Am 15. Oktober 1917 wurde Margaretha Geertruida Zelle um 6.15 Uhr morgens in den Befestigungsanlagen von Schloss Vincennes bei Paris von einem zwölfköpfigen Hinrichtungskommando erschossen (von der abgefeuerten Salve traf angeblich nur ein einziger Schuss tödlich, dieser allerdings direkt ins Herz). Ein Unteroffizier gab ihr aus kurzer Distanz zusätzlich einen Gnadenschuss in den Kopf.
Die letzten Worte Mata Haris sollen gelautet haben: "Der Tod ist nichts, auch das Leben nicht, was das betrifft. Zu sterben, zu schlafen, ins Nichts zu verschwinden, was macht das schon? Alles nur Illusion!" (16)
Weil sich niemand fand, der die Kosten für eine 'normale' Beerdigung übernommen hätte, wurde der Körper Mata Haris der Medizinischen Fakultät der Pariser Sorbonne zur Verfügung gestellt. Merkwürdigerweise ist der präparierte Kopf in den 1950er Jahren aus dem Pariser Autonomie-Museum, wo er ausgestellt war, verschwunden.
Bereits kurz nach ihrem Tod wurde Mata Hari zu einem Mythos stilisiert: Sie galt als Verkörperung einer Kurtisane oder wurde als Femme fatale gesehen. Ihre Lebensgeschichte war bislang Stoff für über 250 Bücher und ein gutes Dutzend Filme. Dennoch ist die Quellenlage insgesamt relativ dünn. Feststeht nachwievor, dass die umfangreiche Literatur nur mit größter Vorsicht zu benutzen ist.
Ein im Herbst 2001 durch ihre Geburtsstadt Leeuwarden und die Mata Hari Foundation beim französischen Justizministerium eingereichter Revisionsantrag ihres Prozesses mit über 1000 Dokumentationsseiten, mit dem bewiesen werden sollte, dass Mata Hari das Opfer eines Justizmordes geworden war, wurde – wie bereits zwei vorhergegangene Anträge – zurückgewiesen. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe waren zu dem Schluss gekommen: "Mata Hari war keine geborene Spionin. Man hat sie für die antideutsche Kriegskampagne benutzt. Sie war lediglich eine Frau, die das Leben genießen wollte und die nicht begriffen hatte, daß mit dem Krieg nichts sein würde wie zuvor." (17)
Eine grundsätzlich andere Beurteilung der Geschehnisse und Beweise konnte auch nach Öffnung der französischen Gerichtsakten im Jahr 2017 nicht gewonnen werden.
___________________________________________________________________(1) Malayisch "Sonne"; die Worte bedeuten "Auge des Tages".
(2) Wagenaar, Sam: „Der erste wahre Bericht über die legendäre Spionin.“ Bergisch-
Gladbach 1985 (S. 46).
(3) „Briefwisseling naamswijziging Mata Hari ontdekt.“ (Fries Museum)
(4) „Sie nannte sich Mata Hari.“ Memento vom 24.12.2007. In: „Internet Archive“. Tagesspiegel vom 7.10.2007.
(5) Am 9. Mai 1891.
(6) Mit „Indië“ ist nicht „Indien“, sondern „Indonesien“ gemeint.
(7) Die Stadt heißt aktuell Jakarta; sie gehörte damals zur Kolonie Niederländisch-Indien.
(8) Sie wurde Non genannt. Der malayische Name bedeutet "Mädchen".
9) Huisman, Marijke: „Mata Hari (1876-1917), de levende legende.“ Hilversum 1998
(S. 11/12) sowie Wencker-Wildberg, Friedrich: „Mata Hari-Roman ihres Lebens.“ Augsburg 2004 (S. 34).
(10) Wagenaar, a.a.O., S. 67 sowie Huisman, a.a.O., S. 13. Huisman erhielt Einblick ins Archiv der Mata Hari-Stiftung, das Teile der Korrespondenz der Eheleute enthält.
(11) Kupferman a.a.O., S. 23.
(12) Vgl. Kupferman, Fred: „Mata Hari: songes et mensonges“ (Träume und Lügen). Berlin 1999 (S. 23). --- Außerdem: Riess, Curt. „Prozesse, die unsere Welt bewegten“. Augsburg 1999 (S. 240).
(13) Cramer soll ihr die Summe von 20000 Francs geboten haben. Mata Hari habe das Geld angenommen, jedoch nie eine entsprechende Gegenleistung erbracht.
(14) Riess, a.a.O.
(15) Wagenaar, a.a.O., S. 446.
(16) Bisbort, Alain. „Famous Last Words.“ Portland/Oregon (USA) 2001.
