"Die Jagd, die Beute und der Tod". Jochen Polanski. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jochen Polanski
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847679240
Скачать книгу
ne Calzone vertragen.“ – „Ich bestelle Frutti di Mare, frage doch bitte die Kollegen, ob sie auch was bestellen wollen.“

      Später, als sie aßen, meinte Brand: „Wir können doch nicht alle Mitfahrzentralen überwachen, um einen weiteren Mord zu verhindern!“ – „Wenn nicht schon einer begangen ist,“ Paulsen blickte Brand skeptisch an, mit besorgter Miene kaute er seine Calzone. „Ich habe das ungute Gefühl, dass dieses Schwein schon wieder eine Schandtat angerichtet hat.“ Der Montagvormittag war wie immer hektisch verlaufen, zahllose Anzeigen wurden zusätzlich zum Wochenende gemacht, Einbrüche und schwere Körperverletzungen, räuberischer Diebstahl, nur ein Mord, der fehlte noch.

      „Wenn wir nicht als Erste was erfahren, dann die Boulevardblätter, darauf kannst du Gift nehmen,“ Brand stutzte. „Dass die Mitarbeiter der Mitfahrzentrale keine Beschreibung von diesem Neumann geben konnte, die weiterhilft. Es ist zum Schreien. Sybille sagte gestern Abend, dass ich schon wieder so einen widerlichen Fall hätte. Es täte mal ganz gut, wenn ich auf andere Gedanken käme, lockerer wäre und du weißt schon...“ “Tja. Werner, du müsstest Sybille anders behandeln, so mit deinem Job umgehen, das sie mehr Distanz zu den Fällen erfährt. Ich verstehe nicht, dass du sie auch so damit belastest. Du weißt doch schon seit Jahren, wie das dann immer ist, und trotzdem beklagst du, dass eure Ehe so eingeschlafen ist.“

      Werner Brand sagte nichts dazu. Sie gingen wieder ins Büro. Im Flur begegnete ihnen Hauptkommissarin Bea Nowak. Seit heute war sie wieder da, eine zweiwöchige Weiterbildung in Sachen Internetkriminalität hatte sie beansprucht.

      „Schön euch zu sehen!“ sie lächelte mit ihrem gewinnenden Charme, die mit Mascara getuschten grünen Augen blickten hellwach aus ihrem frischen Gesicht.

      „Na, wieder die Schule?“ fragte Werner, der sie mit Handschlag begrüßte.

      „ So ein langweiliger Schnösel von Dozent versuchte uns auf alle Eventualitäten des On-Line-Verbrechens aufmerksam zu machen, und das mit einer stoischen Ruhe, dass man vergaß, dass es hier um Crime im World Wide Web ging!“ sie grinste, strich durch ihr gegeltes, schwarzes Haar, einer frechen Fransenfrisur, die ihr bestimmendes Temperament betonte.

      Wie ich höre und sehe, war das nicht die Welt!“

      „Na ja, einiges haben wir uns schon aneignen können, ein paar Tricks der Täter, und wie man den Gaunern am besten auf die Schliche kommt.“

      „Da bin ich ja beruhigt.“ erwiderte Brand. Sie gingen in ihr gemeinsames Büro. „Da kannst du uns in Zukunft mit eine paar Trümpfen aus dem Ärmel verblüffen.“ Werner nahm Platz. Bea setzte sich ihm gegenüber direkt hinter dem Fenster. Sie schaltete sofort den Computer ein, gab das Pass-Wort ein.

      „Ihr seid , das heißt, wir sind am Fall Nicole Stürmer dran, ich habe mich schon mal vorab informiert.“ Wie meistens trug sie schwarz, ihre Fingernägel waren penibel weinrot lackiert, die sie kurz in Augenschein nahm. „ Der Täter ist mit allen Wassern gewaschen, ich schätze mal, dass er auch noch andere Dinger dreht, bestimmt mit Komplizen, die das Eine oder Andere klarmachen. Selbst wenn er niemand in die Tat eingeweiht hat, wird er von der Hilfe seiner Kollegen profitieren.“

      „Das denke ich auch,“ warf Jürgen ein, „ für einen allein wäre das ein bisschen viel. Er mag zwar ein Perfektionist sein, doch alles im Griff zu haben, bedeutet, er kann sich auf ihre Unterstützung verlassen, er kann gezielt vorgehen, ohne Spuren zu hinterlassen und mit Sicherheit sein Tun und Handeln mit System.““

      Beim Zusammenstellen seines Profils war Bea bewusst, dass er computergestützt vorging, ob es das Fälschen der Papiere, die Kontaktaufnahme bei der Mitfahrzentrale war, oder die geklauten Kfz-Kennzeichen, die er geschickt austauscht hatte.. Auch wenn er in ihren Augen ein mieses Schwein war, er war ein intelligentes.

