Er beginnt auch gleich mit den Vorbereitungen. Zeichenblock, Zeichenstifte und eventuell die Staffelei. Er bringt die Sachen auch sofort in den reparierten Wagen, der in der Garage steht. Als er zurück in sein Atelier kommt ist er erstaunt, da steht Herr Bechstein in einer Ecke und betrachtet sich seine Bilder. „Schön – schön.“, meint er mit fachmännischen Blick, dann fährt er fort, „haben sie eine halbe Stunde, ich muss mit ihnen etwas besprechen?“
Werner nickt und schweigt etwas erstaunt. Herr Bechstein ist ihm unsympathisch, warum kann er eigentlich nicht erklären, aber er ginge ihm lieber aus dem Weg, also wartet er ab was da für Ideen kommen.
Umständlich beginnt er von einer Sammlung zu reden, die katalogisiert werden müsste, ob Werner an so einem Auftrag Interesse hätte? Er fragt es so, das Werner schon darauf wartet, was da noch für ein Pferdefuß folgt. „Eigentlich nicht, das wird schlecht bezahlt und braucht eine Menge Zeitaufwand. Was sind es denn für Bilder?“, fragt er uninteressiert. Bechstein gibt sich aber noch nicht geschlagen, von irgendwoher hat er nämlich erfahren, dass Werner in Kürze an der Akademie arbeiten wird. Wer hat ihm das gesteckt, überlegt er. War es einer der Professoren? War es vielleicht Claudia, die ihm finanziell aus der Patsche helfen will? Fragen will er nicht, er meint, „ansehen kann ich mir ja die Bilder, wenn sie mich begeistern, dann mach ich die Arbeit, aber ich will einen guten Stundenlohn, das nur vorab.“
Bechstein willigt ein und meint, „ich hol sie am Donnerstag ab, ich muss dabei sein, der Besitzer ist schon ein etwas betagter Mann und möchte, dass ich es überwache.“
Der frisch ernannte Professor sagt nur, „okay, dann machen wir es so, ab elf, vorher geht es bei mir nicht.“ Werner ist gerade dabei in seinem Kalender die Daten einzutragen, da ruft Claudia durch. „Vergiss nicht, um halb acht – du kommst doch mit in die Lach und Schieß?“
Werner vereinbart, dass sie sich dort treffen, da kann er vorher noch bei Mutti-Bräu eine Halbe trinken gehen. Als Werner das Lokal betritt, ist es bereits vollständig besetzt, aber eigentlich ist das dort täglich so. Der Maler Kalkbrenner hat etwas zu feiern, hört Werner von einem Freund, der bestimmt schon seinen dreifachen Schnaps intus hat. „was feiert er denn?“, fragt Werner. „Seine Scheidung – hat ihn so viel gekostet, dass er so wie es aussieht seine Einladung nicht mehr bezahlen kann“, scherzt Bertl, ein bekannter Graphiker. Werner holt sich an der Theke seine Halbe ab und zahlt denn er möchte nicht schuld sein, wenn sein Freund Kalkbrenner ab morgen pleite ist. Es wird viel gelacht und dann wird er gefragt, ob er von einem Kunsthändler angesprochen wurde, wegen einer Bilderauflistung. Werner sieht ihn etwas erstaunt an und meint, „ich hab keine Ahnung von was du sprichst.“ Nun weiß er zumindest eines, dass Bechstein vor ihm wohl schon mehrere angesprochen hat. Warum haben die Kollegen abgelehnt, eigentlich würde er jetzt fragen, aber er will es gar nicht wissen. Er sieht auf die Uhr und muss erkennen, dass er nur ein Haus weiter muss, die Veranstaltung bei der Lach und Schieß geht in zehn Minuten los und Claudia wird schon auf ihn warten. Claudia erkennt ihn bereits, als er aus dem Lokal kommt. „Hätte ich mir doch denken können, dass du dir noch ein Bier gönnst.“ Bis dann die Vorstellung tatsächlich beginnt, vergeht nochmal eine Viertelstunde. Dann aber endlich startet die Vorstellung und Werner erfährt, um wen es eigentlich geht. Er hat vergessen zu fragen und in die Auslagen zu schauen war ihm einfach zu kompliziert. Es sind drei bekannte Kabarettisten und einen davon kennt er sogar persönlich, dabei fällt ihm ein, dass er ihm noch dreißig Euro schuldet. Es wird viel gelacht und Wahrheiten kommen natürlich ebenfalls im Programm vor. Mit einigen deftigen Zugaben ist das Programm dann nach zwei Stunden doch beendet. Schade, es war wirklich gut und bissig. Anschließend ziehen dann einige Besucher in eines der benachbarten Lokale. Eigentlich kennen sich hier alle, es sind fast alles Nachbarn von Werner, auch wenn die Leopoldstraße sie trennt. Claudia geht mit ihm noch auf einen Schlaftrunk, wie sie es nennt. Eine Halbe, dann schläft es sich doch gleich viel ruhiger. Werner erzählt von dem Angebot, welches ihm Bechstein unterbreitet hat, nennt aber keinen Namen. Claudia meint, „sei vorsichtig mit solchen Listen, könnte ja sein, dass ein gestohlenes Bild dabei ist und dann musst du es melden.“
„Okay, das ist ein guter Tipp, vielleicht sollte ich die Sache abblasen, was meinst du?“
Claudia lehnt ganz prinzipiell solche Angebote ab, „da hängst du zwei oder drei Wochen in einer stickigen Bude, musst auf die Bezahlung warten und am Schluss hast du mit der Polizei zu tun.“ Irgendwie hat Claudias Erklärung Werner neugierig gemacht, jetzt will er wissen, um was es sich handelt. Sicherheitshalber wird er mit seinem Freund Gerd Wildfang sprechen, nur um sich abzusichern. Claudia hat sich bei Werner die Couch heraus gesucht um die Nacht bei ihm zu bleiben. Sie reden nicht lange darüber, es ist eine stillschweigende Übereinkunft und absolut üblich unter Künstlern in Schwabing.
