Der Attersee in der Literatur des 19. Jahrhunderts. Franz Roither (Hrsg.). Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Franz Roither (Hrsg.)
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги о Путешествиях
Год издания: 0
isbn: 9783847671022
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man, wie ich Euer Gestreng vor erzählet habe, auf den Fall, welches den Durchschiffenden fast der allergefährlichste Ort im ganzen Lande ist. Dieser Fall liegt zwischen Gmünden und dem sogenannten Stadel, und was seinen Namen anbetrifft, so wird der Ort also genannt, weil daselbst die gesamte Traun eines Haus hoch über jähe Felsen abstürzet und also vor diesem ganz unmöglich durchzuschiffen war. Es hat aber ein vortrefflicher Werkmeister auf hohe Unkosten des Kaisers daselbst einen Kanal durch den harten Felsen mit unbeschreiblicher Mühe dergestalten gehauen, daß man heutzutage (obzwar mit guter Obsicht) dennoch gar wohl und ohne Hindernis hindurchfahren und also einen unglaublichen Unkosten ersparen kann, welchen man doch mit dem Salz auf der Achse nach dem Stadel zu führen anwenden müßte. Denn weil von der obbesagten Stadt Gmünden aus bis in den Stadel die Traun zwischen den Bergen geschlossen sehr tief gehet, führet man mit wenig Personen gleichsam in etlichen Stunden auf einem einzigen Schiffe so viel Salz nach dem Stadel, als sonsten mit hundert Pferden innerhalb zwei Tagen nicht konnte vollendet werden. Wenn ich der Reißkunst erfahren wäre, wollte ich solchen Ort mit der Kreide figurieren, denn ich bin oftermalen dagewesen und habe mit Augen angesehen, wie die Schiffe gleichsam in einem Augenblick durch den ausgebäumten Kanal durchfahren, welcher sich weit über fünfhundert Schritt lang erstrecket. Ist also dieser durch den allmählichen Umschweif so eingehauen, daß er bei seinem Ausfluß ganz gerade den ändern Fluß wieder erreichet und also damit fortgehet.

      Und weil ich ehedessen auf dem Schlößlein zu Au bei dem Jäger mich aufgehalten, lief ich fast täglich dahin, die Schiffe durchpassieren zu sehen, und bekam dannenhero manche Kopfnuß, wenn ich durch diese Zeitverschwendung meine andere Verrichtungen verabsäumet habe. Man hört diesen Fall, wenn er geschlossen ist, auf eine gute Stund rauschen; dannenhero man leichtlich, absonderlich aber zu Nachtszeiten, weit umher abnehmen kann, ob er offen oder geschlossen sei. Der Fallmeister daselbst ist mein naher Freund, und habe mit meinem Edelherrn von Hain, dem das Schlößlein Au zugehörte, manch gutes Frühstück allda verzehrt.

      Besagter Traunstein, so in dem Gmündner Gebirg der höchste Felsen ist, wird auf die zweiundzwanzig Meil Weges gegen Unterösterreich wegen seiner überaus großen Höhe gesehen. Auf diesem sind die Gemsen und Auerhahnen ein tägliches Wildbret, und wird auch auf solchem an dem Abend des Fests Johannis das sogenannte Johannsfeuer, und zwar auf dreien unterschiedlichen Orten des Gipfels, angezündet, wovon diejenige Person, der solches Feuer bereitet, ein Gewisses zu seinem Lohn empfanget. Die Hauptstadt in Oberösterreich ist Linz, sie liegt an der Donau; und wenn sie noch einmal so groß wäre, so wollt ich sie allen Städten in Österreich wo nicht vorziehen, jedennoch gleichschätzen. Nichtsdestoweniger ist sie sehr bequem und dem Handel groß genug, der allda getrieben wird. Die Stadt Wels liegt an der Traun, von welchem Fluß ich bereits geredet habe, ist wohl gebauet und pranget mit unterschiedlichen schönen Häusern. Von daraus gehet man über Lambach auf Schwanenstadt, die ehedessen Schwans geheißen. Besagtes Lambach ist ein schönes und herrliches Kloster Benedictinerordens, gestiftet von dem heiligen Adalberto, und wird zur Gedächtnis dessen alle Jahr ein großes Almosen ausgeteilet. Auch ist allda fast die beste Musik, so nächst der wienerischen in dem Erzherzogtum Österreich den billigen Ruhm hat. Aber Schwanenstadt ist ein schlechter Ort, hat etwan in allem zwei Gassen, damit ist der ganze Ort beschrieben. Nicht weit von dieser Stadt ist ein Schloß auf einem hohen Berg, Wolffseck genannt, an welchem sich der Hausrucker anfänget, auf welchem ehedessen die Principalen derjenigen Bauren gesessen, die wider ihre Obrigkeit rebelliert, aber nichts damit ausgerichtet haben, als daß sie mit Schimpf und Schand endlich überwunden, auf die höchsten Galgen gehänget und den ausländischen Herren zur ewigen Leibeigenschaft gleichsam zum Spectacul und Abschreckung der ändern sind verschenket worden. Diese, wie bekannt ist, haben sich erstlich von Steffel Vattinger, einem Zimmermann oder, wie etliche wollen, von einem Taglöhner, hernachmals aber, als er erschossen worden, von einem Studenten commandieren lassen, der sie alle stahleisenfest gemacht. Er hat ihnen auf dem Berg bei Lambach, so man den Buchberg nennet, ein Mus gekochet, und wer davon gegessen, in den ist weder Kugel noch Eisen gegangen, und was noch das Wunderlichste ist, so haben die Bauern die Kugeln nicht allein abweisen, sondern dieselbe noch mit der Hand fangen können.“

