Er räusperte sich kurz, wartete, bis es wieder Still wurde, und ergriff das Wort: „Also ich nehme mal an, ihr habt ein paar Fragen? Ja?“ „Bei wem und wie soll das Praktikum ablaufen?“, wollte Paul wissen. Ruhig und bestimmt erklärte Herr Oberreut, dass sie im Lauf des Schuljahres durch die Seminare Einblicke in später Berufsfelder bekommen würden. Spätestens nach den Osterferien müssten sie sich entscheiden, wo und bei wem sie ihr erstes Praktikum bestreiten wollten. Sie würden an einem Projekt mitarbeiten und einen Bericht verfassen.
Dieses Jahr schien wirklich eine Herausforderung zu werden, dachte Sophie und schaute die anderen an. Suki trippelte kaum merklich mit ihren Füßen, was für sie ein Zeichen höchster Nervosität war. Onta spielte mit ihren Fingern, während Alba ruhig und entspannt da saß. Lulu allerdings war bleich wie ein Laken und auch Sophies Magen, schien sich in einen Betonklotz verwandelt zu haben. Dabei hatte der Morgen so schön angefangen, bemerkte sie mulmig. „Und was hat das mit der Studienreise und den GPS-Tracker auf sich?“, fragte Angelika. Alle Köpfe schauten wieder zu Herrn Oberreut. Verschmitzt lächelte er seine Schüler an. „In zwei Wochen werdet ihr den Tracker benötigt. Eine Liste mit den Sachen, die ihr brauchen werdet, wurde vor einem Monat euren Eltern beziehungsweise euren Erziehungsberechtigten geschickt“, erklärte er. Aha! Die Mädchen schauten sich fragend an. Doch bevor es wieder unruhig wurde fuhr ihr Lehrer fort: „Ihr werdet in Fünferteams reisen, müsst Zelte aufbauen können, euch selbst bekochen und euch mittels des Trackers orientieren.“ Oje, na hoffentlich wird das nicht zu einem Fiasko, schoss Sophie durch den Kopf. „Werden wir die ganze Zeit allein sein?“, fragte Tobias und grinste. „Nein“, antwortete Herr Oberreut schnell. „Euch werden Oberstufenschüler begleiten, als Aufsichtsperson sozusagen. Die euch aber nur im Ausnahmefall helfen.“ Er schaute die Jungs streng an. „Und keine Sorge, ihr werdet abends viel zu erschöpft sein, um auf dumme Gedanken zu kommen“, fügte er hinzu.
Onta grinste verschmitzt zu Sophie und Suki. „Ein Abenteuer“, raunte sie ihnen fröhlich zu. Lulu und Alba verdrehten die Augen. „nicht schon wieder“, stöhnten sie. Ein Lächeln stahl sich auf Sophies Gesicht. Na denn, auf zu einem weiteren Abenteuer eben. Ein Zuckerstückchen sozusagen, bevor die Schule ernst wurde.
Die ersten Stunden
„Na, seid ihr alle mit eurem Tracker gut zurechtgekommen“, wollte Herr Suse später am Tag wissen und grinste seine Informatikklasse an. Die meisten ihrer Mitschüler nickten bejahend. „Nein“, meldete sich Sophie laut. Alle schauten sie an. Sie spürte, wie sie rot wurde, doch das war ihr egal. Weil ihr Tracker nicht funktioniert hatte, hatten sie sich verirrt. Herr Suse schaute sie an: „Dann erklär mal dein Problem“, forderte er sie auf. Kurz und knapp schilderte Sophie, was ihnen passiert war. „Das heißt die Abweichung lag bei mehr als einem Kilometer, richtig?“, fragte er zum Schluss nach. „Vielleicht ist einfach einen Algorithmus falsch programmiert“, platzte Paul heraus, ehe Herr Suse etwas erwidern konnte. Als der Informatiklehrer antworten wollte, läutete schon der Gong und alle schnappten sich ihre Sachen, um schnell in die Mittagspause zu gehen. „Aber, aber“, stammelte Sophie und schaute auf ihren Tracker und ihre Himbeere. „Komm mal her Sophie“, sagte Herr Suse und nahm ihre Himbeere in die Hand. Schnell vertiefte er sich in das Programm. Sophie beobachtete sein Gesicht, kaum merklich zog er plötzlich die Augenbraue hoch. „Mhm, nein scheint alles in Ordnung zu sein“, meinte er schließlich. Oh, Sie sind aber ein schlechter Lügner, dachte Sophie. „Am besten du lässt deine Karte hier und ich überprüfe es noch mal“, schlug er ihr vor und stimmte eine möglichst unverfänglichen Tonfall an. Nickend fummelte Sophie die SD-Karte aus der Himbeere und gab sie ihm. „Sophie! Sophie! Wo bleibst du“, rief Onta ungeduldig von der Tür. „Ja Sophie, geh nur“, sagte Herr Suse fahrig und entließ sie.
