»Einen schönen, weichen, weißen,
Laridah!
Mucki-Nucki soll er heißen,
Laridah!«
»Oh, höre auf, Bessy«, bat ich. »Wo in aller Welt kommst du überhaupt her? Ich finde es gemein von dir, mich so zu überraschen.«
Sie betrachtete meine Verwirrung mit etwas Nachdenklichkeit. »Also hat der Erbprinz von Strammin wirklich an einen andern Hasen gedacht. Lutz, Lutz, du entwickelst dich. Aus Knaben werden Männer.« Und sie setzte sich ins Gras.
Ich setzte mich neben sie. »Reden Dero Liebden bloß keinen Unsinn«, sagte ich, noch immer verwirrt. »Ich habe überhaupt an keinen Hasen gedacht. Weder an entlaufene noch an neue.«
»Komisch«, sagte die Bessy. »Wirklich komisch. Da reitet der hohe Herr fünfzehn Kilometer über Land, setzt sich ausgerechnet auf den Grund und Boden einer gewissen Prinzessin hin, spielt ein gefühlvolles Lied und behauptet, weder an die Prinzessin noch an andere Häschen gedacht zu haben. Wenn das nicht komisch ist!«
»Und doch ist es die reine Wahrheit«, widersprach ich eifrig. »Ich bin nämlich nicht extra hierhergeritten, sondern ich begleite unsere Wagen, die mit Weizen nach Stralsund fahren.«
Bessy setzte sich auf. »Wollt Ihr etwa Euren Weizen an den alten Schweden Ole Pedersen verkaufen?« fragte sie gespannt.
»Es soll eigentlich ein Geheimnis sein«, antwortete ich, »aber Dero Liebden dürfen es schon wissen; wir sind dessen willens.«
»Dann will ich dir was sagen, Lutz, der Alte wird dich bestimmt begaunern.«
Ich warf mich verdrossen zurück ins Gras. »Hör auf, Bessy. Diese Litanei höre ich nun schon alle Tage. Und überhaupt, was weißt du davon?«
»Genug, Erbprinz, mehr als genug. Weil wir ihm nämlich vorgestern sechshundert Zentner geliefert haben und weil Dero ergebenste Dienerin mit dem alten Schweden in seiner Kajüte gesessen und süßen Schwedenpunsch gesüffelt hat.«
»Bessy!« rief ich, setzte mich auf und starrte sie an. »Es ist doch nicht die Möglichkeit! Und er hat dich begaunert?«
»I wo!« lachte sie. »Ich habe unser Geld auf Heller und Pfennig bekommen, wir waren aber auch die Leimrute, mit der er euch andere ködern will. Und, ganz unter uns gesagt, Lutz, der Alte mit seinen Silberohrringen in den mäßig gewaschenen Ohren ist recht empfänglich für Mädchenlachen oder weiße Mädchenarme. Vielleicht zahlte er darum so willig.«
Ich fühlte, wie mir das Blut zu Kopf stieg. »Bessy –!« rief ich. Aber dann lachte ich. »Auch du singst heute eine andere Weise als sonst, Schalenbergerin. Dein Vater oder dein Bruder würde es nie zugelassen haben –«
»Es gab aber keinen Vater oder Bruder, ich war ganz allein. Glaubst du, daß man einer Bessy von Schalenberg nicht anvertrauen kann, was man einem Lutz von Strammin zutraut? Oder hast du euern alten Hoffmann dabei?«
Ich fühlte, unsere Unterhaltung geriet stark auf ein gefährliches Gleis, aber nun gab es schon kein Zurück mehr. »Und wenn dies auch alles so ist, Bessy«, sagte ich hitzig, »so werde ich doch nie glauben, daß du mit einem alten, schmierigen Segelschiffkapitän allein in seine Kajüte gestiegen bist, mit ihm getrunken hast und diese Arme –« Ich faßte sie und empfand trotz meines Zornes flüchtig, wie schön, kühl und lebendig sie sich anfaßten –, »und daß du diese Arme um seinen Hals gelegt hast, bloß um ein paar Mark mehr herauszuschinden.«
»Und wenn ich es getan hätte?« fragte Bessy sanft (ich hielt noch immer ihren Arm), »würde es Euer Liebden Kummer machen? Würde es Euer Liebden auch nur etwas angehen?«
Sie sah mich sehr ernst an, und ich hatte stärker denn je das Gefühl, daß sie mit mir Katze und Maus spielte. »Wegen Geld, Bessy!« rief ich mahnend. »Bedenke wohl, wegen ein paar schmieriger Taler!«
»Jawohl«, antwortete sie arglistig. »Wegen ein paar schmieriger Taler. Vielleicht aber auch darum, weil es mir Spaß machte, einen alten Gauner zu begaunern.«
»Und darum hast du deinen Arm um seinen Nacken gelegt, Bessy?«
»Darum! Und vielleicht habe ich darum sogar noch mehr getan, vielleicht habe ich ihm darum sogar noch einen Kuss gegeben. – Oh, nur einen Kuss auf die Backe!« rief sie eilig.
