Feste Muskelpakete zeichneten sich unter der blassen Haut ab. Ein roter Strich zog sich von seinem Nabel quer über Bauch und Brust. Dort hatte sie ihn mit dem Dolch getroffen. Sie wunderte sich noch immer darüber. Ein normaler Mensch hätte am Boden gelegen, die Gedärme überall verteilt.
Der General schien ihren Blick zu spüren. Mit einer schnellen Drehung wandte er ihr den Rücken zu und zog ein frisches Hemd über den Kopf. Ein neues Wams ließ er jedoch weg. Erneut fischte er in der Satteltasche herum und zog ein kleines Bündel hervor. Damit kam er zu Aurelia herüber und ließ sich neben ihr nieder.
„Zeig mir deinen Oberschenkel“, sagte er leise.
„Wie bitte?“ Sie schnaubte unfein durch die Nase.
„Du bist verletzt. Zeig mir die Wunde. Sie muss behandelt werden oder sie entzündet sich.“
Die Männer auf der anderen Seite des Feuers beobachteten ihre kleine Auseinandersetzung aufmerksam.
„Ich kann das selber.“ Schnell griff sie nach dem kleinen Beutel, den er vor sich auf den Boden gelegt hatte und stand auf.
Der Schmerz schoss wie eine Feuerwalze ihr Bein entlang. Die Wunde hatte sich ohne Zweifel schon entzündet. Hinkend verschwand sie zwischen den Bäumen, denn sie wollte nicht, dass sie jemand dabei beobachtete. Mit dem Rücken an den Stamm eines Baumes gelehnt, betrachtete sie ihren Oberschenkel und dann ihre Handgelenke.
„Ich bin so blöd“, zischte sie halblaut und verdrehte die Augen. Mit gefesselten Händen würde sie es kaum schaffen, den Verband zu wechseln. Raschelndes Laub und knackende Äste verrieten ihr, dass der General ihr gefolgt war.
„Probleme?“ Er hatte ein selbstgefälliges Grinsen im Gesicht.
Sie dankte den Göttern, dass es bereits dunkel war und er nicht sehen konnte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. Ohne zu antworten, warf sie ihm den Beutel zu. Geschickt fing er ihn aus der Luft.
Leise vor sich hin fluchend, setzte sie sich auf die Überreste eines umgestürzten Baumes. Der General kniete sich vor sie und entfernte vorsichtig den alten Verband. Ihre Ohren verfärbten sich noch dunkler, als seine kalten Finger die Innenseite ihres Schenkels berührten. Ihr wurde nur allzu bewusst, wie wenig Stoff sie noch trug, nachdem sie das zerfetzte Hosenbein am Morgen abgerissen hatte.
Sie neigte den Kopf leicht zur Seite, um die Wunde besser sehen zu können. Noch im schwachen Licht der Abenddämmerung konnte sie erkennen, dass sich die Wundränder dunkelrot verfärbt hatten. Eine Blutvergiftung würde den Tag doch aufheitern, dachte sie mürrisch.
Klirrend öffnete der General eine kleine Glasflasche mit einer durchsichtigen, klaren Flüssigkeit als Inhalt und tröpfelte etwas davon auf ein kleines Tüchlein. Dieses drückte er dann auf die Wunde. Aurelia musste auf ihre Faust beißen, um nicht zu schreien.
„Entschuldige, ich hätte dich vorwarnen sollen“, sagte er, doch die Entschuldigung klang nicht ganz echt.
Als nächstes holte er eine Dose aus Metall hervor und strich eine scharf riechende Paste auf die Wunde. Sie erwartete ein Brennen, doch stattdessen sorgte die Paste für eine angenehme, schmerzlindernde Kühle. Zum Schluss deckte er die Wunde mit einer sauberen Auflage ab und legte einen neuen Verband an. „Ich wusste gar nicht, dass jemand der nicht sterben kann, einen Beutel mit Heilmitteln mit sich herum trägt.“
„Es gibt einige Dinge, von denen du nichts weist“, sagte er ungerührt und verstaute das Fläschchen, sowie die Dose, wieder in dem Beutel.
„Wie lautet dein Name?“ Sie wusste nicht, warum sie das fragte. Eigentlich war es ihr egal, aber irgendwie wollte sie ihren Gegenüber auch gerne mit einem Namen ansprechen.
