Es sind doch nur drei Wochen. Tom Sailor. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tom Sailor
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753108988
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ist, wie sich die Sprache reduziert, wenn man den Eindruck hat, dass die Gegenseite nicht richtig Englisch kann.

      Der Taxifahrer beginnt etwas zu erklären, wobei Erik kein Wort versteht. Erik vermutet, dass es wohl um Geld geht und nimmt eine Dollarnote in die Hand und gibt sie dem Taxifahrer. Der stutzt kurz, wendet sich an den Kollegen mit dem blauen Turban, der ihm daraufhin etwas indisches Geld gibt. Daraufhin taucht wie aus dem Nichts ein weiterer Inder ohne Turban auf, der wohl irgendein Agent für irgendeinen Service ist und nun auf den Taxifahrer einredet, bis dieser ihm etwas Geld gibt. Erik vermutet, dass dies wohl die Gebühr für den Parkplatz sein könnte. Da er gerade beim Geldausgeben ist, gibt er eine weitere Dollarnote an den Inder mit dem blauen Turban, der sich höflich bedankt und nun einen weiteren kleinen Inder herbeiwinkt. Dieser macht zwar einen recht aufgeweckten Eindruck, ist aber alles andere als ein Muskelprotz. Trotzdem wuchtet der kleine Inder die zwei verbliebenen Koffer zunächst auf seinen Kopf und dann auf den Dachgepäckträger des Taxis. Für Erik eine schwierig zu verstehende Arbeitsteilung. Er hatte erwartet, dass der Inder mit dem Turban die Koffer in das Taxi stellt. Erik hat zunächst auch keine Vorstellung, ob es zu viel oder zu wenig Geld ist, das er verteilt hat. Erst später erfährt er, dass er einen ganzen Tageslohn verteilt hat. Da es also nicht zu wenig ist, holpert er kurz darauf mit einem sich antik anfühlenden Automobil in Richtung Stadtzentrum. Der leichte Fahrtwind ist angenehm warm, weht aber den Geruch von Fäulnis und Lagerfeuern in die halb herabgelassenen Fenster.

      »Dieser Geruch wird mich wohl von nun an ständig begleiten.«, überlegt Erik. Er hat den Eindruck, als ob dieser Geruch nicht an der Kleidung haltmacht, sondern bis unter die Haut kriecht. So als würde er alles für sich vereinnahmen und verschlingen. Es ist tatsächlich das intensivste, was er als ersten Eindruck von Indien bisher mitbekommen hat.

      »Mein erster Eindruck ist: Dieses Land stinkt!«, resümiert Erik auf dem Rücksitz.

      Bei der Fahrt ins Hotel fallen ihm die vielen Menschen auf, die links und rechts entlang der gesamten Strecke auf dem Boden sitzen, hocken oder liegen. Alle in ärmliche, geflickte und teilweise dreckige Lumpen gehüllt. Die, die neben der Straße liegen, scheinen zu schlafen. Einfach so auf dem nackten Boden, etwa einen Meter neben der Straße, auf der immer mehr LKWs, Autos, Rikschas und Fahrradfahrer sich scheinbar rücksichtslos vorwärtsdrängen. Entsetzt malt sich Erik aus, dass ein LKW vielleicht ausschert und über diese Menschen rollt. Vermutlich fährt er dann einfach weiter, ohne sich um das Schicksal der Betroffenen zu kümmern.

      Was Erik auch auffällt, ist der fortwährende Lärm. Zum einen von den Motoren, aber erst recht von dem pausenlosen Hupen. Es ist eine bedrückende Fahrt. Nichts erinnert im Augenblick an die Hochglanzmagazine, die das »Magic India« mit hübschen Mädchen an Traumstränden anpreisen. Das Taxi kommt ihm so vor wie ein Kokon, das ihn, eingehüllt in einen Wattebausch, vom Flughafen zum Hotel bringt. Das Taxi ermöglicht es, dass Erik einigermaßen distanziert von dem Elend bleibt, das rechts und links an dem Fahrzeug wie ein schlechter, grausamer Film vorbeizieht. Erik lehnt sich nach den ersten Eindrücken zurück und versucht, die Szenerie zu übersehen. Im Osten zeigt sich mittlerweile eine leichte Dämmerung.

      »Mein erster Tag in »Magic India« beginnt!«, fasst Erik den Moment mit einem leicht spöttischen Unterton zusammen. Er vermutet, dass trotz der Betriebsamkeit, im Augenblick eigentlich noch Nachtruhe besteht und dass das Treiben in einigen Stunden noch sehr viel chaotischer sein wird. Nach einer dreiviertel Stunde Fahrt erreichen sie das Hotel. Die Hoteleinfahrt ist mit einer geradezu verschwenderischen Festbeleuchtung illuminiert. Die weißen Säulen, die gepflegte Anlage und die sauber gekleideten Mitarbeiter bilden einen starken Kontrast zu dem Indien, dass ein paar Meter weiter vor der Auffahrt wabert. Es erscheint Erik wie eine Oase in der Wüste. Eher wie ein Zufluchtsort, an dem er sich von den Räubern, Wegelagerern und Gefahren dieser Reise in Sicherheit wähnen kann.

