Unter Piraten. Miriam Lanz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Miriam Lanz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847686477
Скачать книгу
erkläre ich dir später, Liebes. Geh´ jetzt in den Garten spielen. Ich werde mich kurz mit Commodore Stevens unterhalten.“ Gwyn sah sie beleidigt an.

      „Das ist aber so langweilig“, entgegnete sie, “Mr. Stevens? Sag mir doch bitte, wann kommen Mami und Daddy wieder heim?“ Der Angesprochene beugte sich erneut zu der Dreijährigen hinunter und streichelte ihr über die Haare.

      „Ich werde mich jetzt ganz kurz mit deiner Gouvernante unterhalten und dann komme ich zu dir, einverstanden?“ Gwyn nickte übermütig und rannte zurück in den Garten.

      Die Vorfreude endlich wieder mit jemandem anderen zu spielen als mit Nancy, versüßte Gwyn das lange Warten. Die Neugier brannte in ihr. Wie gerne sie doch wüsste, was der Mann mit Nancy zu besprechen hatte. Aber lauschen war ungezogen, hatte ihr ihre Mami einmal erklärt.

      „Pflückst du Blumen?“ Stevens stand hinter ihr. Gwyn strahlte ihn an.

      „Die hab ich für dich gepflückt“, erklärte sie und streckte dem Commodore die Blumen entgegen. „Oh, vielen Dank, Gwyneth“

      „Bitte nenn mich Gwyn! Ich mag Gwyneth nicht so gerne“, erklärte das kleine Mädchen. Sie bemühte sich so ordentlich wie möglich zu sprechen.

      „In Ordnung“, Stevens lächelte. „Was hältst du davon, mit mir eine kleine Reise zu machen? Nancy fährt natürlich auch mit!“, fragte er plötzlich.

      „Aber Mami und Daddy kommen bald wieder und dann sind sie da und ich bin weg.“

      Wieder hatte der Mann diesen mitfühlenden Gesichtsausdruck.

      “Deine Mami und dein Daddy werden noch lange, lange weg sein, glaube mir, mein Kind!“

      Gwyn sah ihn ungläubig an. “Aber Nancy hat gesagt, dass sie bald wieder heim kommen. Und Daddy hat mir versprochen, dass er mir eine Überraschung mitbringt.“

      „Weißt du, Gwyn, dein Daddy und deine Mami sind aufgehalten worden. Du weißt doch, dass dein Daddy ein sehr, sehr mutiger Mann ist und deshalb hat er einen besonderen Auftrag bekommen. Du wirst deine Eltern sehr lange Zeit nicht mehr sehen.“ Gwyn sah ihn enttäuscht an.

      „Dann hat Nancy ja gelogen! Und lügen tut man nicht, dass hat Mami mir gesagt.“

      „Nancy hat nicht gelogen, sie wusste es nicht. Möchtest du jetzt mit mir kommen?“ Gwyn nickte. „Wohin fahren wir, Mr. Stevens?“

      „Nach Bristol zu deinem Onkel! Warst du schon einmal in Bristol?“ Gwyn schüttelte den Kopf.

      Vier Tage später kamen Gwyn, Commodore Stevens und Nancy in Bristol an. Obgleich sich die Dunkelheit der Nacht über die Hafenstadt gelegt hatte und man nur noch auf die Soldaten traf, die über die Straßen partroulierten, war das Mädchen noch immer hellwach.

      Sie saß auf Nancys Schoß und blickte auf die dunklen Straßen.

      Endlich hielt die Kutsche an. Ein riesiges, schwarzes Gebäude erhob sich gegen die Nacht.

      Kein einziges Licht schien durch die Fenster. Stevens stieg aus. Gwyn sah, dass er anklopfte. Ein Hausmädchen öffnete die Tür und Stevens wechselte einige Worte mit ihr, ehe er zurückkam.

      „Folgt mir!“, sagte er und half Nancy aus der Kutsche. Gwyn klammerte sich an Nancys Hand und betrat das gespenstisch stille Haus.

      Der Commodore wurde von dem Hausmädchen eine große Treppe hinauf geführt.

      „Nancy? Was machen wir hier? Ich will nach Hause!" Gwyn drängte sich ängstlich an ihre Gouvernante.

      „Mach dir keine Sorgen, Liebes!“ Das Hausmädchen kam mit einer kleinen Lampe in der Hand zurück. Als sie Gwyn sah, lächelte sie.

      „Hast du Hunger, Schatz?“ Gwyn nickte langsam, wobei sie näher an Nancy trat.

      „Dann komm mit mir in die Küche. Da werden wir bestimmt noch etwas für dich finden!“

      Gerade als Gwyn die Gemüsesuppe ausgelöffelt hatte, betrat Stevens die Küche. Das Hausmädchen und Nancy sprangen auf und verbeugten sich.

