»Tja…, ohne die Endergebnisse der Sachverständigen haben wir im Moment nicht viel anzubieten«, erwiderte Kronfeld abwägend.
»Na dann an die Arbeit«, drängte Lackner, »je eher wir den brisanten Fall vom Tisch haben, desto besser kann ich wieder schlafen.«
Auf dem Weg zum Aufzug sah Korbinian eine Gruppe Kollegen am Getränkeautomat stehen.
»Ich habe jetzt endlich meinen Bootsführerschein, das nennt sich Binnenschifffahrtspatent«, hörte er Hans Moser vom Sittendezernat erzählen, »aber so etwas interessiert unseren Bergfex nicht«, fügte er hinzu als er Kronfeld sah, »der rennt ja nur auf die Berge und fotografiert Blümchen.«
Kronfeld überhörte mit einem Lächeln diese spöttelnde Anspielung auf sein Hobby. Das Fotografieren von Bergblumen in Makrotechnik war schon seit seiner Jugendzeit seine große Passion. »Da hab ich wenigstens meine Ruhe. Ihr Freizeitkapitäne sitzt doch nur zum Angeben auf euren Kaffeedampfern.«
»Da täuscht du dich aber, mein Lieber«, plusterte Moser sich auf, »die mit den Kaffeedampfern sind die Bonzen aus der Stadt, wir betreiben das Segeln schon noch als Sport. Vielleicht werde ich sogar Mitglied im Segelclub«, grinste er.
»Ich fürchte, dazu fehlt dir noch das nötige Kleingeld«, witzelte Kronfeld. »Aber Spaß beiseite Hans, gut dass ich dich gerade treffe. Wir bilden eine SOKO im Fall Haingruber. Eine Spur führt offensichtlich ins Rotlicht-Milieu, da möchte ich dich gern dabei haben. Kannst du in einer Stunde in die SOKO-Zentrale kommen?«
»Ah ja, hab schon von dem Fall gehört. Der große Haingruber ist von uns gegangen worden. Okay, ich bin in einer Stunde da.«
Die SOKO-Zentrale war ein großer Raum in dem sich mehrere Schreibtische befanden. Jeder Arbeitsplatz war mit eigenem Telefon und Computer ausgestattet. Außerdem gab es dort eine große Pinnwand.
Zurück in seinem Büro, überlegte Kronfeld, wen er noch zur ›SOKO Haingruber‹ hinzuziehen sollte. Hans Moser von der ›Sitte‹ war schon mit im Boot, desweiteren brauchte er Werner Deininger vom ›Einbruch‹ und am besten auch noch Gustl Meierle vom ›Betrug‹, der könnte sich mit den Unterschlagungen in der Firma befassen. Jeder von ihnen hatte sein Spezialgebiet, jeder hatte Erfahrung mit der Arbeit in einer SOKO und jeder hatte seine Verbindungen und Informanten.
Kronfeld hängte sich gleich ans Telefon. Nach zehn Minuten stand die Mannschaft fest und eine Stunde später waren alle in der Zentrale versammelt.
Kommissar Kronfeld unterrichtete seine Kollegen über die vorläufigen Erkenntnisse zum Tathergang und gab in Kurzform die bisherigen Aussagen wieder. Während er die Kopien der Ermittlungsergebnisse verteilte, klingelte sein Telefon.
»Hallo Korbinian«, meldete sich Ralf Krüger von der Kriminaltechnik, »ich hätte schon mal ein paar Ergebnisse für dich.«
»Von der Explosion oder vom Einbruch?«, wollte Kronfeld wissen.
»Sowohl als auch.«
»Sehr gut, Ralf. Bin schon unterwegs.« Er klatschte in die Hände und wandte sich seinen Kollegen zu.
»Okay, los geht’s. Gustl, du beantragst bitte gleich den Durchsuchungsbeschluss für die Firma Haingruber und bestellst Hr. Merkheimer, den gefeuerten Prokuristen, für heute Nachmittag zur Vernehmung. Hans, du hörst dich mal in der Szene um und kriegst raus, welche blonde Bordsteinschwalbe sich am Jachthafen rumtreibt. Werner, du kannst gleich mit mir zur KT gehen, Ralf hat schon was für uns.«
Ralf Krüger empfing die beiden Kommissare mit einem lauten: »Hereinspaziert meine Herren.«
Er wandte sich an Kronfeld: »Also, die Explosion wurde auf jeden Fall absichtlich herbeigeführt und zwar mit einer Bombe, die hatte eine enorme Schlagkraft. Wie es aussieht, war der Sprengsatz selbstgebastelt und mit einem Zeitzünder ausgestattet. Wir haben Teile davon im See gefunden, die aber noch genauer untersucht werden müssen. Dann kann ich dir mehr erzählen.«
Er drehte sich zu Deininger.
