Spurensucher. Ana Marna. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ana Marna
Издательство: Bookwire
Серия: The Hidden Folks
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752922844
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      Einer der fremden Männer trat auf sie zu und betrachtete sie von oben herab mit einem skeptischen Gesichtsausdruck.

      „Und du meinst, du schaffst das?“

      „Da ich noch nicht weiß, was ich hier überhaupt soll, kann ich das nicht beantworten“, erwiderte Raven vorsichtig. „Ich kann aber gerne wieder gehen.“

      Sie drehte sich um und prallte gegen Kians Brust, der sich direkt hinter ihr aufgebaut hatte.

      „Hey“, grinste er. „Keine Sorge, Liam frisst keine kleinen Mädchen.“

      Eine Hand legte sich auf ihre Schulter und zog sie zurück. Der Kerl schubste sie zum Fenster und drückte ihr ein Nachtsichtgerät in die Hand.

      „Oben links!“

      Raven beschloss, lieber erst einmal mitzuspielen, und hob das Gerät an die Augen.

      „Au Mann“, murmelte sie dann. „Höher gehts wohl nicht?“

      Sie senkte das Glas. „Ihr wollt, dass ich da einbreche?“

      „So siehts wohl aus“, knurrte Liam ihr ins Ohr. Sie holte tief Luft.

      „Also, prinzipiell halte ich mich von kriminellen Tätigkeiten lieber fern“, wandte sie vorsichtig ein. „Und bevor ich Zeuge von sowas werde, verschwinde ich doch besser.“

      Die Hand lag immer noch schwer auf ihr.

      „Da drin befinden sich zurzeit etwa zehn Waffendealer.“

      Seine Stimme klang nicht freundlich, aber immerhin auch nicht bösartig.

      „Wir haben den Auftrag sie auszuheben und das werden wir heute Nacht tun. Entscheidend ist das Wie. Wir können’s auf die laute Tour machen und das endet mit zehn Toten, oder auf die leise, was die Todeszahl möglicherweise reduziert. Deine Entscheidung.“

      Das war echt die Höhe! Er schob ihr die Verantwortung für Tote zu?

      „Soll das ein Witz sein“, fauchte sie und versuchte, seine Hand abzuschütteln, was ihr leider nicht gelang. Es tat nur weh, da der Griff sich verstärkte.

      Wütend sah sie zu Kian, der sie immer noch angrinste.

      „Nimm’s als sportliche Herausforderung“, schlug er vor. „Nach dem Motto schnell und leise. Wenn’s schief geht, kümmer ich mich auch um deine Köter.“

      „Arschloch!“, blitzte sie ihn an. „Au verdammt. Lass mich los!“

      Immer noch hielt dieser Liam sie fest und ließ sich von ihrem Ärger nicht beeindrucken.

      „Du kletterst da oben rein und versuchst unbemerkt zum Personaleingang zu schleichen. Roland wird dich lotsen. Dann öffnest du die Tür und lässt uns rein.“

      Es gefiel Raven ganz und gar nicht, dass diese Männer schon von ihrer Mithilfe ausgingen.

      „Und – und wenn die mich bemerken?“

      „Dann solltest du die Beine in die Hand nehmen und hoffen, dass wir rechtzeitig da sind“, grinste Reece.

      Raven murmelte wieder einen leisen Fluch, was bei den Männern eher für Erheiterung sorgte.

      Sie hob das Nachtsichtgerät erneut an die Augen und sah sich die Wand genauer an. Viel Halt bot sie nicht, doch das Mauerwerk wirkte bröselig und zeigte eine Menge Risse und Löcher.

      „Ich brauch dann aber jemanden, der mich hochschubst“, meinte sie.

      „Kein Problem“, grinste Kian. „Du weißt, ich bin für jede Stellung zu haben.“

      „Blödmann!“

      Liam löste seine Hand von ihrer Schulter und hielt ihr einen Ohrstecker, ein Kabel und ein und eine Kneifzange hin.

      „Gib dein Handy Roland und leg das an. Wenn du drin bist, kann Roland dir erklären, wo du lang musst. Er wird immer wissen, wo du bist.“

      Sie schielte zu dem Typen am Bildschirm, der sie ebenfalls angrinste und ihr auffordernd die Hand hinstreckte. Er wirkte keinen Deut vertrauenerweckender als seine Kollegen.

