Euskal Herria. Jochen Schmitt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jochen Schmitt
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847605348
Скачать книгу
präpariert, sich und seine Krieger mit Wirkung zu verteidigen:

       „Nun, ehrwürdiger Emir,“ und hier neigte er würdig sein Haupt, eine kleine aber sehr clevere Geste der Demut, „der Zwischenfall ereignete sich im Befehlsbereich von Amir Abderrahman, und da der, wie uns allen bekannt, unser fähigster und eifrigster Amir im Felde ist, trifft ihn wohl keine Schuld. Er kann ja auch nicht in jeder Qal´a seines Befehlsbereiches zugleich sein. Ali ibn Assad, der Kaid des Trupps in Sadaba, hat nicht die volle Besatzung von 50 Saqaliban. Schon vor zwei Ratssitzungen habe ich darauf hingewiesen, dass er mit gerade mal 27 Männern zu unser aller Schaden weder den Schutz von Sadaba garantieren noch eine einträgliche Razzia unternehmen kann. Darüber hinaus hat er Umsicht und Verstand bewiesen. Er ließ sich nicht mit seinen schwachen Kräften in eine nächtliche Verfolgung verlocken, die nur zu einem Desaster geführt hätte. Wir haben keinen einzigen Sklaven-Krieger verloren, nur etwas Vieh und Korn. Die Revanche hat er klug mir überlassen, und ich werde sie gründlich vorbereiten und mit Wucht exerzieren. Dazu müssen wir vor allem zunächst mehr Kriegsslawen kaufen, um die Garnisonen aufzufüllen!“

      „Was das alles kostet! Was so was alles kostet! Wer soll das alles bezahlen?“ stöhnte der Finanz-Wesir lauthals in die Runde, und wackelte mit seinem völlig kahlen Haupte mehrfach von links nach rechts und wieder zurück.

       Grinsen und Lächeln huschte durch den erlauchten Kreis. Diesen Klageruf kannten sie. Der erscholl zu jeder Sitzung. Der Greis stand nur noch einen Fuß weit vom Grabe entfernt. Als der älteste in der Runde des Rates, war er aber auch der meist respektierte. Er hatte sich sein Leben lang als absolut vertrauenswürdig und loyal erwiesen, hatte schon dem Vorgänger gedient, und besaß, trotz oder auch wegen vieler Schrullen, das unbegrenzte Vertrauen des Emirs, auch wenn der sich heimlich köstlich über ihn amüsierte.

       Der Kriegs-Wesir entsann sich der Grundregeln seiner Profession. „Angriff ist die beste Verteidigung!“, und „Ablenkungsangriffe entlasten!“ hatte er während der Lehrzeit zum Befehlshaber in sein Gedächtnis gespeichert.

      „Ehrwürdiger Emir, ich beantrage, 200 Kriegssklaven aufzukaufen. Ich weiß, diese sind zufällig im Basar unserer Kasba im Angebot. Pauschal gekauft, bekommen wir die zum Sonderpreis. Damit können wir dann die Garnisonen an unserer von den Bergmenschen gefährdeten Nordostfront auf Sollstärke bringen, und zugleich die Kräfte für einen nachhaltigen Vergeltungsschlag gegen die Basken freistellen. Ich denke so: Wir stecken die Neulinge in die Grenzfestungen, und ziehen die Hälfte der dortigen erfahrenen Besatzungen ab. Zusammen mit der halben Truppe aus der Palastkaserne können wir ein Kommando von etwa 150 Mann für die Razzia einsetzen. Als Kaid schlage ich Amir Abd al-Rahman, als seinen Unterführer Ali ibn Assad vor. Die beiden brennen darauf, ihre Niederlage auszuwetzen.“

       Und nach taktisch kluger kurzer Denkpause, mit der er seinen Vortrag wirksam unterstrich, fügte er noch an: “Auch Abdallah ibn Hisham, der Sohn des Hadjib, wird als Unterführer dabei sein wollen. Er bestürmt mich schon lange, ihm zu erlauben Erfahrung zu sammeln, und seinen Rang als Chassa zu bekräftigen.“

      „Was für ein schlauer Schachzug, was für ein ausgebufftes Schlitzohr, dieser Kriegs-Wesir“ – aber das dachte der Emir nur still für sich selbst. „Gleich wird der Hadjib ihm den Gefallen tun, und ihn wegen der seinem Sohn gebotenen Chance unterstützen.“

       Da erhob dieser schon seine Stimme: “Sehr gut, genau so sollten wir vorgehen.“

       „Oh Allah helfe uns!“ krähte sofort der alte Finanz-Wesir, „was das alles kosten wird! Was das alles kosten wird! Wer soll das alles wohl bezahlen? Ich hab kein Geld, ich hab doch kein Geld!“ zerschmettert sank er auf seinem Sitzkissen in sich zusammen. Ein bemitleidenswertes Bild des Jammers. Statt Mitleidsäußerungen nur leises Kichern in der Runde. Selbst der Emir hätte gern laut aufgelacht. Er beherrschte sich. Er wählte die Höflichkeitsfloskel: „Lieber Onkel, du vergisst, dass dies nicht dein Geld sondern das des Emirates ist, für das wir alle gemeinsam verantwortlich sind. Ich bin sicher, wenn du noch einmal nachzählst, findest du den notwendigen Betrag in deinen Geldtruhen.