»So und jetzt zum Einbruch. Die Alarmanlage hat deshalb nicht funktioniert, weil sie nur eine Attrappe ist. Es ist nicht zu fassen, da haben die Leute alles vom Feinsten, aber wenn´s um den Schutz ihrer Wertsachen geht, wird geknausert. Es gibt zwar noch einen Bewegungsmelder, aber der war nicht mal angeschlossen. So viel Dummheit gehört wirklich bestraft.« Er schüttelte den Kopf.
»Irgendwelche verwertbaren Spuren für uns?«, fragte Deininger.
»Ja, habe ich. Der Einbrecher war nämlich ein Dummkopf, er hat Fingerabdrücke am Fensterrahmen hinterlassen. Die werden gerade ausgewertet. Das Fenster zum Arbeitszimmer hat er einfach ausgehebelt und ist rein geklettert. Dabei hat er uns auch noch Abdrücke von seinen Schuhsohlen dagelassen. Seine Handschuhe hat er anscheinend erst angezogen, als er schon drin war. Da fanden wir nämlich keine Fingerabdrücke mehr. Der Safe war aufgebrochen und leergeräumt. Der war, wie gesagt, ein uraltes Modell. Um den zu knacken, hat wahrscheinlich ein Dosenöffner gereicht.«
»Konnte die Witwe Angaben zum Inhalt des Safes machen?«, fragte Kronfeld.
»Nein, angeblich wusste sie nicht, was drin war. Meinen Bericht kannst du gleich mitnehmen. Ich melde mich, wenn wir was Neues haben.« Krüger überreichte Kronfeld die Akte und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
Zurück in der Zentrale schaute Deininger auf die Uhr.
»Mein Magen und meine Uhr sagen mir, dass es an der Zeit ist Mittagspause zu machen. Kommst du mit in die Kantine?«
»Eine bessere Idee hätte ich jetzt auch nicht haben können«, freute sich Korbinian.
12
Verena Pfortsheimer rannte aufgebracht in das Arbeitszimmer ihres Mannes und knallte ihm wütend die Zeitung auf den Schreibtisch.
»Warst du das?«, schrie sie ihn hysterisch an. Helmuth Pfortsheimer sah sie verständnislos an, nahm die Zeitung auf und las die Schlagzeilen. Dort stand: ›Unternehmer Dieter Haingruber tot.‹ Und darunter: ›Mysteriöse Explosion auf der Jacht des Multimillionärs.‹ Der darauf folgende Bericht enthielt wilde Spekulationen von sensationsgeilen Reportern, die alles Mögliche vermuteten. Aber die Polizei hatte noch keine offizielle Presseerklärung herausgegeben und so verbreitete man vorerst nur Gerüchte.
»Na also», sagte Pfortsheimer und grinste zufrieden, »ich habe dir doch gesagt, dass der Fall für uns bald erledigt ist.«
»Bist du verrückt geworden?«, zeterte Verena weiter, »der Mann ist tot. Sag mir sofort, was du damit zu tun hast.« Sie stützte ihre Hände auf den Tisch und funkelte ihn zornig an.
»Natürlich gar nichts«, der Abgeordnete wurde ärgerlich, warf die Zeitung auf die Schreibunterlage und lehnte sich zurück, »was fällt dir ein, mir so etwas zu unterstellen. Solche Methoden habe ich nicht nötig, um mir einen Aasgeier vom Hals zu halten.«
»Aha, und welche Methoden bevorzugst du?«
»Sei nicht albern. Glaubst du wirklich, ich würde einen Mord begehen?« Er beugte sich nach vorn, »ich gebe ja zu, dass mir der Tod von Haingruber nicht ungelegen kommt, aber damit habe ich wirklich nichts zu tun.« Er lächelte sie versöhnlich an. Doch Verena ließ nicht locker.
»Womit hatte er dich in der Hand? Was sind das für Papiere?«
»Herrgott, irgendwelche Unterlagen eben.«
»Soso, mit irgendwelchen Unterlagen hat er also versucht, dich zu erpressen!«
»Er hat mich nicht erpresst, merk dir das..., okay, er hat schriftlich festgehalten, dass ich ihm durch mein Amt ein paar Vorteile verschafft habe, hier und da mal eine kleine Subvention und andere Kleinigkeiten. Na und? Dafür habe ich mir seine Gegenleistungen quittieren lassen. Deshalb hatten wir uns, wenn du so willst, gegenseitig in der Hand. Er konnte gar nichts gegen mich unternehmen. Warum hätte ich ihm also etwas antun sollen? Ich musste ihn in letzter Zeit nur etwas zurechtstutzen, das ist alles.