      „Na, da bin ich ja erleichtert“, murmelte sie. Etwas umständlich fummelte sie sich den Ohrstecker ins Ohr und steckte sich die Zange in die hintere Hosentasche, während sie diesen Roland misstrauisch beobachtete, wie er mit ihrem Handy herumhantierte. Minuten später reichte er es ihr zurück und half ihr dabei, sich zu verkabeln. Nach einem kurzen Soundcheck atmete sie tief durch. Dann folgte sie Kian nach draußen.

      Er führte sie über Umwege bis unters Fenster, um so diversen Kameras auszuweichen.

      Raven blickte mit einem flauen Gefühl die Wand hinauf. Acht Meter konnten ganz schön hoch sein. Ihr Blick glitt suchend hin und her. Dann trat sie an eine Stelle und versuchte die Hände zu lockern. Es war länger her, dass sie Freeclimbing trainiert hatte. Sie konnte nur hoffen, dass ihre Finger sie nicht im Stich ließen.

      „Es wäre nett, wenn du hier stehen bleibst und mich notfalls auffängst“, murmelte sie. Kian packte sie unter den Armen und drückte einen Kuss auf ihren Nacken.

      „Keine Sorge, Süße. Ich pass auf dich auf.“

      Dann hob er sie mit Schwung hoch, so dass sie auf seinen Schultern zu stehen kam.

      Drei Meter waren damit schon mal locker geschafft. Sie fixierte eine Stelle in der Mauer und stieß sich ab.

      Raven brauchte etwa zwei Minuten, bis sie sich durch das enge Fenster schieben konnte. Ihre Finger waren aufgescheuert und brannten wie Feuer. Sie sparte sich diverse Flüche. Die Sorge entdeckt zu werden, war viel zu groß.

      „Alles klar, Süße?“, klang Rolands Stimme an ihr Ohr.

      „Soweit erstmal ja“, murmelte sie.

      „Okay, dann beweg dich vorwärts. Nach ein paar Metern müsstest du auf eine Treppe stoßen.“

      Er dirigierte sie sicher und ohne zu zögern durch die Räumlichkeiten. Leise Stimmen waren im Hintergrund zu hören. Ab und zu das Klirren von Metall. Raven wagte kaum, zu atmen, als sie sich vorsichtig eine Leiter hinunterließ und zu der Eingangstür schlich.

      „Keine Sorge, Süße“, schnarrte ihr Führer. „Da ist niemand. Die sind alle hinten. Also leg ‘nen Zahn zu.“

      Sie verkniff sich einen Kommentar. Die Tür sah normal aus, allerdings hingen einige Drähte und Kontakte daran fest. Leise beschrieb sie, was sie sah.

      Immerhin, seine Anweisungen waren exakt. Er schien zu wissen, was zu tun war.

      Also knipste sie gehorsam alle Drähte weg und versuchte, sich nicht zu vertun. Schließlich atmete sie tief ein und öffnete vorsichtig die Tür. Zu ihrer Erleichterung ertönte kein Alarmton. Dafür schoben sich sofort mehrere Körper zu ihr herein. Sie blinzelte irritiert. Das waren mindestens fünf Kerle. Wie viele gab es denn noch von denen?

      „Verschwinde, geh zu Roland“, befahl Liam ihr leise im Vorbeigehen.

      Nichts tat sie lieber als das. Gehorsam eilte sie zu dem Van und schlüpfte hinein. Roland beachtete sie nicht, er saß konzentriert am Monitor. Neugierig sah Raven ihm über die Schulter. Deutlich erkannte sie die Wärmebilder innerhalb des Gebäudes. Gespannt sah sie zu, wie sich die größeren Gestalten auffächerten und die Gruppe der Schmuggler einkreisten. Dann wurde es doch noch lauter. Schüsse und Schreie klangen auf und die Wärmebilder zeigten ein undurchsichtiges Gemenge.

      Zwei Gestalten lösten sich aus der Gruppe und rannten zur Tür.

      Roland murmelte einen leisen Fluch.

      „Liam, zwei wollen sich absetzen. Die sind gleich draußen.“

      Sogar Raven konnte Liams wütende Stimme aus Rolands Kopfhörer vernehmen.

      „Dann halt sie auf!“

      Roland fluchte jetzt laut und sprang auf. Raven zog unwillkürlich den Kopf ein, als er an ihr vorbeistürmte.