Es war sehr kalt; ein zeitweiliges Warten auf dem einem leisen Winde ausgesetzten Balkone brachte mich auf den Gedanken, im Schlafzimmer hingekauert den erwünschten Zeitpunkt abzuwarten, was ich sicher auch gethan hätte, wenn nicht ein kaum bemerkbarer fahler Schein am östlichen Firmamente meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hätte. Dem allmälig intensiver werdenden Scheine folgte eine immer mehr und mehr sich röthende Feuermasse, umgeben von einem Strahlenkranze, in dessen Kern die Sonnenscheibe wie ein plötzlich angezündetes Strontianfeuer mir entgegenleuchtete. Die Umrisse der Wölklein umsäumten sich mit brennendem Purpur, während sich im Süden die edelgeformte Pyramide des Dachstein, wie ein rosenrother Riesenkrystall, über die noch schwarzen Zacken der umliegenden kleineren Berges-riesen emporhob. Bald tauchten die Strahlenfluthen tiefer hinab und steckten bald diese, bald jene Spitze in Brand, bis ein wahres Glutenmeer, der ganzen Gebirgslänge nach, emporzulodern schien.
Von nun an begann ein lebhaftes Schimmern und ein blitzendes Strahlenspiel auf den Firnern, Gletschern und Schneefeldern des Dachsteins und des ewigen Schnee im Bezirke Berchtesgaden. Der rothe Schein gieng allmälig vom sanften Purpur in intensiveres Gelb über, während die Zinnen der südlichen und westlichen Stein- und Eiskolosse noch im schönsten Rothe fortglühten, als schwarze Ungethüme mit brennenden Häuptern. Der glänzende Sonnenball entwickelte sich aus seiner Nebelverkappung, die Wölklein strahlten in schimmerndem Gelb, das Firmament bemalte sich mit Blau und die veilchenblauen fernen Gebirge nahmen bestimmtere Formen an. Die dunkelbewaldeten Vorgebirge streckten ihre sägeartig ausgezähnten Rücken empor, durch die weichen Thalmulden stürzten, wie Silberfäden, hüpfende Bächlein herab, dem Flusse zueilend. Zwischen Wald und Felsen schillerten die vom sanften Morgenwinde leise bewegten Seespiegel, das bewegliche Röhricht herumschaukelnd. Die Fenster der Berghütten blinkten wie glühende Sternlein in den schiefen Strahlen der Morgensonne.
Die Schatten kürzten sich, das Chaos in Baierns Ebenen entwirrte sich allmälig, die röthlichen, von unzähligen Schattenfurchen durchzogenen Felsengebirge erbleichten, zwischen ihnen schimmerten, wie flüssiges Silber, die kegel- und pyramidenförmigen Hörner und Spitzen der Eis- und Schneegebirge der Tauernkette hervor. Auf einigen Thälern ruhte eine horizontal abgeebnete Nebelmasse, die ich in der Dämmerung Zwielicht für Seen gehalten hatte.
Nun drangen die lieblich andächtigen Klänge der Aveglocken, bald von da, bald von dort herauf; die Finken und andere Jochbewohner begannen sich zu regen, schlüpften durch die Rhododendron-Stauden, die ihnen eine gastliche Herberge geboten, und stimmten fröhlich ihre Lieder an; die Alpenschafe verließen ihre Lagerstätten unter den schirmenden Hochtannen, die mit ihren Aesten und Zweigen den Boden berühren, unter deren Schutze die harmlosen Thiere die Nachtzeit im erquickenden Schlafe, oder mit ihrem stereotypen Wiederkauen, dicht an einander gekauert zugebracht hatten. Bald öffneten sich die Zwinger der Alpenkühe, traulich klangen ihre vielen Glöcklein und Schellen durch die leise Morgenluft. Mehr und mehr lichtete sich das Firmament, die Nebel verdünnten sich und verschwanden.