Aber ich hatte ihren Arm schon so hastig von mir gestoßen, als sei er eine giftige Schlange. »Ich danke Ihnen, mein Fräulein!« rief ich. »Sie brauchen mir nicht weiter zu erzählen. Dies ist genug!« Ich schüttelte die Hände und sah sie in maßloser Wut an. »Aber verstehst du gar nicht ...?« rief ich wieder. »Nein, ich sehe, Sie verstehen nichts! Aber dies ist wahrhaftig genug!« Ein anderer Gedanke überkam mich. Ich mußte lachen. »Weiß Gott, es trifft sich ausgezeichnet, daß mich heute am frühen Morgen schon ein schönes Mädchen abgeküßt hat. So bin doch wenigstens nicht ich der Betrogene!«
Damit ließ ich sie stehen, wo sie stand, und wandte mich meinem Alex zu. Aber ich war erst dabei, ihm seinen Futterbeutel abzunehmen, als sie mich an der Schulter berührte. »Lutz, was du eben gesagt hast, das war doch gelogen?«
»Es war so wenig gelogen wie deine Geschichte von dem Ole Pedersen«, antwortete ich und wechselte die Trense mit der Kandare aus.
Sie starrte mich nachdenklich an. »Ich glaube es nicht. Alle wissen, daß du mir bestimmt bist, und keine würde es wagen –«
»Wagen?« fragte ich und drehte mich scharf nach ihr um. »Es ist also ein Wagnis, mich zu küssen? Für Fräulein Bessy aber ist es kein Wagnis, einen alten, schmierigen Schiffskapitän abzuküssen?«
»Ach, hör auf mit dem Unsinn!« rief sie und stampfte zornig mit dem Fuße auf. »Ich will wissen, wer dich geküßt hat!« Sie sah mich prüfend an, ich fühlte, wie ich rot wurde unter ihrem Blick, als könne sie meine Gedanken erraten. Und wirklich, sie rief: »Die Thibaut! Die kleine Katze mit ihren Schlitzaugen und dem galligen Teint. Siehst du, jetzt habe ich dich erwischt. Ich habe es schon immer gesehen, wie sie um dich 'rumgetänzelt und -geschwänzelt ist, aber ich dachte, du wärest zu dumm. Hast du es also endlich doch gemerkt?«
Meine Wangen brannten vor Scham. Ich richtete mich steif auf. »Erstens möchte ich dich darauf aufmerksam machen, daß man sehr wohl eine küssen, einer andern aber im Herzen treu sein kann –«
Sie rief spöttisch: »Oh, welch eine Weisheit aus dem Munde Eurer Liebden! Es ist mir genau, als hörte ich die kleine, falsche Katze miauen.«
»Und dann«, fuhr ich unbeirrbar fort, »vergißt du ganz, daß du schon vorgestern wegen Geld, wohlgemerkt, wegen Geld einen alten Kapitän abgeküßt hast und daß seitdem alles zwischen uns zu Ende ist. Seitdem geht es dich gar nichts mehr an, wen ich küsse.«
Ich setzte einen Fuß in den Bügel und schwang mich in den Sattel.
»Wann es zwischen uns zu Ende ist, das werde ich dir schon rechtzeitig sagen«, rief Bessy und warf den Kopf zurück. »Das aber verspreche ich dir, ich werde heute nachmittag dein Fräulein Thibaut besuchen und werde ihr sehr gründlich beibringen, was ich über diese Küsserei denke.«
Ich hatte schon reiten wollen, aber nun hielt mich der Schreck an. »Bessy«, sagte ich, »das wirst du nicht tun. Ich schwöre dir, Madeleine – Fräulein Thibaut ist ganz unschuldig. Ich, ich habe ihr ein paar Küsse gestohlen, ganz gegen ihren Willen.«
Sie lachte. »Ich hoffe, diese Küsse sind geschickter ausgefallen als deine Lügen, Lutz, sonst ist die Thibaut bestimmt nicht auf ihre Kosten gekommen. Und nun reite zu, und kümmere dich um deinen Weizen. Ich werde mich schon um deine anderen Angelegenheiten kümmern.«
Sie hatte dem Alex einen Schlag versetzt, ich zügelte ihn aber noch einmal und sagte bittend: »Bessy, willst du diesen Besuch bei Fräulein Thibaut nicht noch um einen Tag verschieben? Laß es uns morgen noch einmal hier an dieser Stelle besprechen – mit kälterem Blute.«
»Nichts da, mein Freund!« rief Bessy. »Ich will die Katze meine Maus fangen lehren!«