zeit stand eine dichte Wolke aus Pulverqualm im Hof der Ranch. Das spärliche Gegenfeuer schien weder sie, noch ihre Pferde zu stören, die offensichtlich an Schießereien gewöhnt waren.
Unten im Tal setzten sich nun die Rinder in Bewegung. Fort von den Schüssen, die sie erschreckten.
Hollorans Männer zeigten, dass sie tatsächlich über eine gewisse Kampferfahrung verfügten. Während einige auf die Fensteröffnungen zielten und die Verteidiger so in Deckung zwangen, saßen andere von den Pferden ab und suchten Schutz hinter Tränke, Tonnen und Gebäudeecken.
Im Haus warf Jim Carter einen bedauernden Blick auf den toten Bill. „Verdammt, sie haben ihn einfach erschossen. Mary, runter auf den Boden!“
Die Warnung kam keinen Moment zu früh. Die Angreifer schossen ungefähr in Brusthöhe auf die Hauswand. Selbst die Projektile der leichten Navy-Colts durchschlugen diese fast mühelos. Einschläge zernarbten die Rückwand des Wohnraums, während die Einrichtung zunehmend in Kleinholz und Scherben verwandelt wurde.
Joshua robbte über den Boden zu Bill und nahm die Waffe des Toten an sich.
„Lass sie liegen, Josh“, riet Mary. „Wenn man einen Sklaven mit einer Waffe erwischt, dann bringt man ihn auf der Stelle um.“
„Ja, Ma´am, ich weiß. Aber die wollen uns ohnehin alle umbringen, nicht wahr, Ma´am?“
Sie antwortete nicht, während er den Doppellauf nach unten klappte und die leeren Hülsen durch frische Patronen ersetzte.
„Der Herr möge uns beistehen“, seufzte Mary. Statt selbst zu schießen, lud sie für ihren Mann nach, der nun abwechselnd mit seinem Revolver, der Kentucky und der Sharps feuerte.
„Ich hoffe nur, ER hat etwas Zeit für uns“, knurrte Jim und fluchte, als sein Geschoss das Ziel verfehlte. Ein Span wurde neben ihm aus dem Türrahmen gehobelt und riss eine blutige Schramme über seine Wange.
„Du sollst den Herrn nicht spotten, Jim Carter“, rügte sie ihn.
Am Fenster dröhnte die Schrotflinte und Joshua warf sich wieder in Deckung, um nachzuladen.
Aus dem Bunkhouse, in dem sich Carl und Slim verschanzt hatten, waren Schüsse und gelegentliche Schreie zu hören, mit denen sich die beiden gegenseitig Ziele zuwiesen oder auf Gefahren aufmerksam machten. Hinter den Stämmen des Blockhauses waren sie in relativer Sicherheit, solange sie sich an keiner der Fensteröffnungen zeigten.
„Hätte Slim doch bloß sein vorlautes Maul gehalten“, meinte Jim grimmig. „Jetzt machen uns diese Bushwacker fertig.“
Diesmal verzichtete Mary darauf, ihn zu rügen. Vielleicht, weil sie in diesem Fall seiner Meinung war. Sie nahm die abgefeuerte Kentucky entgegen, entstöpselte das Pulverhorn und ließ das richtige Maß Pulver in den Lauf rieseln. Dann kam die Rundkugel mit dem Filzpfropfen auf die Mündung und der Ladestock rammte alles nach unten in die Kammer. Sie verzichtete darauf, den Ladestock wieder in seine Halterung zu schieben, sondern legte ihn neben sich. Der nächste Griff galt dem Zündhütchen und schon war Mary bereit, die Waffe an Jim abzugeben. Der hatte gerade die Sharps benutzt. Die Bleikugel vom Kaliber 0.52 durchschlug die Tränke und tötete einen der Angreifer auf der Stelle. Jim stieß ein zufriedenes Grunzen hervor, reichte das leere Gewehr an seine Frau und nahm die Kentucky.
Inzwischen