      Die Oase in der Wüste

      Das Taxi hält genau vor dem Haupteingang und der Hotelportier in seiner Livree reißt mit einer Verbeugung den Wagenschlag auf. Ein weiterer Angestellter in einer eher schlichten Uniform kümmert sich sofort um das Gepäck, ohne das Erik auch nur etwas sagen muss. Dem Taxifahrer gibt er nun ein Entgelt von 5 Dollarnoten, worauf dieser sich überschwänglich bedankt.

      »Das war also deutlich zu viel!« überlegt Erik, als er die Hotelhalle betritt.

      Das Foyer ist gewaltig. Ein Wasserfall fällt aus etwa zehn Metern Höhe in einen kleinen Teich, alle Wände und Böden sind mit Marmor verkleidet, ein indischer Pianist sitzt an einem Flügel und spielt um 6 Uhr morgens leise, klassische Musik. In dem weitläufigen Raum sind überall kleine Sitzecken verteilt, wobei auf jedem Tischchen prächtige Blumensträuße stehen. Was sofort auffällt, ist der deutlich angenehmere Geruch. Erik folgt dem Kofferträger bis er vor einem bildhübschen Mädchen an der Rezeption steht. Sie trägt wie jede ihrer Kolleginnen neben ihrem ständigen Lächeln einen farbigen Sari, der in ähnlichen Farben gehalten ist, wie die Uniformen aller Bediensteten. Diese Umgebung lässt die elende Armut vor der Tür vergessen.

      Nach dem Check-in kümmert sich ein anderer Boy um Eriks Gepäck. Etwas verwundert ist Erik, weil der Koffer-Boy ihn zwar bis zu seinem Fahrstuhl begleitet, den Knopf drückt um den Fahrstuhl zu holen, dann sich aber abwendet, um, zusammen mit dem Gepäck, einen anderen Fahrstuhl auf der Rückseite zu benutzen. Dieser separate Fahrstuhl ist für die Angestellten und das Gepäck vorgesehen, so dass ein Fahrgast im Fahrstuhl nicht unnötig bedrängt wird und nicht gezwungen ist, mit einem niederen Wesen wie den Bediensteten den Fahrstuhlraum teilen zu müssen. Diese bevorzugte Behandlung hat Erik bisher noch nicht erlebt. Die Schikanen am Flughafen haben dazu geführt, dass Erik das Land eher skeptisch betrachtet und im Stillen auf die nächste bedrohliche Überraschung wartet. Langsam entspannt sich Erik und beginnt die Atmosphäre und den Service zu genießen. Er merkt, wie die Anspannung, die sich seit der Ankunft am Flughafen stetig aufgebaut hat, von ihm abfällt und er sich langsam wieder besser fühlt. Plötzlich werden die lästigen Arbeiten von anderen bereitwillig übernommen. Allerdings erkennt Erik im Hintergrund auch ein leicht beschämendes Gefühl, da diese Bediensteten im Grunde genommen wehrlose Sklaven sind. Man kann sich schnell daran gewöhnen und ist dann versucht, auf diese Bediensteten als Menschen zweiter Klasse herab zu sehen. Als Erik an seinem Zimmer ankommt, steht der Kofferboy bereits da und hat die Tür geöffnet. Der Fahrstuhl der Bediensteten scheint wohl schneller zu laufen. Nachdem er die Koffer auf die dafür vorgesehenen Ablagen abgestellt hat, gibt Erik auch ihm eine Dollarnote aus seinem bereits etwas geplünderten Budget. Kaum ist die Tür hinter dem Boy ins Schloss gefallen, lässt Erik sich auf das Bett fallen. Dieses Hotel ist mit einem extrem weichen Bett ausstaffiert. Er dreht sich auf den Rücken und versucht ohne aufzustehen seine Schuhe abzustreifen. Auch seine Befreiung von Hemd und Hose versucht er mit einem minimalen Energieaufwand zu bewältigen. Schon fast glücklich und zufrieden darüber, die erste Hürde der Anreise erfolgreich geschafft zu haben, greift er mit der rechten Hand in die Decke und rollt sich ein. Da er ja jetzt im Land ist, dürfte es von nun an problemlos weitergehen. Erik empfindet es als kleinen Erfolg, dass er es bis hierher geschafft hat. Er entspannt sich immer mehr und es dauert nur wenige Sekunden, bis er in einen traumlosen Schlaf fällt.

      Plötzlich wird er durch ein lautes Pochen an der Tür aufgeschreckt. Erik versucht sich aufzusetzen, wobei er sich in der zusammengerollten Decke verheddert und eine Weile benötigt, bis er realisiert, wo er sich befindet.

      »Was war das, warum bin ich so aufgeschreckt?«, geht es durch seinen Kopf. Da hört er es wieder klopfen.

      »Room Service, Sir«, klingt eine gedämpfte Stimme durch die Tür.

      »Oh, Shit, ich habe vergessen, dieses »Bitte nicht stören Schild« nach draußen zu hängen.«, stöhnt Erik vor sich hin. »Ohne dieses Schild kommt sicher ständig ein Bediensteter und will irgendetwas im Zimmer richten.«, murmelt Erik mürrisch vor sich hin und steigt aus dem warmen Lager. Mit dem »Bitte nicht stören Schild« in der Hand öffnet er die Tür und hängt das Schild über den Türknopf. Der Hausdiener schaut ihn erschreckt an, als Erik nur in Unterhose vor ihm steht.

      »Oh, sorry, Sir!«, antwortet er verschreckt und zieht sich sofort zurück.

      Erik schließt wieder die Tür und schaut auf seine Uhr.