»Man, ich hatte echt Angst, dass meine Oma was gemerkt hat!«
»Keine Angst, ich passe schon auf.«
Tea hüpfte aus der Burg heraus und setzte sich auf den Fußboden mit dem Rücken zum Schrank.
»Ehrlich gesagt, bin ich noch immer nicht sicher, ob bei mir vielleicht nicht doch eine Schraube locker ist«, bemerkte Finn.
Auf allen Vieren krabbelte Tea zu Finns Fuß und zog sein Hosenbein hoch.
»Stimmt, hier, am Knöchel, da ist eine Schraube locker!«
»Haha«, machte Finn, überhaupt nicht amüsiert.
Tea stand auf und hob, demonstrativ beleidigt, die Arme. »Ach komm! Wir werden bestimmt viel Spaß zusammen haben!«
Finn kniff die Augenbrauen zusammen. Pah, Spaß! Mit einer Puppe? Und außerdem, gleich wird sich herausstellen, dass er alles nur geträumt hatte.
»Komm, das ist nicht fair! Ich habe dir geholfen, die Burg aufzubauen!«, beschwerte sich Tea.
»Das war ja nun keine besondere Sache, das hätte mein Opa auch gekonnt«, sagte Finn, ohne darüber nachzudenken, dass die Puppe gerade schon wieder auf seinen Gedanken reagiert hatte.
»Es gibt aber ein, zwei Dinge, die dein Opa nicht kann . . . »
»Was denn?«
»Finn, hilfst du bitte, den Tisch zu decken?«, rief sein Vater von unten.
»Ja, ich komme gleich!«, rief Finn zurück. »Und? Was denn nun?«, fragte er dann wieder zu Tea gewandt.
»Das kann ich dir doch nicht alles zwischen Tür und Angel erklären.«
»Weil es nämlich gar nichts gibt, was du besser als mein Opa kannst!«
Finn stand auf und schob das Hosenbein wieder runter. An der Zimmertür dreht er sich noch einmal um.
»Du bist ja ungläubiger als die Seldschuken«, murmelte Tea.
»Was?«
»Nichts, das erkläre ich dir viel später. Geh erst mal essen.«
»Wusste ich es doch! Nur heiße Luft.«
Er hielt inne und fragte:
»Soll ich dir was zu essen mit hoch schmuggeln später?«
»Das ist lieb, aber nicht nötig. Ich brauche weder Essen noch Schlaf!«
Somit wäre Tea ja pflegeleichter und günstiger als ein Hund, den sich Finn schon seit längerem sehnlichst wünschte.
»Aber mit dem hättest du nur ein Bruchteil so viel Spaß wie mit mir«, prophezeite Tea. Mit einem scheinheiligen Lächeln winkte sie ihm hinterher.
»Hast du dir die Hände gewaschen?«, fragte seine Mutter, als Finn in der Küche ankam.
»Ja!«, log Finn.
»Dann krempele dir mal die Hose vernünftig runter und bring die Teller rüber.«
Huch! Wie kommt das denn? Das Hosenbein, das er doch gerade heruntergeschoben hatte, war wieder bis zum Knie hochgerutscht. Wie ist das denn passiert? Vielleicht war das ja Tea gewesen! Aber wann? Und vor allem, wie? Und wieso hat er davon nichts mitbekommen?
Was ist das nur für ein merkwürdiger Geburtstag! Komische Träume, sprechende Puppen, eigenwillige Hosenbeine. Was mag wohl noch alles auf ihn zukommen? Aber selbst in seinen kühnsten Vorstellungen hätte Finn sich nicht ausmalen können, was ihn noch erwarten sollte.
Obwohl Finn nach dem Essen gerne lieber sofort in sein Zimmer gegangen wäre, setzte er sich auf Drängen seiner Mutter noch mit ins Wohnzimmer und ließ sich von seinen Großeltern über die Schule ausfragen. Als sie sich endlich nach dem Kaffee und dem Genuss von jeweils drei Stückchen seines leckeren Geburtstagskuchens zum Aufbruch bereit machten, fühlte er so etwas wie Erleichterung. Seine Mutter knuffte ihn mahnend in die Seite. Die Familie winkte ihnen noch hinterher, dann war Finn erlöst. Zwei Stufen auf einmal nehmend lief er nach oben. Tea hatte in der Zwischenzeit die Ritter auf den Pferden vor der Burg aufgestellt. Im Burghof stand eine Magd mit einem Besen in der Hand.
