Lost Vampire. Beth St. John. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Beth St. John
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847663355
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nieder und lehnte sich mit dem Rücken an Georges Knie. Selbst durch diese leichte Berührung spürte er ihre Wärme.

      „Und der Wächter?“, wollte der Vampir dann wissen.

      „James ist praktisch in dem Moment aufgetaucht, als ich mich zum zweiten Mal in die Gestalt unserer Katze verwandelt hatte und hat seitdem ein Auge auf mich. Oder was immer Wächter genau tun. Er hilft mir dabei, die Kontrolle über mich zu behalten und nicht so viele Ausrutscher zu haben.“

      George kommentierte Evers Erklärung nicht. Der Vampir sah James keineswegs in so positivem Licht und misstraute ihm. Denn alle Wächter waren übernatürliche Wesen, die zwar sehr unauffällig unter den Menschen lebten, jedoch auf unerklärliche Weise für das Gleichgewicht von Gut und Böse sorgten. Dies bedeutete dementsprechend, dass ihr Handeln und ihre Absichten nicht immer zugunsten des Guten ausfielen. Es ging schlicht um das Gleichgewicht der Kräfte – nicht mehr und auch nicht weniger.

      „Ich hoffe, du verstehst das. James ist so etwas wie ein Vater für mich“, setzte sie hinterher, nachdem er für einen Moment nichts antwortete.

      „Hast du nicht einen Vater, der so etwas wie ein Vater für dich ist?”, fragte George skeptisch.

      „Michael ist mein Dad in der normalen Welt, James in der übernatürlichen“, meinte sie beiläufig. „Aber lass' uns nicht die ganze Zeit über diesen langweiligen Alltagskram reden. Ich wollte dir eigentlich was Spannendes zeigen und ein bisschen Spaß haben.“

      Noch bevor George wirklich auf die merkwürdige Ankündigung reagierte, kauerte Ever sich auf dem Boden neben ihm zusammen. Er hörte ihren beschleunigten Herzschlag und das feine Zerren von Sehnen und Muskeln. Ihre Verwandlung dauerte nicht lange an, sondern war ein fließender Ablauf einfacher Bewegungen. Nach wenigen Sekunden stupste ihn eine kalte Schnauze auffordernd ans Schienbein. Zuerst hielt er das Tier für einen kleinen Fuchs, doch ihr Aussehen changierte. Ever bellte ihn einmal an, dann rannte sie los.

      Ohne einen weiteren Gedanken darüber zu verlieren, folgte er ihr. Der Kojote war schnell und bewegte sich mit spielerischer Leichtigkeit durch die zerklüftete Landschaft. Ever kletterte über versteinerte Baumstümpfe, hastete durch enge Schluchten und verschwand in kleinen Höhlen und Felsvorsprüngen, nur um weit voraus wieder aufzutauchen. Das Tier bellte und heulte und George war sich ziemlich sicher, dass Ever sich über ihn lustig machte.

      Es brauchte nicht viel seiner Kraft, um mit der Tiergestalt Schritt zu halten. Mit seiner Geschwindigkeit machte er fünf Schritte für einen der ihren und selbst das Tempo des schnellen Vierbeiners änderte daran wenig. Schwerer war es, sie nicht aus den Augen zu verlieren. Im Petrified Forest wimmelte es von Wildtieren, die nun aufgescheucht von Evers Umwegen zum Leben erwachten. Gerade wenn der Vampir sich sicher war, auf der Spur des Kojoten zu sein, entpuppte es sich nur als eine fremde Fährte und Ever tauchte weit von ihm entfernt auf.

      George spürte das Leben durch seinen Körper fließen, wie es ihm in den letzten Jahren fremd geworden war. Als Vampir brauchte er höchstens einen Bruchteil seiner Kraft, um bequem sein Dasein zu bestreiten. Die wilde Hetzjagd mit Ever hingegen öffnete lang verschlossene Türen und mit jeder Sekunde schärften sich seine Sinne wie ein Messer am Schleifstein. Er wusste nicht, wie lange sie gerannt waren, als er sich über die Lippen leckte und fast selbst an den entblößten Fangzähnen schnitt.

      „Stopp“, rief er halb zu sich, halb nach außen.

      Der Vampir kam mitten auf einem flachen Plateau zum Stehen und wäre als Mensch vermutlich ziemlich außer Atem gewesen. Stattdessen stand George regungslos und still und spürte das Monster von innen an die Fassade hämmern. Langsam ließ er sich nieder und schloss die Augen. Er witterte, wie das Mädchen näher kam, und der Geruch ihrer menschlichen Gestalt brannte in seiner Kehle.