„Was war denn los?“, fragte Suki, während sie Richtung Mensa gingen. Sophie runzelte die Stirn. Was hatte Herr Suse nur entdeckt? „Es scheint, als wäre mit unserem Tracker-Programm irgendetwas nicht in Ordnung gewesen“, flüsterte Sophie. „Tja, das haben wir ja gemerkt!“, gluckste Onta mit einem schiefen Seitenblick. „Was ist los?“, fragte Lulu und Alba von hinten und grinsten sie an. Schnell erklärte Sophie ihnen, was passiert war.
Mit einem scheppernden Geräusch setzte Onta unachtsam ihr volles Tablett auf den Tisch. „Onta, du hast deine ganze Suppe verschüttete. Schau mal, wie das aussieht“, tadelte sie Lulu. „Tschuldigung“, nuschelte der rothaarige Wirbelwind. „Wie feiern wir eigentlich Sukis Geburtstag?“, fragte Onta wenig später und schaute Suki verschwörerisch an. „Unsere Suki hat doch Geburtstag in der Zeit, wo wir die Studienreise machen“, erklärte sie Lulu und Alba. Alle schauten die zierliche Asiatin an, der das sichtlich unangenehm war. „Vielleicht danach?“, meinte sie leise. Alle schüttelten die Köpfe. „Wir wäre es, wenn wir eine Mitternachtsparty machen“, schlug Onta schelmisch lächelnd vor. Dieser Vorschlag sorgte für Begeisterung und schnell flogen die Vorschläge über den Tisch.
„Weiß eine von euch, wie man ein Zelt aufbaut?“, fragte Lulu, als sie ihre Tabletts abgaben. Alle schauten sich mit großen Augen an und schüttelten die Köpfe. „Nein?“, hakte sie langsam mit einem enttäuschten Gesichtsausdruck nach. Also gut, noch eine Sache, um die wir uns kümmern müssen, dachte Sophie mit einem Seufzer.
„Wohin müssen wir eigentlich jetzt?“, fragte Alba, als sie vor der Mensa standen. „In den kleinen Salon“, las Suki stirnrunzelnd auf dem Stundenplan. „Im dritten Stock Zimmer fünf“, las sie vor. „Madame Fine.“ Lachend und scherzend machten sie sich auf. „Komisch, hier sind ja nur Mädchen“, meinte Onta, nachdem sie sich im kleinen Salon umgeschaut hatte. „Und was ist das für ein komisches Klassenzimmer?“, sprach Alba mit gesenkter Stimme. Stimmt, dachte Sophie und schaute sich um. Fast so wie bei Lulu zu Hause. Zierliche Stühle waren um einen Tisch angeordnet. Grüne, samtbezogen Sofas und Sessel standen an der Seite und bildeten eine Sitzgruppe. Feines Geschirr stand an der verschnörkelten Anrichte mit der Spiegelfassade. „Ah, wie sich sehe, sind alle meine Schülerinnen anwesend“, hörten sie eine kultivierte melodische Frauenstimme von hinten sagen. Alle Köpfe drehten sich um. Madame Fine stand am Türrahmen und stolzierte lächelnd