Das Erbe im Keltengrund. Ariane Nasskalt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ariane Nasskalt
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738004045
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ihm das blöde Vieh alles weggefressen hatte. Brr, igitt, aber auch! Was hatte das Mistvieh auch so schleckig sein müssen. Das Milchkännchen war noch randvoll gefüllt, nicht mal geleckt hatte sie daran. Manche Katzen vertrugen ja keine Milch, doch die von Tante Klara waren von klein an daran gewöhnt gewesen. Komisch, dass die Katze den Teller ratzeputz geleert hatte. Katzen fraßen doch nichts, wenn es ihnen nicht gut ging. Und schon gar nicht, wenn sie es so schlimm mit dem Magen gehabt hatten, dass sie erbrachen. Hatte am Ende etwas mit der Wurst nicht gestimmt? Mit der Wurst, die jemand für ihn hingerichtet hatte? Hatte es vielleicht jemand auf ihn abgesehen? Weil Tante Klara ihm alles vermacht hatte? Ulf rief sich zur Raison: Quatsch, jetzt bloß nicht verrückt spielen! Der ganze Schlamassel mit Simone ließ ihn jetzt auch noch panisch werden. Und hier wurde er auch noch ständig an die übelste Zeit seiner Vergangenheit erinnert. Wenn seinem Vater damals der Coup mit der angeblichen Firmenpleite gelungen wäre, hätte seine Mutter nach der Scheidung ganz schön zu knapsen gehabt.

      Bei dem Gedanken, dass es an ihm blieb, den Kadaver aus der Küche zu entfernen, meldete sich Ulfs Magen. Bevor er dieser äußerst unliebsamen Pflicht nachkam, musste er sich erst mal etwas einverleiben. Er setzte sich ins Auto und steuerte die nächste Ortschaft an.

      Langsam – dabei abwechselnd nach links und rechts schauend – fuhr Ulf die Hauptstraße von Ebendorf entlang. Was jemand anderes als beschaulich beschrieben hätte, bezeichnete er als verschlafenes Nest. Außer einem Blumengeschäft und einem kleinen Gemüse- und Obstladen hatte er noch kein Ladengeschäft entdeckt. War das die Möglichkeit, in diesem Kaff gab es eine Polizeistation! Ein Gedanke, der ihm wie ein Blitz einschoss, ließ Ulf abbremsen. Schon etwas besser gelaunt hielt vor dem kleinen Fachwerkhaus an.

      Ein merkwürdiges Anliegen

      Konrad Schmieg zwang sich eine ernste Tonlage auf. In seiner Eigenschaft als Polizist war ihm schon viel zu Ohren gekommen, aber dies hier überstieg das Gewohnte. Da hatte sich dieser junge Mann fast zwei Monate Zeit gelassen, um die Angelegenheiten seiner Tante zu regeln, nicht einmal zur Beerdigung war er erschienen. Während der ganzen Zeit hatte er sicher auch keinen einzigen Gedanken an das Hofgetier verschwendet. Nun, da er endlich hier war, schwafelte er von Fledermäusen und anderem Vieh und tat so, als ob er sich bedroht fühlte. Und das angeblich nur, weil eine alte Katze ihr Leben ausgehaucht hatte. Obwohl Konrad Schmieg längst ahnte, worauf der junge Mann hinauswollte, ließ er sich nichts anmerken.

      „Fledermäusen genügt ein kleiner Spalt, um in ein Gebäude zu kommen. Und so eine Neuigkeit, dass der Hoferbe eingetroffen ist, spricht sich in unserem kleinen Ort schnell herum“, entkräftete er Ulf Reimanns Entgegnung, dass – abgesehen von den Notariatsmitarbeitern – niemand von seiner Ankunft gewusst habe.

      Doch auch dieses Argument des Polizisten trug nicht dazu bei, dass Ulf verwarf, was er sich in den Kopf gesetzt hatte. Mit übereinandergeschlagenen Beinen saß er Konrad Schmieg gegenüber und wippte ungeduldig mit dem Fuß. Sein Gemütszustand spiegelte sich in seinem Gesicht wider. In dem kleinen Amtszimmer, dessen Interieur auch dem Gerümpel in Tante Klaras Scheune entstammen hätte können, war es stickig heiß. Je mehr sich der Beamte sperrte, desto übellauniger wurde Ulf.

      „Ist es nicht ein bisschen verwunderlich“, begann Ulf von Neuem, „dass mir jemand Fremdes ein Frühstück vorsetzt, und die Katze, die mir die Wurst stibitzt, gleich danach das Zeitliche segnet?“

      „Auch, wenn ich mich jetzt wiederhole: Die Katze hatte schon etliche Jahre auf dem Buckel. Wahrscheinlich haben ihre alten Gedärme so einen ungewohnten Leckerbissen nicht vertragen. Und wer weiß, was sie sonst noch gefressen hat. Vielleicht wurde in einem der umliegenden Felder ein Giftköder gegen Ratten oder Wühlmäuse ausgelegt. Sie haben ja keine Ahnung, wie oft ich es schon mit Hundebesitzern zu tun hatte, deren Lieblinge so ein Ding verschluckt haben. Letzten Herbst ist ein Pudel sogar daran verendet!“

