des Gebirgsrückens gefolgt. Balruk hatte sich erst nach Osten zur roten
Kristallstadt begeben wollen, doch dieser Weg war ihm versperrt gewesen,
denn von dort kamen die Legionen der Orks. Beim Anblick der
herandrängenden Horden war Balruk von einer schmerzlichen Angst um seine
zurückgebliebenen Vettern erfasst worden, und so hatten er und seine Männer
sich dem Feind gestellt und sie für eine Weile aufgehalten. Doch sieben
tapfere Axtschläger waren dabei ums Leben gekommen, und Balruk und seine
drei letzten Begleiter waren nicht stark genug, um einem erneuten Angriff zu
trotzen. So hatten sie sich nun nach Süden gewandt, dem Land der
Menschenwesen entgegen.
»Meint ihr, die Menschenwesen werden uns helfen?« Balruk erwartete
keine Antwort. Sie wussten nicht einmal, ob es überhaupt noch freie
Menschenwesen gab.
Einer der Begleiter kratzte sich ausgiebig im Schritt und stieß ein heiseres
Knurren aus. »Vielleicht vermag der Weiße Zauberer uns zu helfen.«
Weit unten, am Ende der südlichen Gebirgsausläufer, erhob sich der
gewaltige Hammerturm des großen Weißen Zauberers, dem alten Freund der
Menschenwesen und des Zwergenvolkes. Seine Macht war so groß und sein
Zauber so geheimnisvoll wie der Turm, den er bewohnte. Es war ein Gebäude
in der Form eines gewaltigen Hammers, und seine Gestalt verriet dem
Näherkommenden die Macht seines Besitzers, denn egal, von welchem
Standpunkt aus man ihn betrachtete, hatte der Hammerkopf stets die gleiche
Form.
Erneut polterten Steine, und einer der Zwerge beugte sich ein wenig vor.
»Sie kommen. Ich kann zehn und mehr Rundohren erkennen.«
»Dann werden es noch mehr von ihnen sein«, seufzte Balruk. »Kannst du
auch Spitzohren ausmachen?«
Sie verabscheuten die Spitzohren in besonderem Maße, obwohl diese Orks
eine halbwegs passable Größe für die Zwergenkämpfer hatten und man sich
bei ihnen nicht sonderlich recken musste, um den Schädel vom Rumpf zu
trennen. Aber die Spitzohren benutzten Pfeil und Bogen, und diese Waffen
waren den Zwergen nicht geheuer. Die kleinen gefiederten Pfeile trugen weit
und durchschlugen fast jede Rüstung. Zwar kannten die Zwerge Pfeil und
Bogen auch vorher schon, doch waren diese in ihren Höhlen von geringem
Nutzen, und selbst die Trupps, die gelegentlich in der Oberwelt nach Wild
jagten, benutzten die handlichen Wurflanzen.
»Keine Spitzohren«, stellte der Beobachter fest, dann kippte er lautlos
hintenüber, und die anderen sahen den schwarz gefiederten Pfeil, der die
Kehle ihres Gefährten durchbohrt hatte.
»Flieht nach Süden, mein König, und holt Hilfe für unser Volk«, sagte
einer der letzten beiden Axtschläger, der daraufhin die Enden seiner beiden
Bartzöpfe ergriff und sie sorgsam im Nacken verknotete, damit ihn die Zöpfe
beim Kampf nicht behinderten.
»Wir werden es hier austragen«, erwiderte Balruk grimmig.
»Nein, mein König.« Der Axtschläger schüttelte entschlossen den Kopf.
»Das ist unsere Aufgabe. Die Eure ist es, mit Hilfe zurückzukehren und
unsere grüne Kristallstadt wieder zu befreien.«
Balruk stieß einen grimmigen Fluch aus, denn seine Begleiter hatten recht.
»Möget ihr reiche Schürfgründe finden, meine Freunde.«
»Möge das Strahlen der Kristalle Eure Augen erleuchten«, erwiderten die
Axtschläger gleichzeitig.
Die beiden Zwergenmänner duckten sich hinter die Felsen, um den Pfeilen
kein Ziel zu bieten, und warteten in grimmigem Schweigen auf den Feind.
Balruk wandte sich ab und begann den Pfad entlangzuhasten, so schnell ihn
seine schmerzenden Beine trugen.
Er hörte aufbrandendes Geschrei hinter sich und wusste, dass seine
Axtschläger nun ihrem Namen gerecht wurden, hoffend, dass sie möglichst
viele der Bestien in den feurigen Schlund hinabschickten. Sie verschafften
ihm ein wenig Zeit, und er musste diese Zeit nutzen. Seine Beine stampften
über den Pfad, und obwohl Zwerge nie über lange Strecken liefen, waren sie
naturgemäß geschickte Kletterer. Sie waren es gewohnt, in ihren
Höhlensystemen zu den entlegensten Stellen vorzudringen und ihre Stollen
tief in das Gestein zu treiben. Balruk spürte fast instinktiv, welche Stellen des
Pfades ihn trugen und welche er meiden musste. Seine Augen huschten über
den Weg, und er wusste, dass die Dunkelheit seinen Schritt verlangsamen
würde.
Der Schlag traf Balruk vollkommen unvorbereitet und ließ ihn einen
heiseren Schrei ausstoßen. Die Wucht des Aufpralls war nicht einmal
besonders groß, aber Balruk wusste sofort, dass er von einem Pfeil getroffen
worden war, der seine Rüstung am Rücken durchschlagen hatte und tief in
seine Schulter eingedrungen war.
Sein rechter Arm wurde sofort taub, weshalb Balruk seine Streitaxt in die
linke Hand nahm und sich mit einem erneuten Aufschrei umwandte, um sich
dem Feind zu stellen. Er erblickte ein Spitzohr, das in einiger Entfernung auf
dem Pfad stand. Die rötlichen Augen des Wesens schienen triumphierend zu
glühen. Balruk sah, wie der Ork einen weiteren Pfeil auf seinen Bogen legte,
wich aber erst aus, als der Pfeil gelöst wurde. Die eiserne Spitze klatschte
neben ihm an einen Stein, woraufhin der Ork fluchend auf Balruk zuhastete,
um eine günstigere Schussposition zu finden. Balruk stieß einen
kampfeslustigen Schrei aus und schwang die Axt mit seinem gesunden Arm.
Er vermochte dem Pfeil nicht davonzulaufen, aber er konnte die Distanz zum
Gegner verringern und das Spitzohr vielleicht zu einem übereilten Schuss
verleiten. Unter Umständen kam er dann schnell genug heran, um seine Axt
zwischen die aufgerissenen Fänge des Orks zu schlagen.