Isabel Tahiri
Anna
Virus
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Inhaltsverzeichnis
2317
November
Ich renne durch die Straßen des Quadrasektors und versuche meine Verfolger abzuschütteln, aber so oft ich auch einen Haken schlage oder in einer kleinen Gasse verschwinde, sie spüren mich immer wieder auf. Das liegt an meinem Implantat. Ich sehe eine winzige Chance am Ende der Gasse, in die ich gerade eingebogen bin. Dort stehen ein paar alte Fässer, die mich vielleicht abschirmen werden. Ich renne darauf zu. Aber bevor ich sie erreiche, werde ich gepackt. Sie haben mich erwischt. Sofort gebe ich jeden Widerstand auf, lasse meinen Körper weich und nachgiebig werden, so tun sie mir nicht weh.
„Nummer Acht, Sie sind in Gewahrsam.“ Der Fänger, in seinem schwarzen Schutzanzug mit dem auffälligen roten Abzeichen, legt mir Fesseln an. Jetzt geht alles wieder von vorne los.
Sie verfrachten mich in einem dunklen Van und bringen mich zurück in die Klinik. Jedenfalls nennen sie es so, ich würde ja eher Gefängnis sagen, aber ich werde nicht gefragt. Das ist mein dritter Fluchtversuch gewesen, wieder hat es nicht geklappt. Eigentlich würde ich gerne in Tränen der Enttäuschung ausbrechen, aber meine Gefühle gehen nur mich etwas an. Meiner Erfahrung nach kann man mit ihnen auch nichts erreichen, keiner interessiert sich dafür. Sie wollen nur die Fortschritte ihrer Behandlung sehen, alles andere ist irrelevant, ja, es stört sie nur bei ihren Untersuchungen. Die Ärzte in der „Klinik“ behandeln keines ihrer Versuchsobjekte mit dem nötigen Respekt, manchmal glaube ich, Affen wären ihnen lieber, aber die gibt es eben nicht mehr. Auch keine Ratten, gar keine Säugetiere mehr, dafür haben sie jetzt uns.
*
Dr. Anita Parell stand in der Eingangshalle und wartete auf die Rückkehr der Fänger. Man hatte sie verständigt, Objekt Nummer Acht sei wieder in Gewahrsam. Professor Heilmann hatte ihr dieses Versuchsobjekt besonders ans Herz gelegt. Warum, wusste sie nicht. Was sollte sie jetzt machen? Das war der dritte Fluchtversuch, eigentlich müsste sie das Objekt jetzt sedieren, aber das verfälschte die Ergebnisse zu stark, sie würde sich etwas anders einfallen lassen müssen. In Gedanken hatte sie sich schon oft mit Nummer Acht beschäftigt. Dieses Objekt war anders, eigenwilliger und immer darauf bedacht zu fliehen. Sie beobachtete Acht eigentlich den ganzen Tag. Diese war ein echtes Rätsel. Das war jetzt schon die dritte Versuchsreihe mit ihr und keiner der Erreger hatte etwas bewirkt, das Objekt war nie davon beeinträchtigt. Vielleicht müsste sie noch einmal ganz von vorne anfangen, nein, das brachte nichts, das verlängerte nur die Probandenzeit von Acht. Und eigentlich bekam man die zehn Versuchsobjekte schon mit medizinischen Gutachten und gechippt geliefert, man konnte sofort mit den Versuchen beginnen. Sollte sie die Grunduntersuchungen noch einmal durchführen? Blieb ihr die dafür erforderlich Zeit? Eher nicht, außerdem durfte man dies nur auf Antrag tun, der aber meistens nichts brachte, das Versuchsobjekt wurde einfach ausgetauscht.
Anita wollte Nummer Acht aber behalten, warum, war ihr selbst nicht so genau klar. Sie war fasziniert von diesem Objekt, nicht nur weil ihr Chef es ihr aufgetragen hatte, sondern auch, weil sie leicht selbst in so einer Situation hätte landen können. Sie hatte nur den Vorteil gehabt, einen reichen Vater zu besitzen. Und die Regierung wollte es sich nicht mit den Reichen verderben...
Das Zischen der automatischen Türen riss sie aus ihren Gedanken. Zwei Fänger führten Nummer Acht in ihrer Mitte herein, Acht verhielt sich völlig passiv. Anita ging auf sie zu. „Ich übernehme sie.“ sagte sie knapp.
„Nein, unsere Anweisung lautet das Objekt ins Labor zu bringen und in den Käfig zu setzen. Sie kennen das Prozedere!“ Anita zuckte mit den Schultern. Rückverbringung in den Käfig, Schadensbericht, Erklärung, der übliche Papierkram. Das System ließ einem kaum Freiraum, alles musste schriftlich fixiert und sofort der Zentrale zugestellt werden. Leider, sie hätte Nummer Acht lieber selbst zurückgebracht,