Am 13. August 1961 wurde die Berliner Mauer errichtet. Im SED-Jargon hieß sie „antifaschistischer Schutzwall“. Besonders in Berlin und Umgebung wirkte dieses Monstrum wie ein psychischer Schock.
Von Ostberlin aus sah man zuerst die aus Beton errichtete Hinterlandsmauer. Dahinter befand sich der Grenzsignalzaun, der Anlagen zum Entdecken eines Flüchtlings installiert hatte. Wer diesen überwunden hatte, konnte mit seinen Füßen auf einer mit scharfen Nägeln gespickten Flächensperre landen und sich erheblich verletzen. An anderen Stellen waren hier auch Höckersperren, dreibeinige Stahlkonstruktionen aufgestellt. Darauf folgten die Beobachtungstürme und Führungsstellen. Eine Lichttrasse erhellte grell die Grenze nachts.
Auf dem dann folgenden Kolonnenweg fuhren die Grenzer ihre Kontrollstrecke ab. Nun folgte der Kontrollstreifen, der jeden Fußabdruck sichtbar machte und danach die KFZ-Sperre, eine Art schräglaufender Graben.
Erst jetzt kam das, was die Westberliner als Mauer bezeichneten und ein Eldorado für viele Graffiti-Sprayer war. Erst danach kam die eigentliche Grenzlinie. Die Grenzanlagen lagen alle auf dem Territorium der DDR oder Ostberlins.
Dieses Land für die Grenze musste erst einmal zur Verfügung stehen.
So verschwanden in Berlin ganze Häuserzeilen, Straßen und Kleingartenanlagen. Auch vor Kirchen und Friedhöfen machte man nicht halt. Die dort Wohnenden wurden zwangsevakuiert.
Dass die Mauer gegen die eigene Bevölkerung in der DDR gerichtet war, erkannte man am Grenzsignalzaun und den brutalen Flächensperren. Wenn sich der Staat gegen den „faschistischen“ Westen hätte schützen wollen, wie er es mit der Formulierung „antifaschistischer Schutzwall“ behauptete, wären die Grenzanlagen umgekehrt strukturiert gewesen.
Die Lüge war so dummdreist, dass sich die SED damit kaum Freunde schaffen konnte.
Schlimm für die Berliner war, dass Ulbricht ein Jahr später dieses Monstrum auch noch feiern ließ durch den Aufmarsch von Angehörigen der 1956 gebildeten Nationalen Volksarmee und Kampfgruppen der Betriebe. Letztere waren überwiegend Mitglieder der SED, die sonst in verschiedenen Berufszweigen innerhalb der Volkseigenen Betriebe als Arbeiter beschäftigt waren. Sie hatten den Staat bei der Errichtung der Mauer unterstützt.
Die Armee war eine Folge des Beitritts der DDR zum Warschauer Pakt 1955, der ein Militärbündnis des Ostblocks gegen die westliche NATO darstellte. Somit standen sich in Europa wieder feindliche Militärbündnisse gegenüber. Hinter dem Bau der Mauer stand somit die geballte Militärmacht der Warschauer Vertragsstaaten: Sowjetunion als Führungsmacht, Polen, Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und DDR.
Für Deutschland entwickelte die DDR 1964 die Theorie, dass sich das Land in drei Staaten teile, die DDR, die Bundesrepublik und Westberlin. Die DDR-Staatsbürgerschaft wurde 1967 Gesetz (vorher „Staatsbürgerschaft: deutsch“).
Da der Westen nicht überholt werden konnte, proklamierte der 6. Parteitag der SED im Januar 1963 das „Neue ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft“ (NÖSPL). Es wurden Gewinnanreize geschaffen und wirtschaftliche Experimente zugelassen. Der dadurch verursachte wirtschaftliche Aufschwung führte die DDR an die Spitze der Ostblockstaaten.
Auch im Kulturschaffen war eine Lockerung zu bemerken. Im Film „Das Kaninchen bin ich“ wurde sogar eine etwas freizügige Liebesszene gezeigt. Die Beatles begannen auch die DDR-Jugend zu begeistern. Ulbricht befürchtete, dass diese Musik die jungen Leute zu Exzessen aufputschen könnte. 1965 folgte der kulturelle Kahlschlag. Der oben erwähnte Film wurde wegen angeblicher Pornographie kritisch von der SED-Führung zerrissen und auch andere DEFA-Produkte (DEFA - Deutsche Film AG - DDR-Filmfabrik in Potsdam-Babelsberg) wurden verboten, Künstler und Schriftsteller reglementiert. Alle musikalischen Auftritte bedurften nun einer staatlichen Erlaubnis.
Gesellschaftskritik wurde mit manchmal brutalen Mitteln unterdrückt. Schriftsteller und andere Künstler, die noch keinen Namen hatten, wurden unter menschenunwürdigen Bedingungen inhaftiert oder besonders von der Stasi beobachtet.
