Oblomow. Iwan Gontscharow. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Iwan Gontscharow
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753126463
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Versehens etwas verlegen geworden, fand aber schnell einen anderen Grund, um seinem Diener einen Vorwurf zu machen.

      »Wie du überall für Reinlichkeit sorgst! Ist das hier ein Staub und Schmutz, mein Gott! Da, da, sieh mal in die Ecken – nichts tust du!«

      »Na, wenn ich nichts tue . . .« begann Sachar in gekränktem Tone. »Ich gebe mir die größte Mühe und schone mein Leben nicht! Fast alle Tage fege ich aus und wische Staub . . .« Er wies auf die Mitte des Fußbodens und auf den Tisch, an dem Oblomow immer zu Mittag aß.

      »Da, da«, sagte er: »alles ist reingefegt und aufgeräumt, wie zu einer Hochzeit . . . Was wollen Sie noch mehr?«

      »Aber was ist das da?« unterbrach ihn Ilja Iljitsch, indem er auf die Wände und die Zimmerdecke wies. »Und das? Und das?« Er wies auf das seit dem vorhergehenden Tage herumliegende Handtuch und auf den auf dem Tische vergessenen Teller mit einem Stücke Brot.

      »Na, das will ich gern wegräumen«, versetzte Sachar herablassend und nahm den Teller.

      »Nur das! Und der Staub an den Wänden, und die Spinnweben?« sagte Oblomow, auf die Wände weisend.

      »Das beseitige ich zur Osterwoche; dann säubere ich den Heiligenschrein und nehme die Spinnweben ab . . .«

      »Und wann fegst du die Bücher und die Bilder ab?«

      »Die Bücher und die Bilder vor Weihnachten; dann nehme ich mit Anisja alle Schränke vor. Jetzt aber, wann soll ich da aufräumen? Sie sitzen ja immer zu Hause!«

      »Ich gehe doch manchmal ins Theater und auf Besuch; da könntest du . . .«

      »Wie kann ich bei Nacht reinmachen!«

      Oblomow sah ihn vorwurfsvoll an, schüttelte den Kopf und seufzte; Sachar aber blickte gleichmütig durch das Fenster und seufzte ebenfalls. Der Herr schien zu denken: »Na, Bruder, du bist noch ein ärgerer Oblomow als ich selbst«; Sachar aber dachte ungefähr: »Du lügst! Du verstehst dich nur darauf, geschickte, klägliche Worte zu sagen; aber im Grunde sind dir der Staub und die Spinnweben ganz gleichgültig.«

      »Weißt du wohl«, sagte Ilja Iljitsch, »daß infolge des Staubes sich Motten einnisten? Ich sehe manchmal sogar eine Wanze an der Wand!«

      »Bei mir sind auch Flöhe!« erwiderte Sachar gleichmütig.

      »Ist das etwa schön? Das ist doch eine Schmutzerei!« bemerkte Oblomow.

      Sachar lächelte über das ganze Gesicht, so daß das Lächeln sogar die Augenbrauen und den Backenbart erfaßte und dieser sich nach den Seiten auseinanderteilte und das ganze Gesicht bis an die Stirn hinauf wie ein roter Fleck aussah.

      »Was kann ich dafür, daß es auf der Welt Wanzen gibt?« sagte er mit naiver Verwunderung. »Habe ich sie etwa erfunden?«

      »Das kommt von der Unreinlichkeit her«, unterbrach ihn Oblomow. »Was redest du immer für Unsinn!«

      »Auch die Reinlichkeit habe ich nicht erfunden.«

      »In deinem Zimmer laufen nachts Mäuse umher; ich höre es manchmal.«

      »Auch die Mäuse habe ich nicht erfunden. Diese Geschöpfe, wie Mäuse, Katzen, Wanzen, gibt es überall die Menge.«

      »Warum gibt es denn bei anderen Leuten weder Motten noch Wanzen?«

      Auf Sachars Gesicht malte sich ein mißtrauischer Zweifel, oder, richtiger gesagt, eine ruhige Überzeugung, daß dem nicht so sei.

      »Bei mir gibt es von alledem viel«, erwiderte er hartnäckig. »Auf jede Wanze kann man nicht aufpassen; in die Ritzen kann man ihnen nicht nachkriechen.«

      Aber im stillen schien er zu denken: »Und was wäre das auch für ein Schlafen ohne Wanzen?«

      »Fege aus, räume den Schmutz aus den Winkeln heraus; dann wird nichts mehr da sein«, belehrte ihn Oblomow.

      »Heute räumt man ihn heraus, und morgen liegt wieder alles voll«, antwortete Sachar.

