Lost Vampire. Beth St. John. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Beth St. John
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847663355
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Todesfall kam. Ein junges Ehepaar zog nach der Tragödie in das Haus und hatte gerade damit begonnen, das Kinderzimmer einzurichten, als sich die schwangere Frau auf gleiche Weise das Leben nahm. Niemand konnte sich diesen plötzlichen und völlig unerwarteten Selbstmord erklären. Anzeichen hatte es zuvor keine gegeben. Das war der Grund, weshalb das Haus nun seit acht Jahren unbewohnt war. Es sei verflucht, hieß es in Torch Creek. Es würde sogar spuken – die Seelen der toten Frauen würden bis heute ihr Unwesen treiben.

      Den Vampir ließen solche Geschichten indes völlig kalt. Zu oft schon hatte er menschliche Tragödien gesehen oder diese sogar selbst verursacht, als dass ihn diese Erzählungen aus der Fassung brächten oder sein Verhalten beeinflussen könnten.

      George brauchte eine ganze Weile, um überhaupt Geräusche der Nachbarschaft wahrnehmen zu können. Die Eindrücke traten aus der Entfernung an seine Sinne heran und drängten sich nicht auf wie in der Millionenmetropole. Als er in den Fünfzigern nach Los Angeles gezogen war, übte das geballte Leben noch eine gewisse Faszination auf ihn aus. Wie leicht war es gewesen, einfach in der Anonymität der Großstadt unterzutauchen. Niemand stellte es infrage, wenn jemand nur nachts unterwegs war und tagsüber schlief. Zu dieser Zeit hatte er bereits aufgehört, sich von Menschen zu nähren und es gab unendliche viele Quellen, von denen er unproblematisch Blutkonserven beziehen konnte. Andere Vampire dagegen schätzten die weiteren Vorzüge, die die City zweifelsohne für einen Vampir bot: Sich in den unzähligen Clubs und Kneipen am Blut der Menschen zu nähren – ohne jegliche Konsequenz. Und selbst wenn im Blutrausch jemand getötet wurde, ja, selbst dann war das im städtischen Moloch nur ein Kollateralschaden ohne Folgen. Los Angeles – das alles war George plötzlich zu viel. Zu viel Blut, zu viel Tod, zu viel Leid.

      Gerade in diesem Moment empfand er die Ruhe und den Frieden hier als deutlich attraktiver. Die Luft war nicht durchsetzt mit Lärm und Zigarettenrauch, die Kraft der Natur war spürbar, die Sinne kamen zur Ruhe. Sogar sein Blutdurst ließ nach. Es war komplizierter, sich zu nähren, die Beschaffung von Blutkonserven musste geplant und organisiert werden. Doch ein Vampir brauchte nicht viel zum Leben. Nur ein paar Schluck – mehr wäre bloßes Vergnügen. Es gab daher nicht viele seiner Artgenossen, die sich eine Existenz außerhalb der Großstadt vorstellen konnten.

      „Ich bin auch nicht wie die meisten anderen“, flüsterte George leise zu sich selbst, während er sein blasses Gesicht im Badezimmerspiegel betrachtete.

      Er hatte zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit wieder geträumt. Er lag tief unter der Erde verschüttet und bekam keine Luft. Das ergab in der Realität keinen Sinn, erschien ihm aber im Traum vollkommen logisch. Was ihn am Leben hielt war ein leuchtendes Mädchen, das mit ihm zusammen begraben war. Er nahm Sauerstoff auf, indem er ihr Blut trank, und fühlte sich dabei zutiefst hilflos. Nach einer Weile tat sich die Erde über ihnen auf und eine Dämonengestalt versuchte ihm das Mädchen zu entreißen. George hielt sich an ihr fest, da er nicht ersticken wollte und der Dämon zog sie beide ins Sonnenlicht. Sie landeten in einer schattigen Gasse in der Nähe des Palazzo Ducale, in welcher er als Mensch oft die heißen Mittagsstunden verbracht hatte. Nun erkannte er im Licht die blutverschmierten Gesichtszüge des Mädchens, während die Sonne auf seiner Haut brannte.

      Träume waren definitiv etwas, das George nie vermisst hatte. Einige Vampire schworen darauf, im Traum eine Art von Klarsicht zu erlangen und die Zukunft deuten zu können. Ihm selbst war die Idee des Wahrsagens und Traumdeutens suspekt.

      Gewaschen und angekleidet ging er noch in Gedanken versunken durch das spärlich möblierte Wohnzimmer. Selbst wenn die Reste seiner wenigen Sachen aus der Stadt eintreffen würden, brauchte er noch mehr Möbel, um das große Haus zu füllen. Auf dem Boden neben der Telefonsteckdose blinkte zu seiner Überraschung der Anrufbeantworter. Er konnte sich nicht erinnern, schon jemandem die neue Nummer gegeben zu haben.