      „Mein lieber Paul,“ sagte ich zu meinem Page, „von diesen Dingen kann man genug in der Topographia Austriae zu lesen bekommen, darum erzähle mir vielmehr, wie dirs in deinem Heimat gegangen und was du vor Herren daselbst aufgewartet hast.“ - „Ich bin allda“, sprach er darauf, „was meine Geburt betrifft, in dem Adergey etwan eine Stund von Adersee in dem Markt St. Georgen geboren, welcher unter die Grafschaft der Kevenhiller gehörig. Nächst diesem liegt das hohe Schloß Kogel, allwo ich in meiner Jugend dem Pfleger vor einen Schwammendrucker, wir mans dorten nennet, aufwarten müssen. Weil mir aber der Berg gar zu hoch und oft zu steigen war, indem ich von daraus bis in den Markt fast anderthalb Stunden in die Schul gehen mußte, lief ich davon und kam nach Schörflingen zu der alten Frau Aleitnerin, bei welcher, als bei meiner Großmutter, ich mich drei Jahr lang aufgehalten. Hernach kam ich etwan im zehenten Jahr meines Alters nacher Frankenburg zu dem Hofwirt Pleckenwegner. Daselbst lernete ich rechnen und schreiben. Aber weil er zu frühzeitig starb, kam ich wieder weiter ins Land und wurde zu dem vorgenannten von Häin auf das Schlößlein Au, eine Stund vom Fall, gebracht, allwo ich nicht wußte, was ich eigentlich war. Ich mußte ihm erstlich über Land bei den Gastereien aufwarten. Zu Hause bekam ich in der Küche bald Pfeffer, bald was anders zu stoßen. So half ich auch der Frauen Wasser brennen, und dem Jäger mußte ich ins Holz seine Büchsen nachtragen. Sommerszeiten brauchte man mich auch zum Wetterläuten und Kornschneiden, Herbstzeit mußte ich Äpfel abbeuteln und wurde dann auch dort und da mit Briefen und anderen Posten übers Land geschicket.

      Aber, wie ich vorgemeldet, weil ich öfters auf den Fall hin und wieder gelaufen und dadurch meine Zeit so liederlich zugebracht, jagte mich die Edelfrau von dem Schloß hinweg und zog mir noch die Liverey dazu vom Leibe. Ihr Herr begegnete mir gleich im Wald, als ich nach Gmünden ging, und da er mich so im Hemd und meinen leinern Hosen, die ich zu ihm gebracht hatte, dahergehen sah, verwunderte er sich von ferne mit seinem Stecken und fragte mich endlich, wo ich herkäme. „Paul“, sprach er, „wie kommen wir da zusamm?“ Als ich ihm aber weinend erzählte, wie mich sein Weib ohne Gnad und Barmherzigkeit so sehr entblößet und mich nur mit einem schwarzen Stück Brot zum Schloß ausgestoßen, nahm er mich wieder mit sich, in Meinung, mir wieder anzuhelfen. Aber in der Nacht hörte ich sie wegen meiner abscheulich in der Kammer zanken. Ich hatte die Liverey wieder an, und weil sichs anließ, als dörfte ich wegen Widerwärtigkeit der Frauen aufs neue ausgeschälet und davongejauket werden, besann ich mich eines Bessern, bin also, nachdem ich unserm großen Hund sein silbern Halsband abgebunden, mit der Liverey noch in selbiger Nacht über die Mauer ausgestiegen und im finsteren Wald davongelaufen, habe auch noch überdas die allerzotenhaftigsten Reimen an das Tor angeschrieben, in welchen ich die Edelfrau viel ärger als die verlaufneste Landstörzerin ausgehudelt habe.“

      J. A. Schultes

       J. A. Schultes, „M. Drs. und Professors an der k. baierschen Universität zu Innsbruck“ verfasste 1809 ein Buch mit dem einprägsamen Titel „Reisen durch Oberösterreich in den Jahren 1794, 1795, 1802, 1803, 1804 und 1808“. Das Buch ist nicht in Kapitel sondern in „Briefe“ unterteilt. Der X. Brief beschäftigt sich unter anderem mit dem Attersee, durch den zum Zeitpunkt des Erscheinens des Buches die deutsch-österreichische Grenze verlief.

      Die Anreise

      In Gmünden lassen Sie Sich auf den Platz zum Schiffe führen, wo Sie bey Hrn. Eisenmayr – Hr. Eisenmayr war einst theuer; ich tadelte ihn öffentlich. Er hat sich, seines Zornes gegen mich ungeachtet, sehr gebessert, und ich kann ihn jetzt Ihnen und allen Reisenden empfehlen – gute Bedienung, und schöne Wohnung mit vortrefflicher Aussicht auf den See finden werden.

      Wenn Sie aber von München über Salzburg (über das schöne Salzburg, das kein Reisender auf 20 Meilen weit vorüber fahren sollte) nach Wien fahren, so rathe ich Ihnen, nicht die gewöhnliche Poststrasse über Neumarkt, Frankenmarkt und Vohlabruck, sondern die seit 1808 neue Poststrasse über Hof auf St. Gilgen (7 Stunden von Salzburg) und von da über den Wolfgang See nach St. Wolfgang zum Bräuer zu fahren. Sie schicken Ihre Kutsche nach Ischel, und lassen dieselbe dort im Posthause