»Hat's geschmeckt?«, empfing die Puppe Finn.
»Ja, klar«, antwortete der Junge abwesend. »Wie hast du das mit meinem Hosenbein gemacht?«, stieß er dann noch vollkommen aus der Puste hervor.
»Ach, das war doch nur eine Lappalie«, winkte Tea ab.
Finn stemmte die Arme in die Seiten.
»Für dich vielleicht!«
»Hexen hexen!«
Tea erntete dafür ein tiefes Grummeln von Finn.
»Du wolltest doch einen Beweis!«, verteidigte sie sich verschmitzt.
»Muss ich jetzt etwa ständig mit irgendwelchen Scherzen von dir rechnen?«
»Hihi, wenn du es verdienst, ja.«
Finn ließ sich vor die Burg plumpsen und imitierte Galoppbewegungen mit einer der Ritterfiguren. Diese Hexenpuppe wird ihm nur Ärger machen!
»Nein! Ganz im Gegenteil! Ich werde eine Bereicherung für dich sein!«
Dass Tea ständig auf seine Gedanken reagierte, machte Finn jetzt völlig nervös. Soll er von nun ab etwa immer kontrollieren, was er denkt?
»Kann ich dich irgendwo abstellen, damit ich auch mal unbesorgt denken kann?«
»Haha, nee, das geht nicht.«
Das kann ja heiter werden! Unwillkürlich musste Finn an eine der letzten Musikstunden denken, in denen sie das Lied ›Die Gedanken sind frei‹ gelernt hatten. Jetzt verstand er erst den Sinn der Botschaft aus dem Lied. Mit dieser Freiheit war es jetzt wohl aus. So ein Mist! Alles nur wegen dieser Puppe!
»Den Gedanken habe ich jetzt überhört, aber schön, dass dir etwas klar geworden ist!«, sagte Tea lächelnd.
Finn lief rot an. Beim Fluchen ertappt und obendrein böse Gedanken gehegt.
»Gedankenlesen kann aber ganz nützlich sein, wenn zum Beispiel keiner mitkriegen soll, dass wir kommunizieren«, beschwichtigte Tea.
»Kommu . . . was?«
»Kommunizieren, miteinander reden bedeutet das. Du wirst sehen, es werden Situationen kommen, in denen das wirklich nützlich ist.«
»Weil keiner mitkriegen darf, dass du sprechen kannst?«
»Zum Beispiel.«
Tea hob ihre rechte Hand und streckte den Zeige- und den Mittelfinger aus:
»Ich schwöre aber hoch und heilig, dass ich keinen Gedanken gegen dich verwenden werde!«
»Hm, das glaube ich erst, wenn es soweit ist.«
Finn wandte sich wieder der Ritterfigur zu und überlegte, was er spielen sollte. Er könnte vielleicht ein Turnier veranstalten! Er stellte zwei Teams aus Rittern gegenüber auf. Jetzt fehlten nur noch die Lanzen. Doch so sehr er suchte, die waren in dem vielfältigen Zubehör der Ritterburg nicht mit enthalten.
»Lass sie doch auf Kreuzzug gehen«, schlug Tea vor.
»Kreuzzug? Oh ja, gute Idee!«
Das Bett könnte das Ziel werden, was die Ritter eroberten. Den Weg dahin könnte Finn mit Kissen und Decken hügelig gestalten. Mit wenigen Handgriffen verwandelte er das Zimmer in eine Berglandschaft. Als er das letzte Kissen in Position zur Besteigung des Bettes gebracht hatte, fragte er:
»Warum sind Ritter eigentlich auf Kreuzzüge gegangen?«
Als ob sie nur auf diese Frage gewartet hätte, schob Tea ihre Brust nach vorne:
»Es