»Das nehme ich an. Ich glaub jedenfalls nicht, dass sie seine Ehefrau ist. Er traf sich mit der Blonden heimlich, aber so unauffällig, dass es schon wieder auffällig war. Da macht man sich halt so seine Gedanken.«
»Naja, der Haingruber wird sicher nicht der einzige sein…«,
»Ach, wo denkst du hin! Manche der Casanovas haben jedes Mal eine andere Braut dabei. Die geben an mit ihren Jachten und ihrem Geld. Aber das sind eher die Geschiedenen. Die glauben, sie müssen sich und den anderen beweisen, was sie für tolle Kerle sind. Und die angeblichen Studentinnen sind offensichtlich einem Abenteuer nicht abgeneigt. Vor allem, wenn für sie was dabei herausspringt. Für sowas habe ich einen Blick.«
Selbstzufrieden lehnte sie sich zurück und verschränkte resolut die Arme vor der Brust.
8
»Gerd, Liebling, hier ist dein Special-Drink.«
Gerd Götze, ein Hüne von ein Meter neunzig, lag lässig auf dem Sonnendeck seiner gecharterten Segeljacht. Er und seine Gespielin Rosi verbrachten hier am Gardasee gerade ihren Urlaub. Sie hatten sich für eine Woche in einem kleinen Hotel eingemietet. Hier hatte Götze auch vor vier Wochen das Binnenschifffahrtspatent bei einem Wochenendtrip im Schnellverfahren erworben. Und er beabsichtigte, sich in naher Zukunft ein eigenes Boot zu kaufen.
Rosi kam anmutig, nur mit einem Tanga bekleidet und zwei Longdrinks in den Händen, aus der Kajüte. Sie hatte ihre üppige blonde Mähne aufgesteckt und ihr schlanker, gebräunter Körper glänzte in der Sonne. Lächelnd überreichte sie Gerd seinen Drink wie er ihn liebte, mit wenig Eis und viel Rum, und setzte sich zu ihm.
»Hier lässt es sich aushalten, was?«, begeistert ließ er seinen Blick schweifen. Segelboote glitten elegant über den See und die Wellen funkelten in der Sonne, wie mit Diamanten besetzt.
»Das kannst du laut sagen. Hier könnte ich für immer bleiben«, seufzte Rosi und lehnte sich aufreizend zurück. Die Sonne strahlte am wolkenlosen Himmel und eine leichte Brise streichelte zart ihre Haut. Die Segel ihrer Jacht waren gerefft und das Boot schaukelte sanft auf den Wellen.
Gerd schaute Rosi begehrend an und dachte daran, wie er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Er lernte Rosi Maierhofer eines Tages in einer Bar kennen. Rosi war damals erst vor kurzem aus ihrer spießigen Vorstadtsiedlung in die Stadt gezogen, um die große weite Welt kennenzulernen. Gerd lud sie zu einigen Drinks ein und sie erzählte ihm freimütig:
»In dem Kaff wär ich eingegangen wie ein Mauerblümchen. Da war alles zu eng für mich und man konnte sich nirgends ein bisschen amüsieren. Abends war dort der tote Hund begraben.«
»Und was machst du jetzt? Hast du einen Job?«, wollte Gerd wissen.
»Nein, ich bin noch auf der Suche. Ich weiß nicht so recht, was ich machen will. Meine Oma hat mir glücklicherweise ein paar Tausender vermacht und das war meine Chance, abzuhauen.«
Sie wohnte in der Nähe des Bahnhofs, in einer kleinen Pension, und jobbte gelegentlich als Kellnerin. Gerd bemerkte schnell, dass sie sehr kontaktfreudig und Männerbekanntschaften nicht abgeneigt war. Außerdem war sie außerordentlich hübsch und hatte eine erstklassige Figur.
»Vielleicht weiß ich was für dich«, sagte er und sah sie lauernd von der Seite an, »einem Freund von mir gehört das ›Rouge Bijou‹, das ist ein Lokal in der Innenstadt. Der ist immer auf der Suche nach aufreizenden Schönheiten, die tanzen können und die Gäste zum Trinken animieren. Geh doch morgen gleich mal hin und stell dich vor.«
Ihr Blick war schon leicht benebelt und sie gackste:
»Was glaubst denn du von mir? Ich geh nicht mit jedem ins Bett, hast mich!«, und fast unverständlich murmelte sie noch: »Ich bin doch nicht so eine.«
»Nein, nein, das ist doch kein Puff, nur ein Animierlokal. Da kannst du richtig Kohle verdienen. Ich könnte dich auch hinbegleiten.«
»Okay, vielleicht schau ich´s mir mal an«, lallte sie »und jetzt will ich heim.«
Gerd brachte sie nach Hause. Am nächsten Tag holte er Rosi ab und fuhr mir ihr ins ›Rouge Bijou‹. Heini Rösler, der Inhaber der Bar war sofort von ihr begeistert, er bot ihr den Job an und sie sagte freudig zu. Kurz darauf bezogen Gerd und Rosi eine gemeinsame Wohnung. Das war jetzt schon drei Jahre her.
