Wir alle erschrecken. Anisa fängt an zu weinen.
„Hör sofort auf damit!“ befiehlt Ismene scharf, „das hilft jetzt gar nichts, wir brauchen jetzt Ideen nicht Tränen!“
Anisa stoppt sofort und schnupft nur noch leise vor sich hin. Ja, Ideen sind jetzt gefragt.
Alle schauen in die Runde. Verstecken? Das magere Gebüsch da und dort bietet keinerlei Deckung, die wackeren Felsen, mit denen die Wiesen noch vor einer Weile gespickt waren, sind verschwunden, sollen wir in ein Mausloch kriechen? Panik greift um sich, was sollen wir nur tun?
„Verstecken wir uns in den Körben?“ schlägt Phoebe vor.
„Geht nicht. Die Körbe sind voll, wo also hin mit den Waren und zudem könnten die Kerle ja auf die Idee kommen, in die Körbe zu gucken oder sogar ihre Schwerter hinein zu stecken“.
„Kämpfen!“ beschliesst jetzt Niko. „Wir erschlagen sie, hier sieht das keiner, dann verstecken wir die Leichen, und bis jemand die findet, schaukeln wir längst Syrakus entgegen!“
„Du vergisst, dass dies erprobte Krieger sind, der Ausgang des Kampfes ist keineswegs sicher, wir brauchen erst mal eine andere Idee,“ widerspricht Ariston.
Georgios hingegen ist die Ruhe selbst. Gemütlich schaut er in die Runde und sagt dann:
„Ich weiss, was wir tun. Schaut, dort vorne ist ein kleiner Hain von Feigenbäumen. Ich fahre bis dorthin. Dort steigt ihr rasch aus, verteilt euch im ganzen Hain.“
Wir alle betrachten nun die Feigenbäume. Sicher, dort rascheln Blätter im Wind, von hier aus sieht es nach ganz ordentlicher Deckung aus, aber es sind keine uralten, dicken Bäume mit knorrigen Stämmen, nein, es sind recht junge Bäume, die auf dem kargen Boden wohl auch nicht so gut gedeihen können. Die Stämme sind so dünn, dass sich niemand dahinter verbergen kann, das Laub so schütter, dass sich nicht einmal die kleine, zierliche Phoebe verstecken könnte.
„Da sehen sie uns doch sofort, das hilft uns gar nichts!“ finde ich nun, „wir brauchen bessere Deckung.“
Aber Georgios widerspricht:
„Ihr braucht keine Deckung, die sollen euch ruhig sehen. Seht doch, die Feigen sind reif, und ihr seid jetzt Bauern, die die Feigen pflücken. Die Reiter suchen Wanderer, nicht Bauern, die arbeiten. Sie werden euch kaum beachten. Bleibt einfach nicht zusammen und sucht euch Bäume aus, die ein Stück vom Weg entfernt sind. Sobald die Reiter da sind, arbeitet ihr so fleissig, wie ihr könnt! Legt eure Mäntel auf den Boden, sammelt fleissig Feigen und legt sie darauf, dann sieht das ganz echt aus. Aber versteckt auch eure Waffen unter den Tüchern!“
Der Plan scheint uns gut, ein besserer ist auch gar nicht zu finden, so bringt Georgios uns zu den Feigenbäumen, und wir verteilen uns so rasch wir können. Ich bleibe bei einem Baum nahe am Weg stehen, Niko wendet sich den Früchten etwas weiter hinten zu, und auch Ariston sucht sich einen Platz nicht allzu weit vom Weg entfernt. Die Frauen schicken wir zu den Bäumen weiter oben.
Dann lege ich meinen Mantel auf den Boden, schiebe mein Schwert darunter und fange an, Feigen zu pflücken. Ich bin wild entschlossen, nicht einfach klein beizugeben, sollten die Reiter uns erkennen. Es sind zwar zwei, da sie aber sicher annehmen, dass wir keine Waffen haben, könnte ich vielleicht auch beide besiegen, falls ich sie völlig überraschend angreifen würde. Auch Ariston hat sein Schwert griffbereit unter dem Tuch, auf das er die gepflückten Feigen legt, Niko zeigt mir seinen Dolch und versteckt ihn dann in seinem Chiton. Alle sind bereit.
Das Hufgeklapper wird immer deutlicher, hört dann aber plötzlich auf. Was ist los? Drehen sie um? Bald setzt das Klappern wieder ein, die Reiter werden wohl bald hier sein.