      Der Polizist schlug im Stakkato einen Bleistift in die Kuhle zwischen Daumen und Zeigefinger, versuchte so seinem Gegenüber klar zu machen, dass er dieses Gespräch jetzt gerne beenden würde. Doch der Wink mit dem Zaunpfahl wurde von diesem nicht aufgenommen. Stattdessen wurde sein Besucher konkreter:

      „Ob und durch was die Katze vergiftet wurde, ließe sich doch durch einen Beamten der Veterinäranstalt klären.“

      „Ich gebe Ihnen gerne die Adresse. Diese zu beauftragen, wäre angesichts der Sachlage aber Ihr Privatvergnügen! Natürlich auch der Transport dahin.“

      Ulf streckte sich und saß nun aufrecht im Stuhl. „Sie meinen also allen Ernstes, dass ich an den Ort zurückkehre, wo man mich gerade eben erst ermorden wollte! Allein schon aus Pietätsgründen können Sie das nicht verantworten! Ein Anruf von Ihnen genügt, jemand von der Veterinäranstalt holt den Kadaver ab und spätestens heute Abend wissen wir, ob mein Verdacht begründet war!“

      Konrad Schmieg richtete sich ebenfalls kerzengerade auf. „Guter Mann, wenn ich so verfahren würde, wie Sie es wünschen“, das letzte Wort hatte der Polizist betont gedehnt ausgesprochen, „würde das eine Welle von ebensolchen Fällen nach sich ziehen. Wie ich Ihnen ja schon gesagt habe, verenden bei uns fast tagtäglich irgendwelche Viecher. Und um Ihr Leben brauchen Sie sich wirklich keine Sorgen zu machen. Es gibt unauffälligere Methoden, einen Menschen zu töten, als ihn zu vergiften. Warum sollte ein Mörder ausgerechnet eine solche wählen, die zur Folge hätte, dass der Fall polizeilich untersucht wird? Außerdem kann ich beim besten Willen kein Motiv erkennen. Ehm … Sie hatten mir doch erzählt, dass außer Ihrem Vater Sie der einzige noch lebende Angehörige Ihrer Tante sind. Und von diesem ist Ihren Angaben zufolge weder dem Notariat noch Ihnen noch sonst jemandem eine Adresse bekannt. Deshalb würde übrigens im Falle Ihres Ablebens das Erbe an den Staat fallen. Ergo kann Ihr Vater also nicht erfahren haben, dass Sie alles erben. Logisch betrachtet weiß er ja noch nicht einmal, dass seine Schwester verstorben ist!“

      „Himmel noch mal, ich verdächtige ja auch nicht meinen Vater!“

      „Ehm und wen dann?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, sprach Konrad Schmieg weiter. „Tut mir leid, aber ohne begründeten Verdacht kann ich der Sache leider nicht nachgehen!“ Er stützte sich mit den Händen auf den Seitenlehnen seines Bürostuhls ab und stand auf.

      „Und das Frühstück?“, startete Ulf einen letzten Versuch, den Polizisten doch noch umstimmen.

      „Diese Frage kann ich Ihnen auch nicht beantworten. Aber Sie können ja mal bei Frau Mayer nachfragen. Soweit mir bekannt ist, hat sich Ihre Tante des Öfteren um deren … Ehm …“ Konrad Schmieg zögerte, im amtlichen Sprachgebrauch wurde so eine Person als geistig minderbemittelt betitelt, aber traf dies auf diesen einfältigen Kauz auch wirklich zu? Die Mayers waren erst im letzten Jahr in das rund 5.000 Einwohner zählende Dorf, gezogen. Die wenigen Male, die er diesem Mann begegnet war, reichten nicht aus, um mit hundertprozentiger Sicherheit eine Fehleinschätzung ausschließen zu können. Nach kurzem Überlegen und mehreren „Ehms“ rang er sich dazu durch, sich nur auf das festzulegen, was er mit Gewissheit wusste und fuhr fort „gutmütigen, aber leider auch ein wenig lebensuntüchtigen Sohn gekümmert. Möglich wäre ja, dass sich nun Frau Mayer im Gegenzug verpflichtet fühlte, sich mit diesem Frühstück zu revanchieren.“

      Der Polizist streckte dem jungen Mann die Hand entgegen. Ulf, der nun ebenfalls aufgestanden war, überging diese Anstandsgeste und verließ grußlos, „die Polizei wird wohl erst aktiv, wenn man bereits tot ist“ murmelnd, den Raum.

      „Übrigens, Frau Mayer wohnt in der Pfarrgasse, direkt gegenüber vom Friedhof!“,

      rief Konrad Schmieg seinem Besucher nach. Schwerfällig ließ er sich in seinen gepolsterten Schreibtischstuhl fallen, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Einmal mehr wurde ihm bewusst, dass es an der Zeit war, seinen Pensionsantrag einzureichen. Früher war er voll Schadenfreude gewesen, wenn er merkwürdige Anliegen zurückweisen konnte. Manchmal hatte er solche Dispute bewusst in die Länge gezogen. Hatte dann genüsslich beobachtet, wie der andere beim Kleinbeigeben zusammengeschrumpft war. Doch jetzt war alles anders. Das Gespräch gerade eben hatte ihn fürchterlich genervt. Obwohl ihm