Madame Roßberg verlangte jetzt, daß Pechtels sein Schild herunternehmen und sich entweder einen grünen Baum oder einen Anker oder eine Krone solle malen lasten, wo eine Aehnlichkeit, selbst unter Meier's Händen, nicht mehr möglich schien. Ja, sie erbot sich sogar, die Kosten des neuen Schildes zu tragen - vorausgesetzt, daß sie der Maler bei ihr abverzehre, worauf dieser auch sehr gern eingegangen wäre. Pechtels weigerte sich aber, in einer Sache nachzugeben, die er auf seiner Seite für eine gerechte hielt. Wenn sich Madame Roßberg durch das Schild beeinträchtigt glaubte, so konnte sie sich ja einen Baum oder einen Anker - eine Krone passe außerdem in keine Republik - malen und ihm den Affen lassen, dann kam die Sache auf das Nämliche heraus. Dagegen nun sträubte sich aber wieder Frau Roßberg's Stolz.
Sie sollte ihre Flagge einziehen und ihre alte Firma aufgeben, nur weil so ein hergelaufener Mensch ihr zum Aerger eine ähnliche aufgesteckt? - nie. Da müßte ja kein Recht und keine Gerechtigkeit mehr im Lande sein, wenn so etwas auch nur geduldet würde. Sie bezahlte ihre Steuern und Abgaben so gut wie jeder Andere, und wenn sie eine alleinstehende Frau wäre, so wollte sie doch sehen, ob sie nicht trotzdem Schutz finden könne. Nahmen die Nachbarn nicht ihre Partei und ließen den Wirth zum angeblichen „goldenen Affen" fallen - denn so wie sie dort nicht mehr einkehrten, mußte er ja doch von selber sein Geschäft aufgeben - so war sie entschlossen, die Sache vor die Gerichte zu bringen.
Die dortigen Colonisten sahen nun recht gut ein, daß /40/ Pechtels sein Schild nur aufgehangen hatte, um der Frau Roßberg, die sie als eine gute, wackere Frau kannten, zu schaden, und in einer französischen oder amerikanischen Kolonie würde Pechtels allerdings schlecht gefahren sein. Man hätte ihm entweder das Schild gewaltsam heruntergerissen, oder ihn doch vollkommen links liegen lasten und dadurch gezwungen, es selber abzunehmen. Leider Gottes herrscht nun aber einmal in unserem deutschen Stamm ein kleinlicher, gehässiger Geist, der die Deutschen, so brave, fleißige Menschen es sonst auch immer sein mögen, nie mit ihren Nachbarn in Frieden leben läßt. Mögen wir in einen Theil der Welt kommen, wohin wir wollen, Deutsche giebt es dort überall, aber auch, wo sie sich finden, Hader und Uneinigkeit, und oft der erbärmlichsten, nichtssagendsten Kleinigkeiten wegen. Sie können nun einmal nicht mit einander in Frieden verkehren, weder daheim noch draußen, und so konnte es denn auch natürlich nicht anders sein, als daß sich in der kleinen Kolonie schon ebenfalls zwei verschiedene Parteien gebildet hatten, die sich einander das Weiße im Auge nicht gönnten. Und nicht etwa Racenunterschiede waren es, die sie entzweit, nicht etwa der Glaube - denn zu beiden Theilen gehörten Protestanten und Reformirte, mit ein paar vereinzelten Katholiken dazwischen - nein, ein einmal flüchtig und unbedacht hingeworfenes Wort, das Alter-Weiberklatsch weiter getragen, oder irgend eine andere erbärmliche Kleinigkeit hatte genügt, um ganze Familien auseinander zu bringen und auf Leben und Tod zu entzweien, und die beiden verschiedenen Wirthshäuser leisteten ihnen darin nur gewünschten Vorschub und halfen den Riß weiter und weiter öffnen.
So lange die Wittwe Roßberg nur den „goldenen Löwen" gehalten, waren sie doch genöthigt gewesen, dort zusammen zu kommen; sie konnten sich wenigstens nicht ausweichen, und da es eine Menge von gemeinschaftlichen Interessen gab, so wurde auch dann und wann einmal ein Wort zwischen den feindlichen Parteien gewechselt, das eine Annäherung möglich machte. Jetzt aber, da ihnen durch den „goldenen Affen" die Gelegenheit geboten war, sich auszuweichen, ergriffen sie diese mit Vergnügen, und es dauerte in /41/ der That gar nicht lange, so haßten sich die Gäste, die das eine oder andere Wirthshaus besuchten, nicht gründlicher, als der Wirth des Affen und die Wirthin des Löwen einander selber. Ein einziges Glück nur war, daß es in der ganzen Ansiedelung auch nicht einen einzigen Advocaten gab, denn die Processe hätten sonst kein Ende genommen. So aber wohnte nur etwa fünf Meilen davon entfernt, in dem nächsten kleinen Städtchen Karthago ein amerikanischer Friedensrichter, und da Keiner von Allen so viel Englisch sprach, um sich diesem genau verständlich machen zu können, so trugen sie ihr Geld wenigstens nicht den Gerichten zu.