Georgios bleibt noch etwas stehen, fährt dann langsam weiter, und schon bald versperren ihm zwei Reiter den Weg. Beide sehen furchteinflössend aus, grosse hässliche Narben verunstalten das Gesicht des einen, er hat offenbar schon viele Kämpfe hinter sich. Der andere ist etwas jünger und weniger vernarbt, aber sein verkniffener Gesichtsausdruck und seine stechenden Augen lassen auch nichts Gutes verheissen.
Mein Blick fällt auf mein Schwert, rasch wende ich mich aber wieder den Feigen zu. Auch Niko legt seine Hand auf seinen Chiton, auch er will offenbar sicher sein, dass er seinen Dolch rasch packen könnte. Ariston hingegen ist für einen kurzen Moment wie erstarrt, schaut dann verzweifelt zu mir hin, und erst als ich ihm bedeute, dass er sich den Früchten zuwenden solle, lässt seine Starre nach und er stürzt sich mit Feuereifer auf seine Arbeit, ohne aber die Reiter aus den Augen zu lassen. Ich wende mich nun den hinteren Ästen zu, so kann ich Feigen pflücken und gleichzeitig das Geschehen auf dem Weg beobachten.
„Hör zu!“ ruft nun der Narbige, „hast du auf dem Weg Wanderer gesehen?“
„Wanderer,“ fragt Georgios, „was für Wanderer?“
„Ist doch gleich, eben Wanderer, hast du welche gesehen, ja oder nein!“
„Ich weiss nicht,“ meint Georgios „wo soll ich denn Wanderer gesehen haben?“
„Auf diesem Weg natürlich, du Dummkopf!“ Georgios überlegt.
„Wanderer sind meistens eher auf dem Weg nach Megara zu finden, die wollen doch dort zum Markt, oder nicht?“ fragt er jetzt.
Der Reiter wird ungeduldig.
„Natürlich, aber wir wollen wissen, ob du auf diesem Weg hier Wanderer gesehen hast, ist das denn so schwer zu begreifen? Also?“
Georgios überlegt. „Ja,“ meint er dann. Wir alle erstarren und vergessen uns um die Feigen zu kümmern.
„Ja, klar,“ meint Georgios, „da war doch die alte Frau mit dem Korb voll Nüsse. Sucht ihr die?“
„Eine alte Frau mit Nüssen, nein, sicher nicht.“
„Ach, da war doch noch mehr!“
Die Reiter schnellen in die Höhe: „Ja, was hast du noch gesehen?“
„Da war doch noch der kleine Junge, der die Schafe gesucht hat. Sucht ihr die Schafe?“
„Schafe, nein, sicher nicht, sind wir denn Bauern? Nein, wir suchen drei Männer und drei Frauen, hast du die gesehen?“
„Und wann soll das gewesen sein?“ fragt jetzt Georgios.
Die Reiter ärgern sich sichtlich. „Heute natürlich, vor ein paar Stunden vielleicht!“
Wieder überlegt Georgios und macht dazu ein dummes Gesicht.
„Komm,“ sagt der erste Reiter, „das bringt nichts, das ist nur so ein dummer Bauer, wie soll der schon auf drei zählen können!“
Jetzt aber strahlt Georgios: „Drei Männer, drei Frauen, nein dies hab ich nicht gesehen, ihr seid wohl auf dem falschen Weg, hier sind nur Bauern, die arbeiten“ - und mit einer Handbewegung zeigt er auf uns Feigenpflücker – „und eben die alte Frau und der Junge.“
Beide Reiter schauen nun zu uns hinüber, und wir alle pflücken so eifrig wie wir nur können.
„Du bist keine Hilfe, Bauern interessieren uns nicht!“ brummen nun die Reiter, schauen sich nochmals um und reiten schimpfend über die Wiese an Georgios und seinem Wagen vorbei. Wir bleiben bei unseren Bäumen und erst, als das Hufgeklapper längst verstummt ist, wagen wir es, zurück zum Wagen zu kommen.
Ariston umarmt Georgios: „Du hast uns gerettet, wir danken dir!“
Ismene bricht in Tränen der Erleichterung aus und Niko zieht den Dolch aus seinem Chiton:
„Einfach so hätten die uns nicht mitnehmen können, mindestens einen hätte ich erdolcht.“
Aber wir sind alle froh dass dies nicht nötig wurde, setzen uns wieder auf den Wagen und schütteln über den holperigen Weg weiter.
Bald werden die Schatten länger, aber das Dorf Aridas ist noch nicht zu sehen. Dennoch hält Georgios an und steigt vom Wagen. Er schneidet zwei kleine Zweige einer