      „Die Tat geschah am Freitag, dem 9. November, also am Wochenende. Wir sollten davon ausgehen, dass er in der Woche berufstätig ist. Wenn das der Fall sein sollte,“ Werner Brand kratzte seinen Kinnbart, „muss er bedacht sein, ohne aufzufallen seiner Arbeit weiterhin nachzugehen. Er muss stressfrei sein, seine Kollegen dürfen keine Veränderungen an ihm feststellen, wie üblich sollte sein Kontakt zu den anderen Mitarbeitern sein.“

      “Und wenn er selbständig ist? Es könnte auch sein, dass er Einzelunternehmer ist. Wenn er, wie ich vermute, in der IT-Branche tätig ist, gibt es hier in Köln viele Existenzmöglichkeiten.“ Bea erhob ihren Oberkörper, ihre rechte Hand lag flach auf dem Schreibtisch.

      „Stimmt, damit könntest du Recht haben, Bea. Die Frage ist, wie nehmen wir am sichersten seine Spur auf?“ Werner blickte sie hochkonzentriert an. „Spätestens, wenn er wieder zugeschlagen hat, können wir mit Sicherheit effizienter anhand der hoffentlich neuen Spuren ermitteln.“

      Es war Bea, die am darauffolgenden Dienstag um 9 Uhr 30 das Telefonat entgegennahm, in dem der Fund einer Frauenleiche in der Nähe von Porz mitgeteilt wurde. Wieder lag der tote Körper im Rhein, festgeschnürt in einem schwarzen Abfallsack.

      „Jungs, er hat wieder eine Tat begangen. Ein weiterer Frauenmord. Eine junge Frau hat die Leiche heute morgen entdeckt.“

      „Fahren wir dorthin. Die Spurensicherung muss minutiös die winzigsten Spuren aufdecken, DNA-haltige Proben entnehmen et cetera pp.“

      Das Team der Mordkommission fuhr an die Stelle, wo die Leiche sich befand, begleitet von Spezialisten, die mit ihrer Arbeit wertvolle Erkenntnisse leisten konnten.

      Es war etliche Grade kälter als in der vergangenen Woche, nasskalter Westwind peitschte ihnen in die Gesichter, als sie den Wagen entstiegen. Der Uferarm hatte wenig Strömung. Lange konnte die Leiche noch nicht dort liegen. Brand und Nowak standen vor dem Totensack. Die BILD und der KÖLNER EXPRESS hatten sensationslüstern von der letzten Leiche berichtet. „Der Rheinkiller schlägt zu.“ War der reißerische Aufmacher. Die junge Frau mit Namen Julia Baumgarten hatte angenommen, dass sich eine Frauenleiche in dem Sack verbarg. Er war noch zugebunden.

      Als sie den Fund aus dem Strom bargen, diesen Müllsack öffneten, kam ihnen eine nackte Tote zu Gesicht, ihre nasse, verschmutzte Kleidung. Der Körper hatte schon die Leichenstarre angenommen. Doch lange konnte sie noch im Wasser gelegen haben.

      Brand sagte zu der Spurensicherung, sie sollten die Proben genauestens entnehmen, damit der Abgleich mit den anderen Spuren gut vonstatten ginge. Sie war mal eine schöne Frau, dachte Bea, warum musste ausgerechnet sie dran glauben? Immer wieder stellte sie sich in solchen Augenblicken die Frage. Ihre diesseitige Attraktion war noch nicht ganz verloren. Das kalte Wasser des Rheins hatte zwar ihre Haut ausgebleicht, marmoriert mit schwarzen Linien. Doch ihre weiblichen Rundungen waren geblieben. Und dann dieser Streifen von verbrennender Elektrizität. Ihre rechte Brusthälfte war ein Anblick des Grauens: der Warzenvorhof, alles von dieser lustbetonten weiblichen Zone war zur entsetzlichen Unkenntlichkeit verbrannt. Dieses perverse Schwein! In Momente wie diesen war sie drauf und dran eine Zigarette zu rauchen, doch sie blieb hart: seit vier Jahren rauchte sie nicht mehr, und sie merkte, wie gut es ihrem Wohlbefinden tat, wie sie mit ihren 38 Jahren fitter war als mit Anfang 30 und den mindestens 20 Zigaretten am Tag.

      „Die Obduktion wird uns hoffentlich Neues ans Tageslicht bringen.“ Werner stand links von ihr, seine behandschuhten Hände griffen nach der linken Hand der Toten. „Sie hatte ihr Leben noch vor sich. Wenn sie identifiziert ist, werde ich dafür Sorgen, dass wir den Täter bald schnappen..“

      Bea war nachdenklich. „Ich lasse jetzt das raus, was dieser Schweinehund verdient, aber ich sage dir, Werner,“ und sie betrachtete energisch die junge Tote, „der Kerl wird keine ruhige Minute mehr haben, wenn ich erstmal die Spur aufgenommen habe. Ich werde ihm zeigen, dass seine Macht nicht unbegrenzt ist.“

      Robert kam gerade von der Maloche. Maschinenbauschlosser in der Metallbranche. Er wohnte in Dortmund Hörde in einer 3-Zimmer-Wohnung, der Job wurde gut bezahlt, sonst wäre er nicht hierher gezogen. Er war kaputt, noch mehr als gestern. Seinen Arbeitskollegen hatte er erzählt, dass Mary nicht gekommen und auch nicht mehr angerufen hatte, seitdem... er hörte sich alle gutgemeinten Tipps und Ratschläge seiner Mitarbeiter an. Yusuf hatte gleich gemeint, er solle die Bullen anrufen. Gleich die Bullen? In Köln oder in Dortmund.