      „Alles in Ordnung?“ Ihre Stimme klang besorgt, doch sie kam sofort auf ihn zu und legte eine Hand auf seine Schulter.

      „Du hast wirklich Feuer, wo deine Vorsicht sein sollte, Ever“, antwortete der Vampir. „Ich brauche einen Augenblick“, ergänzte er und streifte ihre Hand sachte von seiner Schulter. „Ich habe in der Eile vergessen zu trinken, bevor ich James und dich getroffen habe.“

      „Du meinst Blut?“, hakte Ever nach und er bemerkte wie ihr Herzschlag kurz stolperte.

      Er antwortete nur mit einem Nicken und verbarg seinen Kopf zwischen den verschränkten Armen. Es musste das erste Mal in diesem Jahrzehnt sein, dass er seine Routinen derart vernachlässigte. Vielleicht ging die Umstellung zu schnell.

      „Oh“, brachte Ever heraus. Sie verlagerte ihr Körpergewicht einige Male unsicher und kniete sich dann direkt neben ihm auf den Boden. „Wenn es sehr gefährlich für dich ist, dann kann ich dir …“

      „Bei allem, was mir lieb und teuer ist, nein!“, wehrte George energisch ab und starrte sie entgeistert an. Sie erwiderte fragend seinen Blick. Nach außen wirkte die Gestaltwandlerin ruhig, doch ihr Puls verriet etwas mehr.

      „Wie kannst du mir so etwas aus Notwendigkeit anbieten? Das ist, als würdest du mit mir ins Bett gehen, weil ich die Grippe habe!“, sagte George streng.

      „Hey, du hast ja Humor“, bemerkte Ever und verzog einen Mundwinkel zum Grinsen. „Dann kann es ja nicht ganz so schlimm sein.“

      „Es geht gleich wieder.“ Das Hämmern in seinem Inneren verlor sich in ein Pochen zwischen seinen Schläfen. Das Monster zog sich langsam wieder dorthin zurück, wo es immer lauerte. Nach einigen Minuten des Schweigens gestand er leise: „Ich will keine Gefahr für dich sein, Ever.“

      „Ich zittere.“

      „Das solltest du.“ George meinte es ernst, doch Ever setzte sich unerschrocken ganz dicht neben ihn.

      „Du hast wirklich keinen Funken Angst vor mir?“ Es war weniger eine Frage als die Erkenntnis, welche George in dem Moment hatte, als er sie aussprach.

      „Nicht annähernd genug.“ Vom einen Moment auf den anderen flachte ihr Ton zu einem Flüstern ab. Sie hatte die Knie angezogen und legte den Kopf auf die darüber verschränkten Arme. „Es ist einfach befreiend, mit jemandem so offen sein zu können, George.“

      „Ich könnte dich verletzen“, warnte er und wusste, dass er ihr nichts Neues erzählte.

      „Das beruht auf Gegenseitigkeit“, entgegnete Ever frech.

      „Es ist nicht dasselbe.“ Er seufzte.

      „Ich bin bereit, es darauf ankommen zu lassen.“ Jetzt grinste sie verführerisch und rutschte noch ein Stück näher an ihn heran.

      „Wovon versuchst du mich gerade zu überzeugen?“

      „Dass ich kein blauäugiges und zerbrechliches Geschöpf bin, sondern eines, das einen verlorenen Vampir wie dich weder als Monster noch als romantisches, verklärtes Wesen sieht“, erklärte sie mit fester Stimme, „und das durchaus weiß, mit wem es seine Zeit verbringen möchte und mit wem nicht.“

      Ever drehte sich ihm zu, doch sie ließ ihm den Raum für den nächsten Schritt. George fühlte sich ruhig und mit einem Mal kehrten sich alle Befürchtungen, in die er sich verstrickte, für einen kurzen Augenblick in ein warmes Gefühl. Er lehnte sich hinüber, legte einen Arm um sie und zog sie eng an sich. Er spürte wie ihre schmalen Hände seinen Rücken entlangfuhren und sich schließlich sehr vertraut um ihn schlangen. Sie zitterte ein wenig von der kalten Nachtluft, doch die beiden verharrten für eine Weile in ihrer innigen Umarmung.

      Später, als sie auf dem Rückweg nach Torch Creek waren, fragte er, wann sie sich wiedersehen würden. Sie überlegte kurz und antwortete dann sanft: „Triff' mich morgen bei Dämmerung.“

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