„Wir haben ein paar Datenspeicher aus Station 47 ausgewertet. Unglücklicherweise sind die Informationen lückenhaft, aber es steht wohl fest, dass es den Negaruyen gelungen ist, einen oder auch mehrere ihrer genetisch Veränderten in die Station zu schleusen. Es ist kaum anzunehmen, dass diese sich bereits zufällig auf der abgelegenen Station aufgehalten haben. Unsere Streitkräfte werden inzwischen einem Tiefen-Scan unterzogen, bei dem diese Infiltratoren entlarvt werden. Aller Wahrscheinlichkeit nach kamen der oder die Veränderten daher mit einer kommerziellen Wartungsgruppe auf die Station, die von der Lambert Corporation geschickt wurde. Die Dienststelle auf dem Mars stellt inzwischen entsprechende Nachforschungen an. Es steht außerdem fest, dass es den Negaruyen gelang, sich in den Besitz des Freihändlerschiffes Juliette Beecher zu bringen, einem Frachter der Silkroad-Baureihe.“
Sub-Admiral Chukov stieß ein überraschtes Ächzen aus. „Silkroad? Grundgütiger, von denen fliegt noch einer?“
Schwertfeger lächelte. „Sogar zwei, Admiral.“
„Das sind doch die reinsten Museumsstücke“, meinte nun Professor Tamilak geringschätzig. „Warum haben die Negaruyen kein moderneres Schiff gekapert?“
„Wir sollten froh sein, dass es die Beecher ist und nicht ein modernes Schiff“, hielt die Nachrichtenoffizierin dagegen. „Die Daten der Silkroad-Reihe sind uns nämlich bestens bekannt und so können wir die Leistungen der Beecher ziemlich genau einschätzen. Das kann uns bei der Suche entscheidend helfen.“
„Womit wir beim vordringlichsten Thema sind“, wandte Uddington ein. „Wie finden wir das verdammte Schiff?“
Chukov meldete sich zu Wort. „Bevor wir das angehen, will ich einen wichtigen Punkt ansprechen. Wir wissen, dass die Negaruyen seit fast tausend Jahren mit den Norsun im Krieg liegen. Sie sind den Insektoiden, von der Technik natürlich abgesehen, in allen Bereichen weit unterlegen, haben sich aber erstaunlicherweise gehalten und konnten einer Entdeckung ihrer verborgenen Welt bislang entgehen.“
„Das ist allgemein bekannt“, knurrte Uddington. „Worauf willst du hinaus, Pjotr?“
„Darauf, dass die Beecher höchstwahrscheinlich nicht direkt zur Heimatwelt der Negaruyen geflogen ist. Das würde der üblichen und praktisch angeborenen Vorsicht dieses Volkes widersprechen. Das Schiff dürfte einen geheimen Punkt im All angeflogen haben, von dem aus es dann den Kurs ändert oder wo es sich mit einem Unterstützungsgeschwader getroffen hat. Ich vermute Letzteres und dass man die Gefangenen inzwischen auf ein modernes Schlachtschiff transferierte. Das ist auf jeden Fall sicherer, als der Verbleib auf einem so alten Kasten wie der Beecher.“
„Je mehr Zwischenstationen das Schiff einlegt, desto mehr Zeit bleibt uns, um es aufzustöbern.“ Uddington nippte an seinem Earl Grey. Es war leider nicht der Originaltee, aber in einer der neuen Kolonien wurde eine recht passable Sorte gezogen, von der sich der Admiral regelmäßig beliefern ließ.
„Und desto schwieriger wird die Suche zugleich“, gab Koordinatorin Tamilak zu bedenken. „Unsere einzige Trumpfkarte, wenn man es so nennen will, ist die Tatsache, dass wir über zwei funktionierende Prototypen der Nullzeit-Scanner mit einer Reichweite von dreihundert Lichtjahren verfügen.“
Die neuen Scanner waren ihr einziger Hoffnungsschimmer, die Juliette Beecher noch rechtzeitig zu entdecken. Die Radar- und Scanner-Technologie von Menschen, Norsun und Negaruyen ähnelte sich ebenso stark wie die Technik ihrer Antriebe. Alle Scanner arbeiteten mit Taststrahlen, die ungefähr die zwanzigfache Lichtgeschwindigkeit erreichten, was auch der Leistung der Cherkov-Überlichtantriebe entsprach. Die Energie der Taststrahlen wurde allmählich schwächer und die maximale Reichweite betrug zwischen dreißig und, bei den stärksten Geräten, einhundert Lichtjahren. Das schränkte die Möglichkeiten der Scanner ein, ein Raumschiff zu erfassen. Entfernte es sich mit Maximalgeschwindigkeit, so konnte es sein, dass ein Scanner es nicht mehr erreichte, flog es auf diesen zu, dass es gleichzeitig mit dem Echo des Taststrahls eintraf. Zudem bestand das Problem, dass Radar und Scanner nicht durch feste Objekte hindurch arbeiteten und sich ein Raumschiff im Ortungsschatten einer Sonne, eines Planeten, Mondes oder Asteroiden verbergen konnte. Je weiter entfernt es war, desto wahrscheinlicher wurde dies, aufgrund der wachsenden Zahl an Objekten.