1968 wurde Alexander Dubcek Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei. Er wollte einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz schaffen. Im Nachbarland konnte nun jeder frei seine Meinung sagen, ohne dass er sofort verhaftet wurde. Im Rundfunk diskutierte man sehr offen über die weitere Entwicklung des Landes, über Menschenrechte, Reisefreiheit und Gestaltung der Demokratie. Die dort gewonnene Freiheit begann auch die DDR-Bürger zu beeinflussen. Die DDR-Medien fanden für diese Entwicklung nur einen Begriff: Konterrevolution.
Im Sommer 1968 zerschlugen die Truppen der Warschauer Vertragsstaaten den Versuch eines menschlichen Sozialismus. Die Sympathien und das Gedächtnis an den Prager Frühling konnten sie aber nicht beseitigen.
Im März 1970 trafen sich in Erfurt Bundeskanzler Willy Brandt und der Vorsitzende des DDR-Ministerrates Willy Stoph zu Gesprächen auf höchster Ebene. Blamabel für Stoph war, dass die DDR-Bürger den westdeutschen Bundeskanzler umjubelten. Das Ereignis zeigte auch, dass die zunehmende Abkehr der SED vom Einheitsbegriff der „deutschen Nation“ damit in Frage gestellt wurde.
Im Mai 1971 trat Ulbricht aus „Altersgründen“ zurück.
Sein Nachfolger wurde Erich Honecker.
Unter ihm gelang es, die DDR zunehmend aus der außenpolitischen Isolation herauszubringen, die auch eine Folge der unter Bundeskanzler Adenauer vertretenen Hallstein-Doktrin war, wonach die Bundesrepublik die Alleinvertretung Nachkriegsdeutschlands beanspruchte.
Allen Staaten, die mit der DDR Verbindungen aufnahmen, wurden diplomatische Beziehungen mit der Bundesrepublik verweigert.
1971 wurden Reisen nach Polen und die Tschechoslowakei pass- und visumfrei möglich.
1972 wurde der „Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der BRD und der DDR“ (Grundlagenvertrag) abgeschlossen. Damit endete die außenpolitische Isolation der DDR.
Ein Jahr später wurde die DDR sogar Mitglied der UNO. Als Folge davon nahmen jetzt auch viele westliche Staaten diplomatische Beziehungen mit ihr auf. Das erkühnte die Volkskammer der DDR, die Verfassung vom April 1968 zu verändern. „Deutschland“ und „deutsche Nation“ wurden aus dem Verfassungstext gestrichen und eine „sozialistische Nation“ proklamiert. Zudem band man sich fest an die Sowjetunion. Der Wiedervereinigung erteilte man damit eine Absage.
Die erwarteten Reisefreiheiten wurden nicht erfüllt. Zwar wurde das Einkommen der arbeitenden Menschen und die Renten erhöht, das Angebot an Industriewaren billiger, Arbeitszeitverkürzungen eingeführt und auch ein Wohnungsbauprogramm beschlossen, aber die bürgerlichen Freiheiten stießen immer noch an ihre Grenzen.
Am 1. August 1975 unterzeichnete die DDR die Schlussakte der KSZE (Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) in Helsinki. Hier bekannte sich auch Honecker für die Einhaltung der Menschenrechtscharta der UN, die er mit Wort und Tat zu erfüllen versprach.
Die Hoffnungen der DDR-Bürger, dass die Grenzen nun durchlässiger werden, erfüllten sich nicht. Die Mauer widersprach allen euphorischen Argumenten.
Nach der KSZE-Schlussakte häuften sich die Anträge auf ständige Ausreise und Familienzusammenführung. Entgegen den Beteuerungen Honeckers wurden die Antragsteller diskriminiert, verloren ihre Arbeit, wurden als Staatsfeinde, Klassenfeinde und Verräter diffamiert. Da es in der DDR offiziell keine Arbeitslosen gab und damit auch kein Arbeitslosengeld, mussten diese Menschen vom Verkauf ihrer Habseligkeiten leben. In den krassesten Fällen wurden sie sogar vor Gericht gestellt.
Wie bei den Nazis gab es die „Sippenhaft“. So konnte jemand beruflich nicht mehr vorwärtskommen, weil sein Bruder per Antrag in den Westen übergesiedelt war.
Die diplomatische Öffnung nach außen führte auch zu einem größeren Bedarf an Devisen. Hochwertige DDR-Industriewaren wurden unter dem Preisniveau in den Westen exportiert. BRD-Bürger mussten für die Einreise einen Tagessatz bezahlen. Besonders schändlich war der Handel um den Freikauf von Häftlingen aus DDR-Haftanstalten.
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