Jemand schnauft zur Tür herein, erleichtert sich geräuschvoll auf dem Nachbarklo. Barbara kramt nach ihrem Zimmerschlüssel und verläßt die eisige Toilette. Draußen prallt sie gegen eine Wand aus Hitze und Dampf, wie warm es hier ist, trotz des Regens. Sie geht an der Rezeption vorbei nach draußen. Ein sehr junger Boy drückt ihr einen aufgespannten Regenschirm in die Hand und sie kämpft mit dem Wind und dem Schirm, auf dem Weg zu ihrem Bungalow.
Barbara legt sich erschöpft aufs Bett. Sie versucht den Gedanken, den sie auf dem Klo hatte, wieder zu finden. Was war das für eine Beziehung, zu einem Menschen, so nah. Sie teilten das Bett, den Tisch, die Wohnung, den Hund. Sie hatte Harald im Tierheim getroffen, er wollte sich einen Hund zulegen, einen großen und starken, der ihn auf dem Fahrrad begleiten sollte und beim Joggen, der sich am Abend freute, wenn er nachhause kam. Barbara ließ ihn einen Fragebogen ausfüllen, und er war als Polizist mit Wechselschichtdienst und wenig Möglichkeiten, sich ordentlich um den Hund zu kümmern eher ungeeignet gewesen als Hundebesitzer. Harald hat das nicht eingesehen und sie haben diskutiert. Sie haben sich öfter gesehen, weil Harald immer wieder ins Tierheim kam, unbelehrbar, wollte sich neue Hunde ansehen. Dann haben sie sich gesehen, weil er in ihre Nachbarschaft gezogen ist. Manchmal sind sie zusammen spazieren gegangen und Harald hat sich mit dem Hund angefreundet. Barbara hatte sehr lange keinen Freund gehabt, Harald hatte Ausdauer gezeigt. Sie war spröde gewesen, konnte monatelang von händchenhaltenden Hundespaziergängen zehren, bis er dann einmal abends mit zwei Flaschen Bier und einer Dose Hundefutter vor ihrer Tür stand und in dem Moment bei ihr eingezogen ist. Seine kleine Wohnung hat er behalten. Aber gewohnt hat er bei ihr. Hat den Kampf mit dem Hund gewonnen, der jetzt nicht mehr im Bett und nicht mehr im Schlafzimmer schlief. Der Hund hat das respektiert und Barbara hat das Einverständnis des Hundes als guten Segen genommen. Harald war jetzt ihr Lebensgefährte geworden und der Hund wurde Hund.
5
Als sie aufwacht ist es finster. Der Regen hat aufgehört. Ein Sternenzelt über dem Garten. Jambo. How are you tonight, Madame? Ein Wachmann, der patroulliert. Thank you... And you? Der Wachmann scheint gerührt, daß sich ein Gast nach seinem Befinden erkundigt. Very well thank you. Its your first time in Kenya? - Yes. - Karibu Kenya. Karibu means welcome in Swahili. Karibu. Lala Salama. Goodnight. Der Wachmann geht weiter, die operettenhafte Uniform schlottert um seine schmale Gestalt, ein paar Schritte und er ist lautlos im Dunkel des Gartens verschwunden. Barbara zieht eine Jacke über, dann schließt sie die Verandatür und sucht sich einen Weg zum Strand. Die Anlage liegt still, in der Entfernung singt eine dunkle Frauenstimme Malaika, eine Band spielt zum abendlichen Amüsement der Gäste, die sich auf der großen Terrasse um das Büffet scharen.
Die Wellen plätschern nun kraftlos und eine stetige Brise flüstert in den Bäumen, kein Mond leuchtet und am Strand keine Lampe, um so klarer die Sterne, so viele. Barbara geht zum Wasser, es ist ganz warm. Sie schiebt ihr Kleid hoch, geht ein bißchen tiefer ins Meer rein, vergräbt die Füße im Sand. Wie lange sie geschlafen hat? Sie weiß es nicht. Das Meer bewegt sich nur müde, eine träge Masse. Sie wendet sich um und betrachtet den Strand. Obwohl es dunkel ist, leuchtet der weiße Sand hell, oben sieht man die Bühne, die Band, Lampen beleuchten die Tanzfläche. Sie kann es von hier unten nicht sehen, aber sie spürt, wie da oben ausgelassen getanzt wird, hört das Gelächter, hört die Absätze auf dem Steinboden klappern, ganz leise kaum wahrnehmbar unter der Musik, die über den Strand zu ihr herüberweht. Sie geht zurück und setzt sich in den Sand, gräbt Löcher rechts und links, sie hatte nicht gewußt, daß es so feinen Sand gibt, der klebt an den Fingern und an den nassen Füßen.