Durch diese gegenseitige Eifersucht gewannen die Zwistigkeiten unter den beiden Gasthöfen aber auch immer mehr Boden. Die Frau Roßberg nannte den Wirth Pechtels schon gar nicht mehr anders, wie den „gelben Affen" - goldenen klang ihr zu gut, und sie gerieth außer sich, als ihr die Gäste erzählten, Pechtels habe sie selber die „gelbe Katze" genannt, denn das Bild auf ihrem Schild sei doch weit eher eine Katze wie ein Löwe - und gelb statt golden waren alle beide.
Außerdem hatte sie den Nachtheil, daß der Weg aus den weiter abliegenden Kolonien gerade auf den Affen zu führte und „Fremde", wenn sie das Schild nur von Weitem sahen, das natürlich für das richtige hielten und dort einkehrten. Ueberhaupt von etwas reizbarem Charakter und nebenbei noch immer durch die eigenen Gäste aufgehetzt, wurde ihr dieser Zustand zuletzt so unerträglich, daß sie - als einzelne Frau doch schutzlos in der Ansiedelung und mit keinem Advocaten im Bereich - ihre natürliche Hülfe bei der Obrigkeit zu suchen beschloß, denn so konnte das, wie sie meinte, nicht mehr fortgehen.
Darin bestärkte sie ein „Pennsylvanisch-Deutscher", ein Amerikaner, aber in Pennsylvanien und zwischen lauter Deutschen geboren, wo sich die Leute dann eine eigenthümlich halb deutsche, halb englische Sprache gebildet hatten, so daß sie sich mit beiden wenigstens verständlich machen konnten. Der versicherte ihr, daß es ungesetzlich in den Staaten wäre, einem Wirthshausschild gegenüber genau das nämliche anzubringen. /42/ Wenn sie zum Friedensrichter ginge, müßte sie ihr Recht bekommen, denn sie habe das erste Schild gehabt, also damit auch ein preemton right oder Vorrecht erworben, und er zweifle keinen Augenblick, daß Pechtels gezwungen werde, sein Schild abzunehmen oder wenigstens anders zu malen.
Das war der erste Balsam für ihr lange gekränktes Herz; den Triumph wollte sie haben, und wenn sie auch den verhaßten Menschen nicht zwingen konnte, sein Wirthshaus aufzugeben - denn Pechtels war sonst ein ganz ordentlicher Mann, äußerst thätig und duldete nie eine Unordnung bei sich, so daß also darin keine Klage gegen ihn begründet werden konnte - so sollte er doch gezwungen werden, das Schild zu verändern. Sie wollte nicht länger das Herzeleid ertragen, ihren goldenen Löwen als Affen den ganzen Tag sich gegenüber zu sehen - sie konnte es nicht, denn sie fühlte, wie es ihre Nerven von Tag zu Tag immer mehr angriff, und fürchtete, wenn das noch viel länger dauerte, eine Gemüthskrankheit.
Ein Versuch in Güte sollte aber trotzdem noch gemacht werden; eine alte Base, die Frau Roßberg als Köchin im Haus hatte, wurde als Parlamentair hinüber geschickt in den „goldenen Affen", und Frau Roßberg hatte sich selber so weit überwunden, einen kleinen Brief an Pechtels zu schreiben (und auf ihre Handschrift war sie mit Recht stolz), worin sie ihn aufforderte, gutwillig den bestehenden Gesetzen nachzukommen und sein Schild ungesäumt zu verändern, oder sich bereit zu halten, mit ihr am nächsten Tag zu dem Friedensrichter nach Karthago hinüber zu reiten, um aus dessen Munde seinen Urtheilsspruch zu hören.
Pechtels lachte, als ihm die alte Base nur den Brief überreichte, und schüttelte schon im Voraus den Kopf.
„Es hilft doch nichts," sagte er, „der Affe bleibt, meine liebe Frau, und wenn sich Eure Madame da drüben vor Aerger auf den Kopf stellte. Ich habe dasselbe Recht, ein Schild an meinem Hause zu führen, wie sie, und wenn ich das Nämliche, was sie für einen Löwen hält, für einen Affen halte, so bin ich darüber Niemandem Rechenschaft schuldig." /43/ „Aber so lest doch nur den Brief," sagte die alte Frau, „und wenn Ihr denn einmal nicht gutwillig nachgeben wollt, so sollen die Gerichte entscheiden - die Frau schreibt Euch da drin Alles darüber, und dann wollen wir einmal sehen, wer Recht kriegt."
„Wenn Eure Frau gescheidt ist, so läßt sie die Gerichte zufrieden," sagte Pechtels, indem er aber doch den Brief öffnete, „denn helfen können die ihr doch nichts und nur Geld kosten. Aber Ihr Frauen seid wirklich unverbesserlich, und wenn Ihr Euch einmal auf 'was verbeißt, so laßt Ihr nicht wieder locker. Wenn Eure Frau nur so viel Vernunft hätte,