      „Guten Abend, Mister Tramente. Hier ist James Nathan“, sagte eine klare Stimme, nachdem George auf die leuchtende Taste der Maschine gedrückt hatte. Er konnte den Akzent beim besten Willen und trotz aller Erfahrung nicht identifizieren. James räusperte sich. „Noch ehe ich Sie persönlich treffe, will ich eine Warnung aussprechen, die Miss Crest nicht mithören muss.“

      Er spürte bei den Worten ein feines Knurren in seiner Kehle aufsteigen wie das Spannen eines Bogens. George reagierte empfindlich auf Drohungen.

      „Verstehen Sie, dass es sich hierbei um keine Drohung handelt“, erklärte die aufgezeichnete Stimme, als lese sie seine Gedanken. „Ich habe mit meinem… Kollegen, dem Wächter Lukas Drake, gesprochen und er hat mir versichert, dass Sie Ihrer bösartigen Natur vor langer Zeit abgeschworen haben. Ich will Ihnen nur mitteilen, dass Ever Crest für mich von Bedeutung ist und ich gedenke, sie vor möglichen Gefahren zu beschützen. Mit allem, was in meiner Macht steht.“

      „Wächter“, murmelte George abwertend und spürte ein unangenehmes Kribbeln in seinem Nacken.

      „Davon abgesehen freue ich mich natürlich darauf, Sie persönlich kennenzulernen.“ James nahm wieder seinen höflichen Tonfall vom Anfang der Nachricht an. „Ich vermute, Sie sollten sich jetzt beeilen, um nicht zu spät zu kommen.“

      Mit dem abschließenden Piepen blickte George auf die Uhr und realisierte, dass es eine gute Stunde später war, als er erwartet hatte. Er stieß einen kurzen Fluch aus und machte sich hastig auf den Weg. „Die Vergangenheit lässt mich einfach nicht los“, murmelte er, während die Straßen von Torch Creek in Windeseile an ihm vorbeiglitten.

      Nur wenige Minuten später stand George vor dem Gebäude aus hellem Sandstein. Es lag an der Hauptstraße und wirkte ein wenig zu groß für die angrenzenden Läden. Das Schild über der Tür verkündete:

       Museum für Naturkunde und Geologie

      Schon aus der Entfernung spürte der Vampir James' Präsenz wie Elektrizität auf seiner Haut. Seine Aura war nicht bedrohlich, strahlte aber für Übernatürliche wie ein Leuchtfeuer. Viel schwächer nahm er darunter Ever wahr, die sich ebenfalls in den Räumen des kleinen Museums befand. Das Mädchen erkannte er nicht direkt an ihrer Aura, sondern es war eher ihr eigenartiger Herzschlag, welcher sie schon am Sunset Crater als übernatürliches Wesen verraten hatte.

      George betrat die ausladende Eingangshalle, in der zahlreiche Meteoritenüberreste in größeren und kleineren Glasvitrinen ausgestellt waren. Die Beleuchtung war auf ein Minimum reduziert. Im hinteren Bereich des Foyers zweigten kleinere Gänge und Räume ab, in denen weitere Ausstellungsstücke präsentiert wurden. Die Fotografien an den Wänden – offenbar aus Satellitenperspektive – sagten ihm wenig. Ohne sie zu beachten ging er direkt zum Aufzug und fuhr in den dritten Stock, wo die Büroräume zu finden waren. Oben angekommen, ging er einen langen, schmalen Flur entlang. George stoppte, als er auf einem der Schildchen „James Nathan, Kurator“ las und klopfte höflich an. Dann öffnete er sachte die Tür und sah, dass der Mann sich bereits erwartungsvoll zu ihm umgedreht hatte. Er kam George entgegen, während Ever noch eine Weile zusammengesunken auf einer Couch im hinteren Bereich saß. Sie kam erst langsam auf die Beine, als sie das Geräusch der schließenden Tür hörte.

      „Mister Tramente.“

      James sah haargenau so aus wie seine Stimme klang. Wobei es nicht einmal zwingend das Aussehen war, sondern eher seine Wirkung. Der schlanke Mann mochte rein optisch um die Fünfzig sein, doch seine Gesichtszüge erschienen auf eine unbelastete Art und Weise jung, als ob ihn nichts im Leben gezeichnet hätte. Seine dunklen Augen betrachteten George von oben herab durch die randlosen Gläser seiner Brille, doch sein Blick wirkte abwesend, als würde er durch ihn hindurchsehen. Er streckte dem Vampir eine Hand entgegen.

      „George ist vollkommen ausreichend“, sagte er und schüttelte die Hand des anderen. James hatte einen sehr bestimmenden Händedruck. Der Vampir warf einen kurzen Blick hinüber zu Ever, die nun hinter James auftauchte. „Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen.“

      „Aktuell oder im Allgemeinen?“ James lächelte, wobei er nur einen Mundwinkel verzog. Auf Evers Gesicht machte sich eine empörte Miene breit.

      „Es war nicht meine Absicht…“, setzte George etwas überrascht an, doch James unterbrach ihn mit einem neutralen Lachen.