Ins Rauhe Haus trat er am 1.10.1923 ein. Das Diakonenexamen bestand er am 21.03.1927, wurde am 22.03.1927 Oberhelfer im Rauhen Haus, am 1.10.1927 Anstaltsinspektor und am 1.07.1928 der für die praktische Brüderausbildung verantwortliche Konviktmeister. Er wollte nach seiner Ausbildung nicht im Rauhen Hause tätig sein, da er das Kommen und Gehen seiner potentiellen Vorgänger beobachtet hatte und das Rauhe Haus zu diesem Zeitpunkt praktisch zahlungsunfähig war. Die Anstalt rettete sich durch Landverkäufe, z. B. gegenüber dem Horner Weg 170 - auch der Holstenhof wurde verkauft.
Das Rauhe Haus war auch eine Ausbildungsstätte für Hauswirtschaft, die unter dem Regiment von Frau Runge stand. Bruder Runge war zu der Zeit als Inspektor im Rauhen Hause tätig. Mädchen aus christlichen Familien wurden dort in allen hauswirtschaftlichen Fächern ausgebildet. Etliche Ehen mit Brüdern sind aus dieser Stätte entstanden, so fand auch August Füßinger hier seine Frau. Am 23.03.1928 heiratete er Elisabeth Holve aus Hemer in Westfalen, die ihm zwei Söhne gebar und ihm fleißig und aufopfernd als Wirtschafts- und Küchenleiterin beruflich zur Seite stand. Fü: „Die Westfalen haben eine hohe Wohnkultur und ihre Frauen verstehen die Kunst, mit wenig gut zu kochen. Ich hielt ja von Natur aus nicht viel von der Einrichtung Ehe, aber als ich 1922 zu einem Besuch in Westfalen war, stand für mich fest: Wenn ich eine Frau heirate, dann nur aus diesem Land.“ – „Man hat mir gesagt, mit der Wahl meiner Frau habe ich die größte Leistung meiner Menschenkenntnis erwiesen.“ – „Darüber, wie ich meine Frau kennen gelernt haben soll, erzählt man sich viele Geschichten. So soll ich meine Taschenuhr gezogen und zu ihr gesagt haben: ‚Wenn Sie meine Frau werden wollen, überlegen Sie sich das. Es ist jetzt 9 Uhr. Bis 12 Uhr sagen Sie mir Bescheid.’“
Nach Einführung der Wohlfahrtspflegerausbildung im Rauhen Haus bestand Füßinger das staatliche anerkannte Wohlfahrtspflegerexamen am 13.6.1930.
Das Rauhe Haus benötigte damals dringend einen Sanierer mit Härte und Konsequenz und war deshalb auch zu Zugeständnissen bereit. August Füßinger setzte als vermutlich erster Diakon einen unkündbaren Anstellungsvertrag nach Beamtenrecht durch, ein Musterfall für viele spätere Diakonen-Anstellungsverträge.
Die Sanierungsmaßnahmen bezogen sich sowohl auf die Kosten- als auch auf die Einnahmeseite. Beispielsweise wurden alle Gehälter um 10% gekürzt. Mit der Stadt Berlin wurde ein Vertrag zur Aufnahme von Fürsorgezöglingen abgeschlossen, die dann in der Fischerhütte untergebracht wurden. Beispielsweise war im großen Speisesaal des Wirtschaftsgebäudes (heute steht dort die Mitte der Wichernschule) nicht genügend Geschirr und Bestecks für alle Essenden vorhanden. Das sofortige Abräumen nach dem Essen war nicht Ausdruck übertriebener Ordnungsliebe, sondern aus der Not geboren. Nach sofortigem Spülen kamen Geschirr und Bestecke sogleich wieder zum Einsatz. Aus dieser Zeit stammt August's extreme Sparsamkeit, die Angst vor Liquiditätsproblemen und vor Zinslasten. Nach seinen Erfahrungen war eine Anstalt wie das Rauhe Haus mit ihrem sehr langsamen Kapitalumschlag nicht in der Lage, Zinsen mit normalen Zinssätzen zu erwirtschaften. Die Notwendigkeit eisernen Sparens blieb bis weit nach dem 2. Weltkrieg zwingendes Gebot, zumal die Anstalt nach den Bombenschäden fast gänzlich wieder aufgebaut werden musste. Da das Rauhe Haus nach Wicherns Konzeption ein offenes Gelände ohne Einzäunung sein sollte, sich aber langsam Gewohnheitsrechte regen Durchgangsverkehrs zu entwickeln drohten, wurde unter Füßingers Einfluss ein stabiler Eisenzaun rund um