Wer von den Hamburg-Touristen oder den verbliebenen wenigen jüngeren Seeleuten weiß heute noch, dass dort, wo jetzt am Hamburger Hafen hoch über den Landungsbrücken das moderne Hotel „Hafen Hamburg“ prangt, sich noch der alte Bau des Hamburger Seemannshauses befindet, von den Seeleuten das „weiße Haus“ genannt, in dem sich jahrzehntelang der „Heuerstall“ für die „große Fahrt“ befand. Darin residierte der Heuerbaas „Max“, der Inbegriff der Heuervermittlung für die Mannschaftsdienstgrade ganzer Seemannsgenerationen. Auch die „kleine Heuerstelle“ in der Großen Elbstraße für die Küstenfahrt und die Fischerei-Heuerstelle am Fischmarkt waren für uns wichtig. Wie hilfreich war es für viele „abgebrannte“ Seeleute damals, dass vor der Tür der Heuerstelle oft ein Händler für Seemannsklamotten stand, bei dem sie, wenn sie glücklich mit einem Heuerschein herauskamen, mit diesem Händler mitfahren und erst einmal „auf Kreide“ auf Grund des Heuerscheines einkaufen konnten. Aber wir haben uns damals nicht nur auf Max und seinen Heuerstall verlassen, sondern haben die Reedereikontore abgeklappert. Nur ein Teil der Reedereien residierte um den Baumwall, Vorsetzen, Cremon und die Mattentwiete herum. Oft musste man erhebliche Strecken zu Fuß oder mit der Hochbahn zurücklegen. Zwar kam man sich dabei oft wie ein Bettler vor, aber ein guter Personalchef wusste durchaus die Eigeninitiative bei der Jobsuche zu würdigen. Die beiden Kneipen im „weißen Haus“ waren, soweit man noch „Mäuse“ hatte, beliebter Seemannstreff.
Als ich mal wieder bei „Orion“ vorbeischaute, wollte mir das Personalbüro eine Freude bereiten und mich damit überraschen, mir den Job als Koch im Yachtclub in Travemünde anzubieten. Man war dann entsetzt, als ich diesen aus deren Sicht lukrativen Landjob ablehnte und lieber weiterhin den nervenaufreibenden Einsatz auf ihren Schiffen wollte. Ich war nun mal 35 Jahre lang mit Leib und Seele Seemann.“
Günter wohnte zwischen Anfang 1961 und 1984 fünfmal im Seemannsheim am Krayenkamp in Hamburg.
„Das alles gehört heute der Vergangenheit an. Es ist Schluss mit der echten alten romantischen Seefahrt!" Seit 1995 ist er Rentner und lebt in Trier. Er unternimmt im Sommerhalbjahr monatelange Radtouren durch die Gegend.
Im Frühjahr und Sommer 1996 legte er mit seinem Drahtesel mit über 100 kg Gepäck „an Bord“ eine Europarundtour zurück: Seine Reise führte ihn von Trier über den Pfälzer Wald, Straßburg und das Elsass nach Freiburg. Von dort aus ging es in die Schweiz nach Basel und dann quer durch Frankreich bis nach Séte am Mittelmeer. Von nun an radelte Schröder die Küste entlang. Auf diese Weise umrundete er die Iberische Halbinsel mit Spanien und Portugal. Gibraltar, das er bislang nur von See her kannte, wollte er sich einmal von Land aus ansehen. Auf der Atlantikseite kehrte Schröder über Biaritz und Lourdes auf Zwischenstationen, wie Metz und Luxemburg nach Trier zurück. Anschließend radelte er nach Polen, wo er in Hinterpommern Verwandte besuchte. „Ich habe in diesem Jahr auf 77 europäischen Campingplätzen geschlafen.“
Im Frühjahr 1998 unternahm Günter Schröder wieder eine große Tour und radelte von Trier aus über Frankreich und durch Italien bis Brindisi, setze dort mit der Fähre nach Griechenland über und wollte in Piräus die Station der Deutschen Seemannsmission besuchen. Seine Enttäuschung war groß, dass ihm das Haus verschlossen blieb und er dort den ihm bekannten langjährigen Stationsleiter, Diakon Walter Bott, nicht mehr antraf, dem er mehrfach von Bord aus begegnet war.
