Kater Frieda. Gert Podszun. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gert Podszun
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847626718
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Vater ihn zur weiteren Arbeit in der Band ermutigt hatte. Außerdem hatte er ihm noch ein zusätzliches Taschengeld zugesteckt.

      „Danach kannst Du Deine Fans oder Kumpel ein bisschen einladen.“, hatte er ihm zugezwinkert.

      Noch bis vor wenigen Monaten war es üblich, dass die Kinder ihre Eltern bei dem sonntäglichen Kirchenbesuch begleiteten. Aber diese Gewohnheit hatte sich geändert. Die Kinder drückten sich mehr und mehr davor, an diesem Routinegang teilzu-nehmen. Eddi duldete das. Eva schwieg dazu. Während sich die Kinder auf das Jazzkonzert vorbereiteten, gingen ihre Eltern zum sonntäglichen Gottesdienst.

      Eva gefiel es, dass der Pfarrer in seiner Predigt einen deutlichen Hinweis auf die Verführung durch die Gier eingebaut hatte. Auf dem Weg zum Mövenpick wies sie Eddi darauf hin.

      „Wenn man doch immer einen Spiegel zur Selbstkontrolle hätte!“, meinte er zu Evas Ausführungen.

      „Du mit Deinen philosophischen Anmerkun-gen!“, meinte Eva und studierte sogleich nach der Ankunft im Restaurant die Speisekarte. Es gab ein mediterran komponiertes Sonntagsmenü. Sie entschied sich anders als sonst schnell dafür. Eddi schloss sich an. Als sie das Dessert - eine Variation von Früchten mit Eierlikör - serviert bekamen, eröffnete Eva das geplante Gespräch.

      „Ich bin dafür, dass wir gemeinsam überlegen, ob wir vielleicht doch an diesem Erbe teilhaben können.“

      „Teilhaben?“

      „Ja, es kann doch niemandem schaden. Es ist nur zu überlegen, in welchem Maße wir die Kinder einbeziehen.“

      „In welchem Maße? Sie sind doch eigentlich die Erben!“

      „Ja, in gewisser Weise schon, aber sie wissen es ja noch nicht.“

      „Nichtwissen ändert doch das Vermächtnis nicht.“

      „Aber es geht nicht ohne Dich.“

      „Doch, es geht nur ohne mich!“

      „Das sehe ich ein wenig anders. Höre mir bitte einfach zu. Ich will ja nicht, dass wir die Kinder hintergehen, aber ich stelle mir vor, dass wir den Effekt des Vermächtnisses – sagen wir einmal – zeitlich verschieben.“

      „Also willst Du mich entfernen, unsichtbar machen?“

      „Bitte höre mir doch erst einmal zu, bevor Du solche Anmerkungen machst. Wenn wir davon ausgehen, dass die Kinder zurzeit noch nicht über dieses Vermächtnis informiert sind und dass ein Weg bestünde, sie gut zu versorgen, dann ist das doch eine Überlegung wert. Ich habe folgende Idee: Wir beteiligen die Kinder urkundlich an unserer Klinik und garantieren ihnen eine entsprechende Rendite. Dann ist der Wunsch von Onkel Ferdinand ganz gewiss erfüllt und wir schlagen sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe.“

      „Wie, womit willst Du die Kinder an einer noch nicht vorhandenen Klinik beteiligen?“

      „Na, überlege doch mal, bitte. Wenn die gewünschte Voraussetzung eintritt, dann steht doch der Umsetzung dieser Idee nichts im Wege.“

      „Hmmh. Also muss ich aus dem Leben scheiden, damit Dein Plan aufgeht. Wenn ich das aber nicht will, was ist dann?“

      „Also Eddi, Du bist doch sonst auch so clever. Du musst doch nicht sterben, Du musst nur Deine Identität ändern. Und schon haben wir die Klinik und gut versorgte Kinder. Ist das nicht ein guter Ansatz?“

      Eddi wollte vom Tisch aufstehen, hinderte sich aber selbst daran, seinen Platz zu verlassen, weil er es als sehr unhöflich empfunden hätte, ein geplantes Gespräch einfach durch ungeplante Abwesenheit zu unterbrechen. So war er.