Schon am frühen Morgen wählt er die Nummer von Gerd. Eine kurze Erklärung genügt, Gerd kennt sich mit solchen Auflistungen aus. Oft landen sie dann in einem Aktionshaus und der Ersteller der Liste wird bekannt gegeben. Gerd macht den Vorschlag, dass sich Werner von ihm eine kleine Kamera am Rever seines Jacketts installieren lässt. Dann kann er bei jedem Bild ein Foto machen. Fünf Fotos reichen um die Qualität und die Herkunft zu klären. Tatsächlich geht Werner doch lieber auf Nummer sicher und lässt sich von Gerd das kleine Ding am Jackett befestigen. Am folgenden Morgen wird er von Bechstein pünktlich um elf abgeholt. Sie fahren um einige Ecken und am Arthur Kutscherplatz sind sie am Ziel. Der Lift bringt sie in den vierten Stock und Bechstein scheint den älteren Herren sehr gut zu kennen, sie begrüßen sich wie alte Freunde. Werner wird kurz als Kunstexperte vorgestellt, wobei ihm auffällt, dass Bechstein ihn als Mitarbeiter der Akademie bezeichnet, sogar das Wort „Professor“ fällt. Das gefällt ihm nicht und er verbessert, dass er nur als Gast dort manchmal tätig ist. Das erste Bild, was Werner zu sehen bekommt, ist ein bekanntes Bild von Liebermann. Werners Vater war ein Freund von Liebermann und so kannte er die zum Bild gehörende Zeichnung, die als Vorlage für das später gefertigte Bild galt. Woher das Bild stammen würde, fragt Werner, aber mit dieser Frage war dann das Gespräch bereits beendet. Denn Werner wurde von dem älteren Herren als Helfer für eine Auflistung abgelehnt. Eigentlich war er froh, dass es so gekommen ist. Leider hat er für Gerd Wildfang nur ein Foto schießen können, aber er ist sich sicher, dass Gerd damit einiges anfangen kann. So betritt er wieder sein kleines Reich und es vergehen nur Minuten, da steht Bechstein im Raum und poltert los, „wie kommen sie dazu, gleich beim ersten Bild nach der Herkunft des Bildes zu fragen.“
Werner meint, „hab ich das?“ Er muss erkennen, dass er Bechstein noch nicht abgeschüttelt hat. Bechstein hat noch eine weitere Aufgabe für ihn, die er nicht ablehnen werde, so meint zumindest Bechstein, er suche einen Fachmann, der für ihn Bilder beurteilen soll, die dann später in Auktionen gebracht werden sollen. Er, Werner bekommt für jedes Bild eine Provision. Natürlich überlegt Werner, wie er weiter vorgehen soll, ein kleiner Nebenverdienst, könnte ihm nicht schaden, eine reine Beurteilung, da könnte man ihn auch nicht haftbar machen. Er wird mit Gerd reden und dann wird er sich entscheiden, so meint er, „okay, Herr Bechstein, ich werde es mir überlegen. Wann soll ich denn das erste Bild beurteilen?“
So ist Bechstein erstmal zufrieden, dass Werner nicht gleich abgelehnt hat, und erklärt er weiter, „die Bilder sind in der Nähe von Rosenheim, da gibt es eine Malschule, die von meiner Organisation unterstützt wird. Einige Bilder sind so gut, dass wir sie in eine Auktion für Nachwuchskünstler geben wollen, schließlich kann man ja nicht nur bezahlen, irgendwann muss auch mal Geld zurückkommen.
Kaum ist Bechstein verschwunden, holt sich Werner ein Telefonbuch und sucht nach einer Malschule im Umkreis von Rosenheim. Seinen Versuch zu recherchieren, gibt er aber auf, da er eine so große Anzahl an Malschulden im Landkreis von Rosenheim findet, dass er keine Aussicht auf Klärung sieht. Er wird abwarten, Geduld ist seine größte Tugend überlegt er, ob er nicht mit seiner Vespa zum Aumeister fahren soll, er könnte dort auch einige Skizzen anfertigen, vielleicht kann sie ja Claudia sogar gebrauchen. Den Zeichenblock nicht vergessen und so schiebt er seine etwas eingestaubte Vespa aus der Garage und startet sie. Richtung Englischer Garten. Als er am Aumeister eintrifft, muss er jedoch erkennen, dass diese Idee auch noch andere hatten. Er sucht sich einen schattigen Platz unter einer Kastanie und holt sich eine Radlerhalbe am Ausschank, warmen Leberkäse mit süßem Senf und einer frischen Brezel