Nun erst begann ich das Studium der Gegenden, unabsehbar im Kreise, beginnend von dem Riesengrenzsteine Österreichs, Steiermarks und Salzburgs, dem Dachstein im Südosten (Höhe ü. d. M. 9490 F.). Vor ihm erheben sich der düstere Plassen-, die Kallenbergspitze und der Lauffner Berg; mehr gegen Süden die Gsengplatten, die löwenzahnartigen Donnerkogeln, das Heidlhorn in der Nähe der Zwieselalm, das Haberfeld, der hohe Zinken und die Sperberspitze; weiter gegen Westen die Steingewände des Bleikogels, des Raucheckes und Tirolerkopfes am Tännengebirge, dazu in noch weiterer Ferne die glänzende Decke des ewigen Schnees, der übergossenen Alpe, des steinernen Meeres (der höchste Punkt die Wildfelsspitze, 9298 F.); weiter hinauf der Watzmann, der hohe Göll, der hohe Kalter, die Mühlstürzhörner, der Birnhorn, das Breithorn am Loferer Steingebirge, der hohe Kaiser (in Tirol), die Sesselberge, das Sonntagshorn, der Untersberg und die Staufenspitze. Vor diesen benannten sieht man die Rasen- oder Felsenspitzen und Kuppen des Gaisberges, des Spielberges, des Wiesbachhörndles, des Ochsenberges, des Schlenken, Schmittenstein’s, Trattberges, Schwarzberges (im Salzburgischen), die Drachenwand bei Mondsee. Im Nordwesten und Norden die Ebenen Baierns und darin die schimmernden Spiegelflächen der Chiem- und Waginger Seen. Bei besonders reinem Horizonte soll man soger die Thürme der Frauenkirche in München bemerkt haben. Mehr in der Nähe sah ich den Taferlberg, Thanberg, den Haunsberg (bei Laufen am Inn) und dazwischen die Seeflächen des Trumer-, Graben- und Mattsee, des Waller-, Zeller- und Fuschlersees, ferner den Kobenauserwald, den Hausruckberg, das Hügelland von Oberösterreich und darüber hinaus die unabsehbare Ebene Baierns mit den vielen Thürmen, Ortschaften, Schlössern …
Gegen Nordosten erblicke ich im fernen Horizonte die blauen Züge des Böhmerwaldes, die Hochebenen des Mühlviertels, die breite Fläche der Welserhaide, die Städte und Ortschaften an der Bahnlinie von Linz bis Neumarkt; gegen Osten das ernste Höllengebirge, darüber herein blickte der Traunstein und die scharfen Zacken der steyrischen Alpen, vom großen Priel bis zur weißen Wand am Grundelsee; gegen Südosten lag der Leonsberg, der Santling, der Lofer, der Sarstein, der Krippenstein, Gschirrkogel und Grimming. Tiefer im Süden, in der Richtung von Osten nach Westen, ragen über oben benannte in fortlaufender Reihe die Hochriesen der Tauernkette herein, die Eis- und Schneespitzen des Radstätter- Malnizer-, Naßfelder-, Heiligbluter-, Fuschler-, Velber- und Krimlertauern, in einer Höhe von acht bis beinahe zwölf tausend Fuß über der Meeresfläche.
Den Fuß des Schafberges sah ich im Süden und Südwesten vom Wolfgang- und St. Gilgenersee, im Nordwesten vom Mondsee und im Nordosten vom Attersee bespült. Im Hochthale zwischen dem Schafberge und dem Leonsberge ist der kleine Schwarzbachsee, in einer romantischen Lage, eines eigenen Besuches werth.
Ich führte unter den unzähligen, vom Schafberge aus sichtbaren Spitzen nur die bedeutendsten an, da ich die Namen der übrigen nicht kenne.
Man nennt den Schafberg mit Recht den Rigi Deutschlands, da wohl kaum ein zweiter Berg im ganzen Deutschland bei einer so bequemen und gefahrlosen Besteigung so viele Genüsse zu bieten vermag.
Ich kehre wieder nach Unterach zurück, Andere mögen besser den bequemen Weg über St. Wolfgang nach Ischl oder über St. Gilgen nach Salzburg wählen, von denen beide so manches Neue und Interessante bieten.
Von Unterach aus gegen Norden am linken Seeufer folgen in langer Reihe die Ortschaften Mißling, Dexelbach, Zell, Reit und Nußdorf. Die von zahlreichen Obstbäumen umschatteten Häuser und Hütten derselben stehen in anmuthiger Verworrenheit theils am Ufer, theils an den Abhängen des Holler- und Limberges und beherbergen die friedlichen evangelischen Landleute der Pfarre Attersee.
Auf einer kleinen Anhöhe zwischen dem Lim- und Buchberge, etwas abseits von der Straße nach St. Georgen, ist das idyllische Pfarrdorf Absdorf (Abbatesdorf). Erste Urkunde der Pfarre anno 1142.
Auf einem nahen Hügel bietet der Sommerkeller von Absdorf ein überraschend schönes Bild der Seegegend, auch soll von hier aus einige Male eine prachtvolle Fata morgana beobachtet worden sein.
Der Pfarrort Attersee, zwischen dem Fuße des waldbedeckten Buchberges und dem Seeufer gebaut, hat eine wunderschöne Lage, namentlich gereichen dem Orte, die auf einem Hügel gebaute katholische Pfarr- und Wallfahrtskirche und das mitten im Dorfe befindliche evangelische Bethaus mit seinem schlanken Thurme zur Zierde.
Prachtvolle Aussichten bieten hier der Balkon des Hager’schen Bräuhauses, die katholische Pfarrkirche und der Scheitel des Buchberges.
Die Pfarre Attersee kommt anno 1276 urkundlich vor.
Die einstige St. Martinskirche wurde anno 1824 dem evangelischen Cultus überlassen; der evangelische Pfarrer hat hier seinen Sitz.
Das einst gewiß ansehnliche Schloß in der Nähe der katholischen Pfarrkirche ist seit 1351 verfallen, nur aus seinen wenigen, bald ganz verschwindenden Resten kann man auf seine Lage und Umfang schließen. Wem es gehörte und