Er sah sie kurz an, antwortete aber nicht.
„Findet du nicht auch, dass eine junge, unschuldige Maid, wie ich es bin, wenigstens das Recht dazu besitzt, den Namen ihres Peinigers zu erfahren?“ Sie konnte nahe zu hören, wie er mit den Zähnen knirschte. Langsam fand sie Gefallen daran, ihn zur Weißglut zu treiben. Auch wenn die Prellung an ihrer Wange sie schmerzhaft daran erinnerte, wie kräftig seine Schläge waren.
„Kyle“, antwortete er und hätte sie am liebsten mit seinen Blicken getötet, wenn er gekonnt hätte.
Aurelia legte den Kopf schräg und wartete. „Kyle und weiter?“ fragte sie schließlich.
„Nichts weiter.“ Er wich ihrem Blick aus.
„Kyle...“, sagte sie gedehnt. „Ich danke dir.“ Wider Erwarten war es tatsächlich ernst gemeint. Diese ganze Situation war paradox. Kyle schien das Gleiche zu denken und sah sie von der Seite an. „Und wie lautet dein Name?“ Diesmal fixierte er sie wieder mit seinen tiefgrünen Augen.
Sie zögerte einen Augenblick lang.
„Aurelia“, sagte sie dann.
Kyles Augen wurden schmal und seine gesamte Haltung bekam etwas angespanntes. „Wie lautet er weiter?“
Sie grinste.
„Nichts weiter. Nur Aurelia.“
Ihr Grinsen wurde breiter, als sie sah, wie er innerlich zu toben begann. Dieses Spiel gefiel ihr immer besser.
„Komm jetzt“, sagte er, fasste sie am Arm und zog sie hinter sich her zurück zum Lager.
Dort lagen die anderen drei Männer schon fest in ihre Decken gewickelt und schnarchten laut vor sich hin.
Aurelia bedachte Kyle noch mit einem kalten Blick, bevor sie sich nahe beim Feuer auf den Boden niederließ und sich in ihren Mantel wickelte. Kyle setzte sich, mit dem Rücken an einen Baum gelehnt, ihr gegenüber. Sie drehte sich so, dass sie in die Flammen starren konnte. Während sie so dalag und sich fragte, wie es weitergehen sollte, überfiel sie der Schlaf.
Der Drache starrte sie aus schwarzen Augen an. Überall um sie herum tobten lodernde Flammen. Es war heiß, unerträglich heiß. Plötzlich wuchsen lange, dünne Beine aus dem Drachenkörper. Erst zwei, dann vier, dann immer mehr, bis er die Gestalt eines Tausendfüßlers annahm. Er zog immer engere Kreise um sie und spie schwarze Flammen in die Luft.
Mit einer raschen Bewegung drehte er den Kopf und öffnete sein gewaltiges Maul, um sie zu verschlingen. Alles, was sie sehen konnte, war ein Meer aus schwarzen Flammen.
Mit einem jähen Aufschrei erwachte Aurelia.
Ihr Herz hämmerte wild in ihrer Brust. Kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn. Mit zitternden Fingern griff sie nach der Kette um ihren Hals. Der rote Stein lag kühl und glatt in ihrer Hand.
Für einen kurzen Augenblick schloss sie die Augen und atmete tief durch. Das Feuer war fast vollständig herunter gebrannt. Auf der anderen Seite konnte sie die drei Soldaten sehen, die tief und fest schliefen. Beneidenswert. Sie neigte den Kopf ein wenig und betrachtete den Stein in ihrer Hand.
Das Feuer spiegelte sich auf seiner Oberfläche und es wirkte, als würde er leben.
„Eine schöne Kette hast du da. Ein Erbstück?“ Die Stimme zu ihrer Linken ließ sie aufschrecken. Ihr Kopf flog herum und sie ließ die Kette unter ihrem Hemd verschwinden.
Es war Kyle. Er saß immer noch an den gleichen Baum gelehnt, wie einige Stunden zuvor.
„Beobachtest du mich?“ fuhr sie ihn ungehalten an.
„Es wirkte, als hättest du einen Albtraum“, sagte er ungerührt.
Aurelia musterte