      »Es wird nicht vollliegen«, unterbrach ihn der Herr; »das ist nicht nötig.«

      »Es wird vollliegen, das weiß ich«, entgegnete der Diener beharrlich.

      »Nun, und wenn es vollliegt, dann fege wieder aus.«

      »Was? Alle Tage soll ich in allen Winkeln herumarbeiten?« fragte Sachar. »Was ist das für ein Leben? Da möchte ja Gott lieber meine Seele zu sich nehmen!«

      »Warum ist es denn bei anderen Leuten rein?« erwiderte Oblomow. »Wirf mal einen Blick in die Wohnung des Klavierstimmers uns gegenüber: es ist eine wahre Freude, das zu sehen; und dabei haben sie nur ein einziges Dienstmädchen . . .«

      »Aber wo soll auch bei diesen Deutschen Schmutz herkommen?« entgegnete Sachar schnell. »Sehen Sie nur, wie die Leute leben! Die ganze Familie nagt die ganze Woche über an einem Knochen. Wenn der Vater einen Rock abgetragen hat, so bekommt ihn der Sohn, und vom Sohne übernimmt ihn wieder der Vater. Die Frau und die Töchter tragen kurze Kleider und ziehen immer die Füße an den Leib wie die Gänse . . . Wo soll bei denen Schmutz herkommen? Bei denen ist es nicht so wie bei uns, daß ein Haufen alter abgetragener Kleider jahrelang in den Schränken liegt und sich im Winter eine ganze Ecke voll Brotrinden ansammelt . . . Bei denen liegt nicht einmal eine Brotrinde unnütz herum: sie machen sich Zwieback daraus und trinken ihn im Bier!« Sachar spuckte bei seiner Kritik einer so knauserigen Lebensweise sogar durch die Zähne aus.

      »Es hat keinen Zweck, darüber hin und her zu reden!« versetzte Ilja Iljitsch. »Räume lieber auf!«

      »Ich würde manchmal gern aufräumen; aber Sie selbst machen es mir ja unmöglich«, sagte Sachar.

      »Die alte Leier! Naja, immer bin ich das Hindernis.«

      »Gewiß sind Sie das! Immer sitzen Sie zu Hause; wie soll ich da in Ihrer Anwesenheit aufräumen? Gehen Sie mal auf einen ganzen Tag weg, dann werde ich aufräumen.«

      »Na, da hast du dir wieder mal etwas Schönes ausgedacht: ich soll ausgehen! Mach lieber, daß du auf dein Zimmer kommst.«

      »Nein, wirklich!« versetzte Sachar beharrlich. »Wenn Sie zum Beispiel heute ausgingen, würden Anisja und ich alles aufräumen. Aber zu zweien würden wir es nicht schaffen: wir müßten noch ein paar Frauen annehmen, um alles zu scheuern.«

      »Was sind das für Einfälle: Frauen annehmen! Scher' dich auf dein Zimmer!« sagte Ilja Iljitsch.

      Es tat ihm schon leid, daß er Sachar zu diesem Gespräche herausgefordert hatte. Er vergaß immer, daß er sich durch jede Berührung dieses heiklen Gegenstandes mit Notwendigkeit Verdrießlichkeiten zuzog.

      Oblomow hätte es gern gesehen, daß alles sauber wäre; aber er hätte gewünscht, daß das unmerklich, von selbst zustande käme; Sachar aber fing immer eine große Rederei an, sobald von ihm verlangt wurde, er solle den Staub ausfegen, den Fußboden scheuern und so weiter. Er begann in solchem Falle die Notwendigkeit eines gewaltigen Getreibes im Hause zu beweisen, da er sehr gut wußte, daß der bloße Gedanke daran seinen Herrn in Schrecken versetzte.

      Sachar ging hinaus; Oblomow aber versank wieder in seine Überlegungen. Nach einigen Minuten schlug es wieder halb. »Was ist das?« sagte Ilja Iljitsch ordentlich erschrocken. »Es ist bald elf, und ich bin noch nicht aufgestanden und habe mich noch nicht gewaschen? Sachar, Sachar!«

      »Ach, du mein Gott! Schon wieder!« erscholl es aus Sachars Stube, und dann kam das bekannte Geräusch des Sprunges.

      »Ist alles zum Waschen bereit?« fragte Oblomow.

      »Schon längst!« antwortete Sachar. »Warum stehen Sie nicht auf?«

      »Warum sagst du es mir denn nicht, daß alles bereit ist? Dann wäre ich schon längst aufgestanden. Geh nur; ich komme gleich nach. Ich habe zu tun; ich werde mich hinsetzen und schreiben.«

      Sachar ging hinaus, kehrte aber eine Minute darauf mit einem vollgeschriebenen fettigen Hefte und einigen Papierblättern zurück.

      »Da!