      „Gwyn, ich möchte dir deinen Onkel vorstellen!“ Der Commodore nahm das Mädchen an die Hand und führte sie die große Treppe hinauf und den Gang entlang in die Bibliothek.

      Der große Raum wurde von einem Kaminfeuer erhellt. Ein Mann saß in einem Sessel. Als Gwyn mit Stevens das Zimmer betrat, sah sie der Mann aus melancholischen Augen an und erhob sich langsam.

      ‚Der sieht aber traurig aus’

      Der Commodore beugte sich zu dem Mädchen herunter.

      „Das ist dein Onkel, Gwyn“, erklärte er. Gwyn musterte den Mann, der vor ihr stand, eindringlich; Stevens Hand ließ sie nicht los.

      „Du wirst von jetzt an bei ihm leben“, fuhr der Commodore fort. Gwyn sah ihn ungläubig an.

      “Warum? Ich lebe bei Mami und Daddy“, erklärte sie entschieden.

      „Gwyneth, du wirst deine Eltern nicht wieder sehen! Sie werden nicht mehr zurückkommen. Sie sind an einen Ort, von dem es keine Wiederkehr gibt“, sagte ihr Onkel. Sein Gesicht war vollkommen emotionslos und seine Stimme klang kalt. Gwyn sah ihn verständnislos an. Nancy und das Hausmädchen waren in das Zimmer gekommen.

      „Sir?“, fragte das Hausmädchen “Wenn Ihr es wünscht, werde ich ein Bett für das Kind und ihre Gouvernante fertig machen.“

      „Ja, tue das“, sagte Gwyns Onkel und ging wieder zu seinem Sessel.

      Gwyn wusste mit dieser Begebenheit nichts anzufangen. Wieso sollte sie bei diesem Mann leben? Wieso sollte sie Mami und Daddy nicht wieder sehen?

      Mr. Stevens hatte ihr gesagt, dass ihre Eltern nur etwas später nach Hause kommen würden.

      Das Mädchen war Nancy gefolgt. Sie kam in ein Zimmer, in dem außer einem Bett und einem Schrank nichts stand. Gelangweilt sah Gwyn den beiden Frauen zu, wie sie das Bett bezogen.

      „Du kannst dich hier etwas umsehen, aber mach nichts kaputt, hörst du?“, sagte das Hausmädchen -sie hieß Mary- ohne von ihrer Arbeit aufzusehen.

      Gwyn lief den langen, dunklen Flur entlang. Plötzlich hörte sie die gedämpfte Stimme des Commodores. Sie stand wieder vor der Bibliothek.

      Eigentlich wollte sie nicht lauschen, aber als der Name ihres Vaters fiel, wurde sie von ihrer Neugier besiegt. Sie schlich ein paar Schritte näher.

      „…. Charles Steward war ein sehr fähiger Kapitän, aber gegen diesen Piraten Quelch und seine Horde Wilder hatte er keine Chance. Was sicher auch eine Rolle spielte, war, dass seine Frau mit an Bord war. Ich bedauere, dass Hilfe zu spät kam. Zwar konnten noch einige Besatzungsmitglieder gerettet werden, aber die Piraten entkamen. Für Euren Bruder und seine Frau jedoch kam jegliche Hilfe zu spät. Sie wurden auf unmenschliche, grausame Art hingerichtet….“

      „Sir, die ganze Situation ist schrecklich, da stimme ich Euch voll und ganz zu, aber dennoch bin ich der Meinung, dass ich nicht die geeignete Wahl zur Erziehung meines Bruders Tochter bin!“ Gwyn schauderte. Die Stimme ihres Onkels war so kalt....

      „Sir, Ihr seid ihr Vormund. …“

      „Gwyn? Was machst du denn da?“ Das Mädchen zuckte bei der Stimme ihrer Gouvernante und wirbelte herum, um sich Nancys tadelndem Blick gegenüber zu sehen.

      Als das Mädchen in dem fremden Bett lag und an die Zimmerdecke starrte, dachte sie über das Gespräch nach.

       'Für Mami und Daddy kam jede Hilfe zu spät? Sind sie verletzt?'

      Gwyn liefen Tränen über ihr Gesicht. Sie wollte nach Hause. Zu Mami und Daddy. Sie mochte ihren Onkel nicht...

      „Ach hier bis´ du! Hab dich schon überall gesucht. Is´ alles in Ordnung?“ Ben kam zu ihr und setzte sich neben sie an Deck. Inzwischen hatte die Dämmerung eingesetzt.

      Gwyn sah aufs