Die Pyramide.. Brockenhexe. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Brockenhexe
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847661030
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an den Rillen abzuzählen. Die Musik setzte ein, ich stand im Wohnzimmer, gestikulierte und grimassierte wild herum. „Der Hölle Rache pocht in meinem Herzen“, formten meine Lippen. „Tod und Verzweiflung“...

      Die Klingel an der Wohnungstür schellte wie wahnsinnig, und im ersten Augenblick glaubte ich, der Teufel käme, mich persönlich in die Hölle zu holen. Ich stürzte zur Tür, dann fiel mir meine Aufmachung ein. Wer immer draußen stand, er musste in Panik verfallen, wenn er mich so sah. Ich lief ins Badezimmer, obwohl mir klar war, dass ich mindestens eine halbe Stunde brauchen würde, um wieder einen normalen Menschen aus mir zu machen. Die Klingel schellte so penetrant, dass ich glaubte, sie würde Funken schlagen. Wahrscheinlich wollten sich Nachbarn über die laute Musik beschweren. Sollten sie doch. Ich gab mir einen Ruck, ging langsam und gefasst zur Wohnungstür und öffnete. Dort stand ER! Meine Erstarrung passte zu der neuen Würde einer Königin der Nacht. Die Arie endete mit einem ‚

      “Rachegötter, hört der Mutter Schwur“ und die Nadel eierte über die Platte.

      Jochen Fischer stand vor mir mit einem riesigen Präsentkorb, aus dem mich Champagner-Flaschen und allerlei Delikatessen anlachten. Offensichtlich dachte er an Flucht. Doch dann rutschte ihm der Korb aus der Hand, und er konnte ihn gerade noch mit dem rechten Knie abstützen. Erhaben trat ich zur Seite, machte eine große theatralische Armbewegung und sagte mit grabschwarzer Stimme:

      „Tretet ein, ich habe Euch erwartet.“

      Er schnappte nach Luft und humpelte in leicht gebückter Haltung mit seinem Korb an mir vorbei.

      „Majestät unter­tänigster Diener, legen Euch nach erfolgreicher Kaperfahrt die Schätze Frankreichs zu Füßen“, sagte er mit gesenkten Augenlidern.

      Blitzschnell hatte er den Korb auf den Wohn­zimmertisch gestellt, nahm mich in die Arme, küsste mich, und ruck-zuck lagen wir zu­sammen im Bett. So hatte ich mir das in meinen Träumen nicht vorgestellt. Sein Gesicht war make-up-verschmiert, meines noch mehr, das Bett ebenfalls. Es glich einer Hinrichtungs­stätte. Ich ließ Wasser in die Wanne und bereitete ein Schaumbad vor. Wir stiegen gemeinsam hinein. Er wusch mein Gesicht, ich seines, wir wuschen uns gegenseitig das Haar. Danach sahen wir uns an und sagten wie aus einem Munde:

      „Ach, so siehst Du also aus.“

      Dann tranken wir Champagner, aßen von den Köstlichkeiten, sahen uns verliebt an und landeten wieder im Bett.

      Das Wochenende war ein einziger Rausch, und am Sonntag Nachmittag erfuhr ich, dass er verheiratet war.....

      *****

      „Nein,“ schrie Ännchen, „so eine Scheiße!“

      Das war genau das Stichwort, das ich gebraucht hatte, um hemmungslos zu heulen. Mein ganzes Leben war eine riesengroße Scheiße. Und die stand mir bis zur Unterlippe. Ännchen weinte mit mir.

      „Ach, Rosilein,“ sagte sie, „bis jetzt war alles so lustig. Ich glaube nicht, dass ich den traurigen Teil heute noch hören möchte, und Du bist sowieso fix und alle.“

      Bis zum Abendessen saßen wir schweigend da. Der Fraß war heute besonders eklig, und ich dachte an Champagner und Hummer, frische Baguettes und reifen französischen Käse. Vor allem aber an die Freiheit und das Recht, ein Bad zu nehmen, wann immer ich es wünschte. Wenn ich hier jahrelang eingesperrt sein würde, wollte ich sterben.