das Anstaltsgelände herum gezogen. Sonst ging der weitere Aufbau im Vergleich zu anderen Anstalten (z.B. Alsterdorf) wegen Füßingers Bedenken gegen Kredite und Zinsen sehr langsam voran. Pastor Donndorf war ein begnadeter Spendenwerber, der nach dem Vorsteherwechsel schnell die notwendige Liquidität schaffte. Bezüglich der Kosten war jedoch weiterhin äußerste Sparsamkeit angesagt. Die Arbeitsleistung der Ausbildungsbrüder trug wesentlich dazu bei. Aber auch das von Füßinger und seiner Frau aufgebaute Beziehungsnetz zur Veiling, Gemüsegroßmarkt, Lebensmittelverarbeitern ect. ermöglichte kostengünstigen Einkauf oder kostenfreie Abholung von nicht absetzbarem Obst, Gemüse und anderen Lebensmitteln. Die sofort erforderliche Verarbeitung machte eine große Flexibilität des Speiseplanes wichtig, was öfter zu Differenzen mit Frau Donndorf führte. Eine größere Käsespende aus den USA konnte trotz guter Qualität wegen geschmacklicher Schärfe der Ware nicht in der eigenen Küche verbraucht werden. So wurde sie einer Käsefabrik im Austausch gegen Streichkäse angeboten. Auch bei Personalkosten in Küche und Gartenpflege wurde gespart. Neben Ausbildungsbrüdern wurden behinderte Frauen und Männer durch Vermittlung des beim Arbeitsamt tätigen Bruders Mielenz eingesetzt, gleichzeitig eine sinnvolle Arbeitstherapie für die sonst schwer vermittelbaren Behinderten. Sowohl die Mitarbeiterführung als auch der sparsame Einkauf erforderten vom Ehepaar Füßinger außergewöhnlichen Einsatz.
Füßinger wurde 1933 auf Wunsch des damaligen Vorstehers des Rauhen Hauses, Pastor Fritz Engelke, Parteigenosse der NSDAP: „In der Hauskonferenz wurde vereinbart, dass der Vorsteher und der Brüderälteste nicht eintreten, während der Oberstudiendirektor, der Büroleiter und ich der Partei beitreten würden.“ Damit wollte die Leitung des Rauhen Hauses verhindern, dass die Anstalt von einem NS-Staatskommissar übernommen werden würde. Später übernahm Füßinger das Amt des Kreisamtsleiters der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV). Von diesem Ehrenamt trat er 1935 zurück, als es hauptamtlich wurde. Er sah seine Aufgabe im Rauhen Haus. Der Rang „Kreisamtsleiter“ konnte ihm jedoch nicht genommen werden, was sich im 3. Reich noch als hilfreich, nach dem Kriege jedoch als nachteilig erwies. Der „Reichsführer“ der Diakone, Fritz Weigt, berief Füßinger 1933 in den „Führerrat“ der Deutschen Diakonenschaft. Michael Häusler kennzeichnet Fü in seiner Studie „Dienst an Kirche und Volk“ als „...einen mit der Kirche verbundenen, aber theologisch indifferenten Pragmatiker, der in der Diakonenschaft wie auch im eigenen Brüderhaus stets auf weitgehende politische Loyalität gegenüber dem nationalsozialistischen Staat drängte...
Diakon August Füßinger – von mir gezeichnet
Als Taktiker war er bereit, „alle mögliche Unbill zu schlucken“. Fü: „Wenn andere im Himmel Bescheid wissen, dann weiß ich auf der Erde Bescheid.“ Füßinger warnte vor einem voreiligen Abrücken von den Deutschen Christen, denn es sei „für die Kirche entscheidend, ob Hitler auf ihrer Seite steht“, eine Haltung, die er auch innerhalb der deutschen Diakonenschaft vertrat.“ Im Auftrag der Schulleitung machte Bruder Füßinger die Diakonenschüler darauf aufmerksam, dass sie nur zur Wohlfahrtspflegerprüfung zugelassen werden können, wenn sie einer Gliederung der NSDAP angehören. Er riet den Brüdern, daran die staatliche Prüfung nicht scheitern zu lassen und versorgte etliche Brüder mit einer Bescheinigung über ihr Mitwirken bei der NSV. Dabei wählten die wenigsten Brüder aufgrund einer Überzeugung eine bestimmte Organisation; die meisten von ihnen versuchten, mit