An Bord geboren, an Bord geblieben
Dirk Langhans entstammt einer Seemannsfamilie. Vater und Vaters Vater fuhren bereits als Bootsmann auf Clippern über die Weltmeere. Während der Inflationszeit der zwanziger Jahre in Deutschland verdiente der Vater auf einem belgischen Clipper bei einer 27monatigen Fahrt soviel Devisen, dass er sich durch Kauf von Strandkörben in Grömitz an der Ostsee eine Existenz an Land aufbauen konnte. Der Vater machte später nach seiner Bootsmannszeit ein kleines nautisches Patent und kaufte sich ein Schiff namens „GORCH FOCK“, mit dem er auf der Ostsee im Sommer vor Grömitz Lampionfahrten für Badegäste durchführte und im Winter mit drei Mann auf Fischfang hinausfuhr. Im 2. Weltkrieg wurde der Vater zur Marine eingezogen und schaffte auf einem Versorgungsschiff von Holland aus Lebensmittel nach Lübeck: „Da fiel dann für uns immer genügend ab!“ So kam es auch, dass Dirk L. am 20.6.1943 als Kind eines Marineangehörigen auf See an Bord eines vor Neustadt in der Ostsee liegenden Lazarettschiffes geboren wurde. Neben dem Fischfang betrieb sein Vater nach dem Krieg zusammen mit dem Boxweltmeister Max Schmeling eine Nerzzucht. Dabei wurden die Fischabfälle verwertet. „Schon mit 6 Jahren fuhr ich mit meinem Vater mit zum Fischen raus und half beim Einholen der Netze.“ Bis zum 9. Lebensjahr ging er in Grömitz zur Schule. Im Jahre 1953 wanderte Dirk zusammen mit der Familie nach Amerika aus. Verwandte der Mutter lebten bereits in den USA. In Chicago besuchte er bis zum 15. Lebensjahr die amerikanische Schule: „Innerhalb von zweieinhalb Monaten konnte ich perfekt englisch sprechen. Als Kind lernt man ja schnell. In der Seefahrtszeit konnte ich auf die guten englischen Sprachkenntnisse immer wieder zurückgreifen. Als wir 1959 nach Deutschland heimkehrten, verstand ich kein Wort Deutsch mehr.“ Seine ältere Schwester lebt heute noch in Florida. „Am 9.9.1960 fing ich als Messejunge auf der „ALSTERTAL“ bei der Reederei Reinicke an. Die erste Fahrt ging nach Westindien. Ich machte zwei Reisen mit und blieb ein halbes Jahr an Bord, musste die Kabinen sauber machen und die Mannschaft bedienen.“ Sein zweites Schiff war die „REINBEK“ von Knöhr & Burchard. „Das Schiff war noch so richtig genietet und sehr seetüchtig. Wir nannten es das „Leichenschiff“, weil es bei Kriegsende mit Flüchtlingen aus dem Osten gesunken und später wieder gehoben worden war.
Ich kam um die ganze Welt und habe jeden bekannten Hafen gesehen.“ Er fuhr bei der Hamburg-Süd auf einem Levante-Schiff namens „GALATA“, auf der „CAP VERDE“ im Columbus-Dienst Fleisch und Kühlcontainer,
auf der „CAP SAN LORENZO“ nach Südamerika: „Alle sieben Wochen waren wir wieder in Hamburg“. Anderthalb Jahre lang fuhr er in den Jahren 1965/66 auf dem Passagierschiff „SEVEN SEAS“ der Reederei van Ommeren. Von Bremerhaven aus ging es nach Portugal, dann mit Auswanderern nach Australien. Danach wurde das Schiff in Neuseeland gechartert, um darauf Krankenschwestern auszubilden. „Es waren 550 angehende Schwestern an Bord. Wir fuhren auf 3-Wochen-Reisen in der Südsee bis Suma, Samoa und Tahiti. Bei so vielen Frauen an Bord war das Leben für uns anstrengend! In Tahiti mietete ich mir einen Motorroller und fuhr einmal um die schöne Insel mit den hohen Bergen. Im Winter wurde das Schiff von mehreren US-Universitäten für eine Weltreise gechartert.“
Was er sonst noch alles bei der Seefahrt erlebt habe? „Einmal bin ich in Neuseeland achtern rausgesegelt. Ich war damals 2. Steward und hatte beim Landgang verschlafen und mein Schiff verpasst. Vom deutschen Konsulat aus telegraphierte ich an mein Schiff: „Bleibe in Neuseeland, bis Ihr wieder zurück seid“ Ich blieb dreieinhalb Monate bei Bekannten. Es gab, als ich wieder an Bord zurückkam, etwas Ärger, aber bald hat man seitens der Schiffsleitung über den Vorfall hinweggesehen. Für mich war das trotz des anfänglichen Schrecks eine angenehme Unterbrechung. In Australien und Neuseeland bin ich am liebsten an Land gegangen, alleine schon wegen der fehlenden Sprachprobleme. In Australien war ich einmal Zeuge einer Kängurujagd. Wegen der Überpopulation gab es damals für die erlegten Tiere Abschussprämien. Man fuhr mit einem Geländewagen raus, blendete die Kängurus mit den Scheinwerfern und ballerte sie ab. Auf einer Fahrt von Neuseeland zum Panamakanal hatten wir genügend Zeit, und so unternahm unser Kapitän einen Umweg und fuhr mit uns einmal um das berühmte Pitcairn Island, auf dem heute noch Nachfahren der Bounty-Meuterer des Christian Fletcher leben. Diese Insel liegt abseits aller Schifffahrtsrouten. Mehrmals bin ich zwischen den Galapagosinseln hindurchgefahren und habe im Wasser Schildkröten und auch Delphine gesehen. Ich habe an manch interessanten Ausflügen und Besichtigungen teilgenommen: In Japan haben wir die alte Kaiserstadt Kioto besucht und eine Porzellanmanufaktur angeschaut. Die Stadt Bombay mit ihren Sehenswürdigkeiten