       Und der seine Würde vergessende Hadjib kicherte hinterher:

       „Und wenn du dort nicht fündig werden solltest, nimm einfach den notwendigen Betrag aus jener Kiste mit deinen schwarzen Rücklagen für besondere Notfälle.“

      Völlig am Boden zerstört sank der überlistete Alte in sich zusammen. Wieder einmal mehr musste er, wie schon so oft hinnehmen, dass er von dieser Räuberbande, wie er seine Miträte in solchen Augenblicken heimlich bei sich nannte, beraubt wurde. Jedes Mal, wenn er seine Schatztruhen vor dem Überfließen sah, wurde ihm dieser heimliche lebenslange Wunschtraum unsanft zertrümmert.

      Noch einmal griff der Hadjib das Thema Sadaba auf: „Ich bin zwar kein Kriegsgeneral, aber die Lage an der Frontera bereitet mir Kopfschmerzen. Amir Abd al-Rahman ist unzweifelhaft einer unserer besten Anführer. Wieso hat er seinen Amtssitz in Olite? Am äußersten linken Flügel, wo sich drei Festungen auf engstem Raum drängen: Olite, Urix und Tafalla. Sollte er nicht besser irgendwo in der Mitte, in Sadaba oder Unca residieren? Dann könnte er doch wesentlich rascher eingreifen, wenn es irgendwo auf der 200 km langen Frontlinie brennt!“

       Dem widersprach der Kriegs-Wesir, höflich, aber bestimmt:

       „Die gegenwärtige Lage entspricht den Notwendigkeiten. Die Festungslinie ist eine bloße Verteidigungseinrichtung. Der Kommandeur einer solchen gehört nie in die vordere Linie. Er muss aus der Hinterhand reagieren können, wenn es erforderlich wird. Er muss eine eigene Eingreifreserve haben. All das bietet nur Olite, die alte Römerfestung, unsere stärkste überhaupt. Die liegt als einzige in der 2. Reihe. Genau dort will ich ihn auch haben. Links von ihm sitzt Graf Theuderich im Vorfeld und in Pamplona. Welchen Wert gotische Treueide haben, hat deren König Roderich erfahren, als er von seinen Grafen verraten in der Entscheidungsschlacht mit uns an der Laguna Janda unterging!

       Rechts von unserer Festungslinie regiert Abu Taur als Wali in Huesca. Einer von uns, ein Abbaside. Er und unser Ober-Emir von Al-Andalus in Cordoba stehen zueinander wie Katz und Hund. Mir macht daher gelegentlich unsere rechte Position Kopfschmerzen. Bailo und Larues liegen nördlich von Huesca, zwischen den Basken und dem Wali. Wenn letzterer von Cordoba abfällt, wovon immer wieder Gerüchte umgehen, sind die beiden Festungen isoliert. Deshalb sitz dort Halef ibn Gossara als Kaid beider Qal´as. Die liegen knapp einen Farsach auseinander. Wir, der Wesir al Rasa´il und ich haben ihn gemeinsam dafür ausgesucht. Er ist der einzige politische und diplomatische Kopf unter unseren jüngeren Kaids. Eigentlich zu schade für seinen Posten, aber unentbehrlich für die dortige Aufgabe. Er ist mit Jussuf ibn Tashfin verwandt, dem Hadjib des Walis Den besucht er monatlich mindestens einmal, um Kundschaft einzuholen. Das ist unsere einzige Absicherung im Osten. Dort liegt unser Schwachpunkt. Eigentlich müssten wir die beiden Festungen stärker ausbauen. Das würde aber den Wali misstrauisch machen und ihn in Argwohn stürzen. Selbst Kaid Halef rät daher davon ab.“

      Als er schwieg, warf der Emir dem Hadjib einen anerkennenden Blick zu. Der zollte umgehend dem Kriegs Wesir Beifall für dessen Aufklärung. Genau darum war es ihm auch nur gegangen. Er hatte auf den Busch geklopft. Er wollte sich und dem Emir Klarheit verschaffen, wie die Lage nach Sadaba tatsächlich zu beurteilen war.

       Der Emir gratulierte sich wieder einmal selbst zu seinen beiden wichtigsten Wesiren. Sie hatten wieder einmal mehr bewiesen, dass sie ihren Diwan im Griff hatten. Voll zufrieden mit dem von ihm erwarteten Verlauf der „Beratung“, ordnete weiter an:

       „Kriegs-Wesir, bei dieser Razzia wird das „Köpferollen“ ausnahmsweise einmal eingeschränkt. Ich will je 30 alte und respektierte Dorfhäuptlinge, Dorfälteste, und je 30 ihrer Eheweiber, oder alten Priesterinnen und Zauberfrauen vor meinem Gericht sehen, und das wird furchtbar sein!“

       Er wandte sich an den hinter seinem Sessel knienden Schriftführer, einem jungen Alim (Geistlicher des Islam), der zugleich Lehrer der Adelssprösslinge war, und fasste diese Beschlüsse in Befehlsform zusammen. Den Wesiren befahl er die sofortige gemeinsame Ausführung seiner Anordnungen. Dann hob er die Sitzung auf.

      Während die anderen sich mehr oder weniger gelenkig erhoben, wurde der alte Finanz-Wesir von zwei der Leibsklaven unter den Armen erfasst und in die Senkrechte gewuchtet. Sich vor dem Emir tief verneigend, krebsten sie dann