Diese Einschränkung galt auch für den neuen Nullzeit-Scanner, der auf Hiromata-Basis arbeitete. Seine Taststrahlen verloren ebenfalls an Energie, reichten jedoch bei den kleinen Geräten immerhin fünfzig und bei den größten dreihundert Lichtjahre in den Raum. Ihr enormer Vorteil war, dass sie dank der Eigenschaften des Hiromata-Kristalls ohne Zeitverlust arbeiteten. Zwischen Aussenden und Empfang des eventuell von einem Objekt reflektierten Taststrahls verging keinerlei messbare Zeit. Damit boten die neuen Scanner der Sky-Navy einen ungeheuren Vorteil gegenüber den anderen Völkern, denn sie verhalfen ihr zu einer Echtzeitbeobachtung mit nicht zu unterschätzender Vorwarnzeit.
Uddington nickte und nippte erneut an seinem Tee. „Allerdings hat Gordon-Gor nun ebenfalls einen unserer neuen Scanner.“
Die Koordinatorin zuckte mit den Schultern. „Ich sehe das nicht dramatisch, Admiral. Der Norsun wird in seinem Flaggschiff nur den Fünfzig-Lichtjahr-Scanner verfügbar haben, denn wir wissen, dass die große Mutter ihre Heimatwelt mit dem stärkeren Gerät schützen will. Wir haben hingegen zwei der Dreihundert-Lichtjahr-Scanner und damit zwei Schiffe, die uns einen enormen Vorteil geben.“
„Womit wir erneut bei dem Punkt sind, wie es uns gelingt, unsere Leute zu finden“, erinnerte Chukov.
„Wir bilden eine Reihe von mehreren Suchgruppen“, erläuterte Uddington seinen Plan. „Jede aus wenigstens zwei Kreuzern bestehend. Worauf es jedoch wirklich ankommt, dass sind jene beiden Suchgruppen, die mit den Langstrecken-Scannern ausgerüstet sind. Einer davon ist weiterhin auf der D.S. Blackwing montiert, dem Tarn-Landungskreuzer der Sky-Cav, die das Gerät bereits im Rylon-System und bei Tensa erfolgreich eingesetzt hat. Das zweite Gerät habe ich zwischenzeitlich von der Blackwing entfernen und auf der D.S. Ivory anbringen lassen, einem der normalen APS-Kreuzer.“
„Warum nicht auf einem Trägerschlachtschiff?“, hakte Doktor Braunfels nach. „Dann wäre der Scanner doch wenigstens auch mit enormer Feuerkraft gepaart, falls es zum Feindkontakt kommt.“
„Das ist richtig, Doktor, aber für mich sprechen zwei Gründe dagegen. Ein Träger ist leichter zu orten und wesentlich auffälliger als ein APS und zieht daher rasch die Aufmerksamkeit auf sich. Die APS haben zudem eine kürzere Ladezeit für den Nullzeit-Antrieb, weswegen wir mit ihnen ein größeres Suchgebiet in kürzerer Zeit absuchen können.“
„Du erwähntest Paarungen, Carl“, schaltete sich Chukov ein. „Welche Schiffe sollen die wertvollen Kreuzer begleiten, welche die Langstrecken-Scanner benutzen? Unsere derzeit einzigen Langstrecken-Scanner, wie ich anmerken muss.“
„Wir bemühen uns, möglichst bald weitere Geräte herzustellen“, versicherte Professor Tamilak. „Ich hoffe, der hohe Rat des Direktorats wird einer Sonderzuteilung aus der Hiromata-Notfallreserve zustimmen.“
Uddington nickte. „Unter den gegebenen Umständen gehe ich davon aus, dass diese Sonderzuteilung erfolgt. Immerhin sind auch drei der bekanntesten Ratsmitglieder in Gefahr. Aber zu deiner Frage … Die Blackwing wird von der Orion unter Captain Jellenkova begleitet und die Ivory von der Collingwood.“
Der Sub-Admiral nickte lächelnd. „Eine ausgezeichnete Wahl. Bewährte Schiffe mit erfahrenen Kommandanten. Abgesehen von den Suchgruppen … Welche Eingreiftruppe schwebt dir vor?“
„Wir haben hier drei einsatzbereite Trägerschlachtschiffe. Ich bilde drei Gruppen mit je einem Träger und acht Kreuzern. Jede der Gruppen wird im Arcturus-System bis knapp unter Lichtgeschwindigkeit beschleunigen und dabei den Hiromata für einen Nullzeit-Sturz aufladen. Bis an die Sicherheitsreserve. Die Ladung kann man rund vier Stunden halten, bis man definitiv in die Nullzeit gehen oder die Kristalle wieder entladen muss, um sie nicht durch Überlastung zu zerstören. Kurz bevor die erste Eingreiftruppe