Jambo. Good evening. How are you? Ein anderer Wachmann. Good... How are you? - Very well thank you. May I ask you one question, madame? Er will ihr eine Frage stellen. Barbara hat nichts dagegen. Why are you sitting here all alone? ... It is not good, sitting alone. ... You have problems? Was soll sie da sagen. Ja, scheiße, eine ganze Menge davon und unerwartet auch noch große Lust zu rauchen, das kommt nicht oft vor und sie fragt ihn: You have a cigarette? - No, I don’t smoke cigarettes. Der Wachmann verschwindet hinter der Strandbar und kehrt mit einem Stuhl zurück. You sit here und Barbara setzt sich folgsam auf den Liegestuhl und er fragt sie freundlich What is your name? - Barbara. Und er wiederholt ehrfurchtsvoll ihren Namen, er läßt ihn sich schmecken. Barbara... a very beautifull name.
Barbara streichelt den Hund, der freundlich und bestimmt den schweren Kopf zwischen ihre Beine presst und die Stimme des Wachmanns wird leise, er fällt in einen rauen Singsang, als wollte er sie in seine Geheimnisse einweihen: My name is Salomon. Like the old king. You know, the wise king, the one who made very good decisions for his people. - Yes König Salomon. Sie tätschelt den Hundekopf. It is a Rottweiler. - Oh yes Rottweiler. Good dog. Comming from Germany. - I come also from Germany. - Gut Deutschland. Gute Hunde, sehr schlau. Das ist Elsa, Hund aus Deutschland. Gefährliche Hund. Jagt Gangster fort.
Salomon verabschiedet sich, muß weiter, mit Elsa den Strand runter. Barbara schaut ihnen nach und als sie verschwunden sind, lehnt sie sich zurück, betrachtet die Sterne. Ein dumpfer Schmerz zwischen ihren Brüsten, und auf einmal fällt ihr das Atmen schwer. Der Schmerz breitet sich aus, erfaßt ihren Magen, klettert nach oben, ihr Nacken wird steif und es schnürt ihr die Kehle zu, das Schlucken tut weh und sie möchte weinen und schluchzen, ihren Kummer herausbrüllen, aber da kommt nichts. Wie ein Geschwür, wie ein böses Tier macht er sich in seinem Wirtskörper breit und hilflos läßt sie sich von der Liege zurück in den Sand gleiten, muß auf dem Boden liegen, den Sand spüren und die Liege neben ihr stört. Und sie hat keine Kraft, aufzustehen und die Liege zurück zu schleppen, hinter die Strandbar. Also kullert sie über den Strand, fort von der Liege. Und der warme Sand tut ihr gut, sie räkelt sich eine Kuhle zurecht und kann bald wieder atmen, den Sand spüren und riechen, greift mit beiden Händen danach und läßt ihn sich auf die Beine rieseln, kneift die Augen zu, saugt die warme feuchte Luft ein, den Duft von modernden Algen. Wühlt sich immer tiefer in den heilenden Sand, oben kündigt eine glucksende Männerstimme den nächsten Song an, unverständliche, exotische Rhythmen wabern zu ihr herunter. Die Sterne, die Milchstraße, der Orion. Wie Harald, mit seinem Gürtel, an dem er alles befestigt hatte: Walkie-Talkie, Handschellen, Pistole, Handy. Skifahren! Harald hatte sich ausrechnen können, daß sie es nicht rausfinden würde, nur über seine Leiche. Sie hält sich für unglaublich blöde. Naiv! würden die Kolleginnen aus dem Tierheim Barbara vor sich selbst in Schutz nehmen. Aber denen würde sie es nicht sagen. Das kann man eigentlich niemandem sagen, im Ernst, wem sollte sie das erzählen?
Salomon und Elsa sind wieder da. Elsa will ihr das Gesicht ablecken und Barbara hat Mühe, sie davon abzuhalten. Salomon zündet sich eine Zigarette an und reicht sie an Barbara weiter. Sie zögert, unsicher, dann nimmt sie die Zigarette und zieht daran und will sie dem Wachmann zurückgeben, der will sie nicht haben. Barbara raucht weiter und Salomon faßt sich ein Herz: I remember you, this morning. I was at the reception. I saw you. It was raining. Barbara raucht und Salomon sucht nach Worten. Ich habe gehört, Deine Papa is dead. Du kannst mir Bescheid sagen, wenn Du brauchst neue Papa. Ja? Keine Angst, bitte. Ich bin ein gute Mann. Good Husband. You good wife for me. You take me home and I can work and we can have a baby child. Chocolate baby with beautiful hairs like yours. Hakuna matata. No problem.
Ein