(17) Balmer, Rudolf. „Mata Hari: Doppelagentin und Propagandaopfer“. In: Frankreich-Informationsdienst vom 16.10.2001.
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DIE MANDSCHUPRINZESSIN (YOSHIKO KAWASHIMA)
Yoshiko Kawashima wurde am 24. Mai 1907 in Peking als Aisin Gioro Xianyu geboren und war die 14. Tochter von Shanqi, dem 10. Sohn des Prinzen Su, welcher der kaiserlichen Familie der Qing-Dynastie angehörte. Der japanische Agent und Geschäftsmann Naniwa Kawashima adoptierte das Kind nach der Xinhai-Revolution 1911 und so wuchs das Mädchen in der japanischen Stadt Matsumoto auf. Der chinesische Hofname lautete Dongzhen, was etwa "Östliches Juwel" bedeutet; der han-chinesische Name war Jin Bihui.
Yoshiko unternahm mit 17 Jahren einen Selbstmordversuch, der missglückte; was sie dazu veranlasst hatte, konnte nicht ermittelt werden. Die japanischen Adoptiveltern nutzten ihre Abstammung und setzten die junge Frau bewusst ein, um die japanische Vorherrschaft über China zu sichern. 1927 heiratete sie Ganjuurjab Jeng, einen Mongolen, welcher der Sohn des Anführers der Mongolisch-Mandschurischen Unabhängigkeitsbewegung war. Schon zwei Jahre später scheiterte die Ehe und die frisch geschiedene Yoshiko Kawashima zog in die internationale Konzession in Shanghai (1), wo sie den japanischen Militärattaché Tanaka Ryukichi kennenlernte. Der bediente sich ihrer Kontakte zum mandschurischen und mongolischen Adel, um sein eigenes Spionagenetzwerk auszubauen.
Yoshiko Kawashima, die neben Japanisch auch perfekt Chinesisch sprach und bevorzugt in Männerkleidung auftrat, bemühte sich im Jahr 1931 im Auftrag der Japaner, zu dem ehemaligen chinesischen Kaiser Pu Yi - der in die japanische Konzession in Tianjin geflohen war - Kontakt herzustellen. Pu Yi sollte nämlich zum Staatsoberhaupt des von Japan neu geschaffenen Staates Mandschukuo ernannt werden. Kawashima gelang es, mehrere angebliche Mordanschläge auf den ehemaligen Kaiser zu fingieren, weshalb dieser schließlich aus Tianjin floh, wonach er auf ein japanisches Kanonenboot geschmuggelt wurde. (2)
Im Verbunde mit anderen Spionen verursachte die fernöstliche Mata Hari dann den Ausbruch der ersten Schlacht um Shanghai, an deren Ende der Boykott japanischer Waren in der Stadt stand. Noch bevor Pu Yi als Präsident des neu gegründeten Staates Mandschukuo eingesetzt werden konnte, kehrte Kawashima in die Mandschurei zurück, wo sie sich durch die Gründung einer eigenen Reiterabteilung an der Niederschlagung des chinesischen Widerstandes gegen das mit den Japanern sympathisierende Regime beteiligte. In der Presse wurde sie deshalb zeitweilig als 'Jeanne d'Arc des Ostens' tituliert. (3)
In den 1930er Jahren bot sie ihre Einheit auch dem Feldherrn Zhang Xueliang an; die Befehlshaber der japanischen Kwantung-Armee verhinderten jedoch den Einsatz.
Kawashima nutzte ihre Beliebtheit auch für Auftritte in Radiosendungen; schließlich kam es sogar zur Veröffentlichung einer Schallplatte und Zeitungen brachten (größtenteils erfundene) Geschichten aus der Zeit ihrer Agententätigkeit. Bei einer derartigen Popularität war eine weitere Spionagetätigkeit natürlich ausgeschlossen; dazu kam, dass Kawashima sich immer kritischer gegenüber der aggressiven imperialistischen Politik Japans äußerte (4), weshalb das Land an ihrer Mithilfe nicht mehr interessiert war.
Die Spionin, welche zwischen zwei Welten schwankte und lebte, muss um diese Zeit unendlich traurig gewesen sein. Überliefert ist ein Zitat, das dies verdeutlicht. "Ich habe ein Zuhause, kann aber dorthin nicht zurück", hat sie einmal geäußert. "Und ich habe Tränen, darf aber nicht über sie sprechen..." (5)
Als der Staat Mandschukuo im Rahmen einer sowjetischen Offensive (6) im Sommer 1945 wieder aufgelöst wurde, versteckte sich Yoshiko Kawashima in Shanghai. Agenten des Geheimdienstes der Kuomintang gelang es jedoch, sie dort aufzuspüren und so wurde sie am 11. November 1945 verhaftet.
Nach