Oblomow. Iwan Gontscharow. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Iwan Gontscharow
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753126463
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      Er dachte ein wenig nach und begann zu schreiben.

      »Die Wohnung, welche ich im zweiten Stock des Hauses innehabe, in welchem Sie einige bauliche Veränderungen vorzunehmen beabsichtigen, entspricht völlig meiner Lebensweise und den Gewohnheiten, welche ich mir infolge des langen Wohnens in diesem Hause angeeignet habe. Da ich durch meinen leibeigenen Diener Sachar Trosimow erfahre, daß Sie mir haben mitteilen lassen, daß die von mir gemietete Wohnung . . .«

      Oblomow hielt inne und las das Geschriebene durch.

      »Das ist ungeschickt«, sagte er. »Da steht zweimal hintereinander ›daß‹ und dort zweimal ›welcher‹.

      Er flüsterte etwas vor sich hin und stellte die Worte um: nun kam es so heraus, daß sich »welcher« auf »Stock« bezog – was wieder unbeholfen war. Er korrigierte das, so gut es ging, und begann darüber nachzudenken, wie er das doppelte »daß« vermeiden könne. Bald strich er das Wort aus, bald schrieb er es wieder hin. Wohl dreimal stellte er das »daß« um; aber es kam entweder ein Unsinn heraus oder eine zu nahe Nachbarschaft mit dem andern »daß«.

      »Daß ich dieses andere ›daß‹ auch gar nicht loswerden kann!« sagte er ungeduldig. »Ach was! Hol' der Teufel diesen ganzen Brief! Soll ich mir hier den Kopf über solche Lappalien zerbrechen? Ich bin es nicht mehr gewohnt, Geschäftsbriefe zu schreiben. Und jetzt ist es schon bald drei Uhr.«

      »Sachar, da hast du es!« Er zerriß den Brief in vier Stücke und warf sie auf den Fußboden.

      »Siehst du es?« fragte er.

      »Ja, ich sehe es«, antwortete Sachar und sammelte die Papierfetzen auf.

      »Also setze mir nicht mehr mit der Wohnung zu. Aber was hast du denn da?«

      »Die Rechnungen.«

      »Ach, du großer Gott! Du zermarterst mich ganz! Na, wieviel ist es denn? Sag' schnell!«

      »Der Fleischer hat 84 Rubel 54 Kopeken zu bekommen.«

      Ilja Iljitsch schlug vor Erstaunen die Hände zusammen.

      »Hast du den Verstand verloren? Schon allein der Fleischer einen solchen Haufen Geld?«

      »Sie haben drei Monate lang nicht bezahlt; da wird es eben ein Haufen! Hier steht es alles aufgeschrieben; Betrug ist nicht dabei!«

      »Na, und Du willst kein giftiger Mensch sein?« sagte Oblomow. »Für eine Million Rindfleisch hat er gekauft! Ist denn dein Bauch eine Scheune, daß so viel hineingeht? Wenn ich nur wenigstens etwas davon gehabt hätte!«

      »Ich habe es nicht aufgegessen«, antwortete Sachar grob.

      »Nein, du hast es nicht gegessen!«

      »Warum machen Sie mir mein bißchen tägliches Brot zum Vorwurf? Da, sehen Sie weiter!«

      Und er hielt ihm die Rechnungen hin.

      »Nun, wer hat denn noch etwas zu bekommen?« fragte Ilja Iljitsch und stieß die unsauberen Büchelchen ärgerlich von sich.

      »Der Bäcker und der Gemüsehändler zusammen 121 Rubel 18 Kopeken.«

      »Das ist ja mein Ruin! Das ist ja unerhört!« rief Oblomow ganz außer sich. »Bist du denn eine Kuh, daß du soviel Grünzeug zusammenfaßt?«

      »Nein, ich bin ein giftiger Mensch!« bemerkte Sachar bitter und drehte sich so herum, daß er seinem Herrn nur die Seite zuwandte. »Wenn Sie Michei Andrejewitsch nicht so oft zu sich gelassen hätten, würde weniger herauskommen«, fügte er hinzu.

      »Na, wieviel macht das alles zusammen? Rechne es mal aus!« sagte Ilja Iljitsch und fing selbst an zu rechnen.

      Sachar stellte dieselbe Berechnung an den Fingern an.