Gerd wollte Rosi an sich ziehen.
»Vorsicht«, sagt sie und drehte sich zur Seite, »ich hab mich gerade eingeölt.«
»Das merke ich«, erwiderte er und wischte seine sonnenölverschmierte Hand an seinem Handtuch ab.
»Übertreibst du da nicht ein bisschen?«
»Ich muss aufpassen, dass ich keinen Sonnenbrand kriege.« Sie hatte eine sehr helle, empfindliche Haut, anders als Gerd, der immer braun gebrannt war. Wenn es an Sonnenstrahlen mangelte, ging er ins Solarium. Mit seinen schwarzen Haaren, den dunklen, glutvollen Augen und seinem athletischen Körper sah er aus wie der Prototyp des ›Latin Lover‹.
»Sowas kann ich im Geschäft wirklich nicht brauchen. In ein paar Tagen muss ich wieder zurück in die Kaschemme«, jammerte sie, »ich will aber nicht, ich hab den Schuppen satt. Wann ist es denn endlich soweit?« Fragend schaute sie ihn mit einem Schmollmund an.
»Noch ein bisschen Geduld Schätzchen, es dauert nicht mehr lang. Die Sache läuft. Das klappt so sicher wie das Amen in der Kirche.«
Zufrieden seufzend legte er sich auf den Rücken und verschränkte die Hände hinter dem Kopf.
»Jetzt genießen wir erst mal unseren Urlaub. Am Sonntag fahren wir zurück und nächste Woche ist es soweit. Ich erwarte ein ordentliches Startkapital und sobald das Geld da ist, geht´s los. Totsicher.«
Dabei lachte er so verächtlich, dass Rosi eine Gänsehaut bekam.
»Manchmal machst du mir direkt Angst«, murmelte sie und ging in die Kajüte, um ihre Zigaretten zu holen. Als sie zurück kam, zündete sie zwei Zigaretten an, reichte ihm eine und bohrte nochmal nach: »Das geht doch wirklich alles in Ordnung, mit dem Geschäft, meine ich«, fragte sie vorsichtig.
»Ja doch, jetzt beruhig dich mal wieder«, beschwichtigte er sie, »ich hab´s dir versprochen und ich halte mein Versprechen, kennst mich doch. Das Einverständnis kriegen wir, das ist alles schon abgemacht. Mach dir also keine Sorgen und hol mir lieber noch einen Drink.«
Sie verdrehte die Augen, ging in die Kabine und mixte zwei neue Cuba-Libre, wie gewünscht mit wenig Eis und viel Rum.
9
Nach dem Mittagessen in der ›Seerose‹ fuhr Korbinian Kronfeld zurück in die Stadt. Er hatte Frau Haingruber nach dem Leichenfund zuhause anrufen wollen. Die Haushälterin nahm das Gespräch entgegen. Sie war heute ausnahmsweise länger geblieben, da die Spurensicherung ihre Arbeit noch nicht beendet hatte. Frau Neumann erzählte dem Kommissar, die gnädige Frau hätte es im Haus nicht mehr länger ausgehalten und wäre jetzt in der Firma anzutreffen. Jemand müsse sich schließlich um das Geschäft kümmern, ›während ihr Mann sich sonst wo herumtrieb‹, wie sie sich ausgedrückt hatte.
So sparte er sich den Weg zur Villa und suchte direkt den Firmensitz des Haingruber-Tabak-Unternehmens auf. Es war ein riesiges Gelände vor den Toren der Stadt. Kronfeld lenkte seinen Wagen durch eine breite Einfahrt. Auf der linken Seite sah er die gewaltige Lagerhalle, die den größten Teil des Grundstücks in Anspruch nahm. Rechterhand befand sich der Firmenparkplatz, von dem eine schmale Straße zum Verwaltungsgebäude führte. Als er das Gebäude erblickte, war er verblüfft. Es glich eher einem feudalen Herrenhaus, als einer Firmenzentrale.
Über eine dreistufige Außentreppe gelangte er durch eine wuchtige Eingangstür in eine prächtige Vorhalle. ›Diese Leute müssen auch alles übertreiben‹, dachte er spöttisch. Der