»In deiner Stube«, sprach der andere Zauberer, »sitzt ein Fräulein am Tisch, hat eine Schüssel mit Suppe vor sich und nagt an einem Hühnerbein.«
»Was?!« schrie der Zauberer in höchstem Zorn. »Hat sie gar das Huhn geschlachtet, aus dem ich die Lebenssuppe kochen will?! Da muß ich eiligst fort!«
Und er schlug dreimal den Stuhl, auf dem er saß. Da verwandelte sich der Stuhl in einen riesigen Adler, flog mit ihm aus der Stube und rauschte mit solcher Schnelligkeit durch die Luft, daß kaum eine Minute vergangen war, da waren sie schon im Zimmer des Zauberers.
Die kleine Hexe ließ vor Angst das schon abgenagte Hühnerbein aus der Hand fallen, weinte und schrie: »Ich will es auch gewiß nicht wieder tun!« Das half ihr nichts. Der Zauberer ergriff eine kleine Flasche, die auf seinem Waschtisch stand, gebot: »Fahre hinein!« und sofort wurde das Hexlein ganz klein und fuhr wie ein Rauch in die Flasche.
Der Zauberer stöpselte die Flasche gut zu, hängte sie dem Adler um und sprach: »Nun fliege wieder heim, mein guter Adler, sonst fehlt meinem Freunde noch ein Stuhl. Und sage ihm, er soll dieses kleine Hexlein ja nicht herauslassen, sonst stiftet es nur Unfug. Wenn er aber wissen will, wie das Wetter wird, soll er nur das Hexlein in der Flasche ansehen. Hat es den Mund zu, bleibt das Wetter gut, streckt es aber die Zunge heraus, gibt's Regen.«
»Rrrrrummmm!« sagte der Adler, flog ab und tat, wie ihm befohlen.
Der Zauberer aber ging durch Haus und Hof und suchte alles zusammen, was das Hexlein von dem Huhn weggeworfen hatte: die Federn vom Dunghaufen, die Eingeweide aus dem Schweineeimer und den Kopf aus dem Kehricht. Nur das Fleisch von dem einen Bein blieb fehlen, das war aufgegessen und nicht wiederzubekommen. »Macht auch nichts«, sagte der Zauberer, legte alles schön zusammen und sprach einen Zauberspruch. Schwupp, stand das Huhn wieder heil und ganz da! Nur fiel es gleich wieder um, weil ihm ein Bein fehlte, und es auf einem Beine nicht stehen konnte.
»Macht auch nichts«, sagte der Zauberer und schickte zu einem gelehrten Goldschmied. Der verfertigte mit all seiner Kunst ein goldenes Hühnerbein und setzte es dem Huhn so künstlerisch ein, daß es damit gehen konnte, als sei es aus Fleisch und Knochen.
Das gefiel dem Huhn nicht so übel, das Bein blinkerte und glänzte herrlich wie nicht einmal die Federn vom stolzen, bunten Hahn, und klapperte so schön auf dem Stubenboden, wenn es lief, als gackerten zehn Hühner nach dem Eierlegen.
Wie aber ward dem Huhn, als es mit seinem Goldbein ganz vergnügt und stolz auf den Hof hinausklapperte! »Falschbein! – Hinkepot!« riefen die beiden Hühner, die goldene und silberne Eier legen konnten, höhnisch. »Du altes Klapperbein!« Und sie jagten das Huhn mit Schnabelstößen und Krallenkratzen so lange herum, bis es vor Angst auf einen Baum flatterte. Am schlimmsten aber hackte und kratzte der stolze, bunte Hahn. »Hier darf nur einer glänzen, und der bin ich!« rief er böse und hackte, daß die Federn flogen.
Da saß nun das arme Huhn ganz verängstigt auf seinem Baum und klagte bei sich: ›Puttputtputt, ich Unglückshuhn! Ich dachte, nun würde es besser werden, nachdem ich soviel ausgestanden habe, aber nun ist es ganz schlimm geworden. Ach Gott, wäre ich bloß tot!‹
Indem erspähte eine diebische Elster, daß in dem Baum etwas glitzerte und blinkte, dachte, es gäbe was zu stehlen, flog hinzu und wollte dem Huhn das Goldbein abreißen. Dazu war sie aber zu schwach, flog also, als sie dies einsah, eilends fort und rief Hunderte von ihren Schwestern zusammen, die alle ebenso wild auf Glänzendes waren wie sie.
Da fielen alle Elstern mit spitzen Schnabelhieben über das Huhn her, die Federn stoben in alle Winde, es gab ein entsetzliches Gezeter und Gekreisch, weil jede Elster gerne das Goldbein gehabt hätte. Das Huhn aber stürzte wie tot vom Baum, dem großmächtigen Zauberer gerade vor die Füße, denn er kam aus seinem Zimmer gegangen, zu sehen, was denn das für ein höllischer Spektakel sei.