      „Ich habe es wahrscheinlich nicht richtig verstanden, was Du da im Kopf hast. Du siehst also eine Möglichkeit, dass ich irgendwann nicht mehr existiere, dass ich meine Identität verliere oder aber eine neue gewinne oder beides?“

      „Die Sache gebietet es, dass Du Dich bitte nicht aufregst.“

      Eva winkte dem Ober und bestellte zwei Glas Cynar.

      „Es kann doch nicht so schwer sein, aus dem Angebot des Onkels eine Chance zu machen, zudem, wenn dadurch niemand zu Schaden kommt. Betrachten wir das doch einmal aus einem rein praktischen Blickwinkel. Da gibt es ein Vermächtnis zugunsten unserer Familie. Daran ist eine Bedingung geknüpft. Diese Bedingung wird ja wohl zu erfüllen sein. So könntest Du zum Beispiel eine gewisse Zeit im Ausland arbeiten, irgendwo in Südamerika oder in Asien und nach einer gewissen Zeit könnte es Dir gelingen, Deine Identität zu ändern und schon wäre unser Ziel erreicht.“

      „Eva, das ist nicht rechtens, was Du da überlegst. Das ist Betrug!“

      Der Cynar schmeckte Eddi, im Gegensatz zu sonstigem kleinen Genuss, eher bitter als angenehm, nicht süßlich. Eher herb bitter. Er betrachtete das schwere Glas, die Eisstücke darin und die in zwei Hälften geteilte Scheibe einer Limette. Erneut ließ er einen kleinen Schluck über seine Zunge gleiten und wälzte ihn einen kleinen Moment in seinem Mund.

      „Eddi!“

      Eddi kannte Momente mit Eva, in denen es unmöglich war, ihr zu widersprechen. Sie hatte mitunter fixe Ideen, die ihr so viel bedeuteten, dass sie sie verfolgte, so wie eine Straßenbahn ihren Weg dem Lauf der Schienen unterordnet. Er sah keine Chance, ihr etwas zu entgegnen.

      „Ich sehe, dass Du verbissen an dieser Idee hängst. Ich weiß, dass Du nicht von der Vorstellung einer eigenen Klinik Abstand nehmen wirst. Ich kann Dir noch nicht viel versprechen, aber ich werde mir Deine Idee durch den Kopf gehen lassen. Es wird ganz gut sein, wenn wir jetzt ein paar Stunden nicht mehr über dieses Thema sprechen. Ich würde gerne noch einen Espresso trinken.“

      Bis zur Vorlage der Rechnung gab es keinen weiteren Gedankenaustausch mehr.

       4

      Der sonntägliche Abend neigte sich dem Ende zu. Das angenehme Spätfrühlingslicht hatte sich bereits verabschiedet. Der Mond versteckte seine Sichel hin und wieder hinter dem Flug weißgrauer Wolken. Lichtflecken an den Wänden im Eltern-Schlafzimmer der Drempelvilla tanzten unter den einströmenden Lichtern von Mond und vorbeifah-renden Fahrzeugen. Eddi hatte sich früher als sonst üblich ins Bett gelegt. Er schwieg. Er betrachtete Eva-Maria im Spiegel, der an einem massiven Eichenholzschrank montiert war, und freute sich ein paar Momente an dem Anblick seiner Frau, die sich gerade entkleidete, bis er von ihr angesprochen wurde:

      „Du, ich habe da noch einen Gedanken!“

      Er wollte keinen Gedanken.

      „Wollen wir noch ein wenig fernsehen?“

      „Ach Edmund, es gibt doch jetzt etwas Wichtigeres!“

      „Also, erzähle!“

      „Wenn ich das richtig verstanden habe, wirst Du selbst von dem möglichen Erbe nichts, überhaupt gar nichts erhalten können.“

      „Richtig!“

      „Das finde ich - gelinde gesagt dumm und schade - und hätte da eine Ergänzung zu unserem Gespräch von heute Mittag.“

      „Ich höre.“

      „Du müsstest also irgendwie nicht mehr unter Deinem echten Namen existieren, und die Kinder müssten quasi als Entschädigung für ein vorgezogenes Erbe eine materielle Anerkennung leisten.“

      „Eine Anerkennung?“

      „Na ja, sie würden Dir, also uns, die teilweise Verfügung über das Erbe überlassen.“

      „Mmmmh! Du willst also unbedingt diese Klinik und lässt nicht locker, stimmts?“

      „Es schadet doch niemandem und wir wären früher mit der Klinik fertig, und die Kinder hätten zweimal etwas davon.“

      „Wie das?“

      „Sie