      »Weiß der Teufel, was da für ein Unsinn herauskommt: jedesmal etwas anderes!« sagte Oblomow. »Na. wieviel hast du denn heraus? Zweihundert, wie?«

      »Warten Sie nur, lassen Sie mir Zeit!« antwortete Sachar brummend mit zusammengekniffenen Augen. »Acht Zehner und zehn Zehner sind achtzehn Zehner, und noch zwei Zehner . . .«

      »Na, auf die Art wirst du im Leben nicht fertig«, sagte Ilja Iljitsch. »Geh auf dein Zimmer; die Rechnungen gib mir morgen und sorge für Papier und Tinte . . . So ein Haufen Geld! Ich habe doch gesagt, es soll in kleinen Posten bezahlt werden – aber nein, er will durchaus, daß alles auf einmal bezahlt wird . . . so ein Volk!«

      »Zweihundertfünf Rubel zweiundsiebzig Kopeken«, sagte Sachar, der mit der Addition fertig geworden war. »Bitte, geben Sie mir das Geld!«

      »Na, so was! Will er das Geld sofort haben! Warte noch: ich will die Rechnungen morgen prüfen . . .«

      »Wie Sie wollen, Ilja Iljitsch; aber die Leute möchten ihr Geld haben . . .«

      »Nun, nun, hör' nur auf! Ich habe gesagt: morgen; also wirst du es morgen bekommen. Geh auf dein Zimmer; ich werde arbeiten; ich habe wichtigere Sorgen.«

      Ilja Iljitsch setzte sich auf einen Lehnstuhl, zog die Beine unter den Leib und wollte sich gerade seinen Gedanken überlassen, als die Klingel ertönte.

      Es erschien ein Mann von kleiner Statur, mit einem mäßigen Bäuchlein, weißem Gesichte, roten Backen und einer Glatze, die im Nacken von dichten schwarzen Haaren wie von Fransen umgeben war. Diese Glatze war rund, rein und glänzte so, als wäre sie aus Elfenbein gedrechselt. Charakteristisch für das Gesicht des Besuchers war ein besorgter, prüfender Ausdruck allem gegenüber, was er ansah, ein zurückhaltender Blick, ein maßvolles Lächeln und ein diskreter, berufsmäßiger Anstand.

      Er trug einen bequemen Frack, der sich fast schon bei einer bloßen Berührung weit und gemächlich wie ein Tor öffnete. Seine Wäsche war von einer so blendenden Weiße, als ob sie mit der Glatze harmonieren sollte. Am Zeigefinger der rechten Hand steckte ein dicker goldener Ring mit einem dunklen Stein.

      »Doktor! Welcher glückliche Zufall führt Sie her?« rief Oblomow, streckte dem Gaste die eine Hand hin und zog mit der andern einen Stuhl heran.

      »Es wurde mir langweilig, daß Sie immer gesund sind und mich nicht rufen lassen, und da bin ich von selbst hergekommen«, antwortete der Arzt scherzend. »Nein«, fügte er dann ernst hinzu, »ich war hier oben bei Ihrem Nachbar, und da wollte ich doch auch einmal zu Ihnen hereinschauen.«

      »Sehr dankbar. Wie geht es denn dem Nachbar?«

      »Wie soll es ihm gehen? Die Geschichte wird sich noch drei, vier Wochen, vielleicht auch bis zum Herbst hinziehen; aber dann . . . wird die Wassersucht in die Brust steigen: das bekannte Ende. Nun, und wie geht es Ihnen?«

      Oblomow schüttelte traurig den Kopf

      »Schlecht, Doktor. Ich habe selbst schon daran gedacht, Sie um Rat zu fragen. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Mein Magen verdaut fast gar nicht; unter der Herzgrube fühle ich einen Druck; ich leide an quälendem Sodbrennen, das Atmen fällt mir schwer . . .« sagte Oblomow mit kläglicher Miene.

      »Geben Sie Ihre Hand her!« sagte der Arzt, faßte den Puls und schloß eine Minute lang die Augen. »Husten Sie?« fragte er.

      »Ja, des Nachts; besonders wenn ich zu Abend gegessen habe.«

      »Hm! Haben Sie häufig Herzklopfen? Kopfschmerzen?«

      Der Arzt stellte noch mehr Fragen ähnlicher Art; dann neigte er seine Glatze und dachte tief nach. Nach zwei Minuten hob er plötzlich den Kopf in die Höhe und sagte in entschiedenem Tone:

      »Wenn Sie noch zwei, drei Jahre in diesem Klima leben, immer stilliegen und fette, schwere Sachen essen – so werden Sie am Schlagfluß sterben.«

      Oblomow fuhr zusammen.

      »Was soll ich denn tun? Belehren Sie mich, um Gotteswillen!« bat er.

      »Dasselbe, was andere Leute tun: ins Ausland reisen.«

      »Ins Ausland!« wiederholte Oblomow erstaunt.

      »Ja; was ist dabei?«