Der Zauberer sah das Huhn betrübt an, denn es war keine Feder mehr auf ihm, und die Haut war auch ganz blutig, und er sprach: »Du hast es freilich schlimm, du altes Unglückshuhn. Aber warte nur und halte aus. Du sollst sehen, wenn erst die Lebenssuppe aus dir gekocht wird, wirst du so berühmt und geehrt wie kein Huhn vor dir!«
Damit trug er das Huhn ins Haus. Weil aber keine Feder, die alle der Wind fortgetragen hatte, mehr aufzufinden war, schickte er zu einem geschickten Silberschmied und ließ dem Huhn eine künstliche Silberhaut über den ganzen Leib machen. Die blinkerte und glänzte so schön, daß es eine wahre Freude war. Und dazu klapperte das Goldbein wie ein frohes Hühnergegacker.
Da wurde das Unglückshuhn sehr froh und stolz und ging hinaus auf den Hof, sich den andern Hühnern zu zeigen. Die andern beiden Hühner kamen mitsamt dem stolzen Hahn eilends herbeigelaufen, zu sehen, was denn das für ein Geglänze und Geglitzer sei. Als sie aber sahen, es war bloß das Unglückshuhn, und merkten, kein Schnabelhieb ging durch die feste Silberhaut, da sagten sie verächtlich: »Nein, dieses elende Huhn! Es hat ja nicht einmal Federn an, es ist ganz nackt – mit einer solchen gemeinen Person wollen wir nichts zu tun haben!« Und der stolze, bunte Hahn krähte wütend: »Ich habe dir schon einmal gesagt, daß ich allein glänzen darf. Warte nur, ich werde nicht einmal einen Regenwurm von dir annehmen, wenn du nicht dein graues Federkleid wieder anziehst.«
»Das kann ich doch nicht!« rief das Huhn traurig. Aber der Hahn hörte gar nicht und ging böse weg. Da weinte das Huhn und klagte: »Mit mir wird es auch nie besser, es kann geschehen, was da will. Puttputtputt, ich bin ein rechtes Unglückshuhn.« Und es saß alle Tage traurig in einer Ecke, und weder Silberhaut noch Goldbein freuten es noch.
Aber es sollte noch schlimmer kommen für das arme Huhn. Das böse Hexlein nämlich, das beim andern Zauberer in einem Fläschlein auf dem Schreibtisch stand, sah all seiner Zauberei zu, die er tagsüber machte. Es lernte dabei viel und wurde immer böser. ›Wäre ich nur erst aus der Flasche!‹ dachte es. ›Ich wollte denen schon zeigen, daß ich ebenso gut zaubern kann wie die, und sie mächtig ärgern!‹
Aber der Zauberer paßte gut auf und hatte den Flaschenkorken noch mit einem Strick am Flaschenhals festgebunden, daß sie nur nicht herauskam. Da geriet das Hexlein auf eine List und streckte, als es eigentlich gutes Wetter zeigen und den Mund zuhalten sollte, die Zunge heraus, was ja Regen bedeutete.
Der Zauberer sah es und sprach: »Ach so, es gibt Regen. Gut, daß ich das weiß. Ich wollte heute nachmittag eigentlich über Land und meine Tante, die weise Kröte, besuchen. Nun aber will ich doch lieber zu Haus bleiben, denn nassregnen lasse ich mich nicht.«
Der Zauberer blieb also zu Haus, und weil er nichts Rechtes zu tun hatte, zauberte er aus reiner Langeweile erst eine ganze Stube voll Apfelreis und dann dreihundert kleine Mäuse, die den Apfelreis auffressen mußten, was eine ganze Weile dauerte. Als aber die Mäuslein den Apfelreis aufgefressen hatten, waren sie groß und dick und rund geworden. Da zauberte der Zauberer dreißig Katzen, die mußten die dreihundert Mäuslein auffressen. Als die Katzen das getan hatten, legten sie sich dickesatt und schläfrig in die Sonne.
Der Zauberer sah das und rief erstaunt: »Was denn –? Ich denke, es soll regnen, und nun scheint noch immer die Sonne! Was ist denn bloß mit meinem Hexlein los?« Und er klopfte mit dem Finger gegen das Fläschlein. Das Hexlein saß ganz still darin und zeigte weiter die Zunge. – ›Nun, es wird wohl gleich losregnen‹, tröstete sich der Zauberer und sah wieder die dreißig Katzen an, die faul und schläfrig in der Sonne lagen.
›Was mache ich mit dieser Bande bloß?‹ fragte sich der Zauberer. ›Sie sind so vollgefressen, sie sind zu nichts mehr nutze. Sie haben dreihundert Mäuse im Bauch, und die dreihundert Mäuse haben eine ganze Stube voll Apfelreis im Bauch – nun liegen sie hier ewig rum und tun gar nichts.‹ Und er gab einer Katze einen Tritt. Er war nämlich schlechter Laune, weil er trotz des schönen Wetters im Glauben an das Hexlein zu Haus geblieben war. Die Katze aber kümmerte sich gar nicht um den Tritt, sondern schlief ruhig weiter.
Da holte sich der Zauberer eine kahle Haselrute und verwandelte die dreißig faulen Miesekatzen in dreißig Haselkätzchen, die an dem Zweige saßen. »So«, sagte er. »Das sieht wenigstens nett aus und liegt