      *****

      Am nächsten Morgen wurde ich gleich nach dem Frühstück in den Besucherraum gerufen. „Frau Krause“, rief die Dralle „Ihr Lover ist da.“

      „Jochen?!“

      Ich zitterte. Er war es wirklich.

      „Nun,“ sagte ich kühl „hat Deine neue Freundin Dich vorübergehend freigegeben?“

      „Aber Majestät,“ seine Stimme war sanft und vorwurfsvoll, „dieses Gerede! Die junge Dame himmelt mich an. Ich tätige wichtige Geschäfte mit dem Vater. Warum soll ich nicht mal mit ihr zum Essen gehen? Ich fühle mich sehr einsam. Die Polizei löchert mich. Die haben gemeint, wir hätten den Mord gemeinsam geplant und durchgeführt. Deshalb wollten sie mich nicht zu Dir lassen.“

      „Da Du heute hier bis, konntest Du also jeglichen Verdacht von Dir abwaschen? Wenn ich es nicht war und Du auch nicht, wer war es dann?“

      „Ich weiß es nicht. Aber wenn sie Dir nichts nachweisen können, müssen sie Dich freilassen. Nur das ist wichtig. Ich bin sicher, Mark kriegt das hin.“

      „Ach, Jochen“, ich war den Tränen nahe, „acht Wochen sitze ich schon in diesem schrecklichen Gefängnis“.

      „Wenn ich Dir nur helfen könnte“, er blickte mich treu­herzig an, und alle Zweifel, die ich gegen ihn gehegt hatte, waren wie weggeblasen.

      „Ich habe Dir ein paar Leckerli mitgebracht.“ Er stellte eine große Plastiktüte auf den Tisch. Ich spähte hinein, und was ich sah, erhellte meine Stimmung.

      „Gott sei Dank! Ich kriege diesen Gefängnisfraß nicht herunter. Ich danke Dir“.

      Wir verabschiedeten uns, und er versprach, wiederzukommen und neue Verpflegung mitzubringen.

      Ich wartete darauf, dass Ännchen von ihrem Termin zurückkäme. Die würde staunen. Kaum hatte ich mich in meiner Zelle an den Tisch gesetzt und die Schätze liebevoll aufgebaut, kam Ännchen zurück.

      „Was ist los?“ fragte ich erstaunt, „bist Du freigesprochen worden?“

      Sie seufzte,

      „Verstehen tu ich es nicht. Mein Anwalt hat so ´nen Antrag gestellt wegen Vorein­genommenheit oder so. Er meint, der Richter hätte ´ne frauenfeindliche Bemerkung gemacht. Jetzt dauert es wieder länger. Na, ja, sind wir eben länger zusammen“.

      Dann erblickte sie meine Delikatessen.

      „Machst Du jetzt´n Laden auf?“

      „Nein, mein Schatz, das ist für uns. Und ganz ohne Zyankali“.

      Ich lachte übermütig, und sie lachte mit.

      Das Mittagessen war ganz passabel, und wir beschlossen, am Abend etwas von den Schätzen zu naschen.

      „Ich beginne Deinen Jochen zu lieben“, meinte sie.

      „Ännchen von Tharau“, sagte ich streng, „Du bist berechnend.“

      Ich musste feststellen, dass meine Gefühle für Jochen sich verändert hatten. Beim Abschied hatte sich dieses Mal keine Verzweiflung eingestellt, und mein Misstrauen war wiedergekommen. Mark hätte gegen seinen Freund nichts Negatives gesagt, wenn es nicht stimmen würde, überlegte ich. Dass er die Tochter dieses reichen Immobilienmaklers heiraten wollte, jetzt, da er frei war, erschien mir nur folgerichtig. Sie war jung, hübsch, reich, und die Mitgift würde ihn von seinen Schulden entlasten. Mich überkam wieder diese große Traurigkeit, und ich dachte an Kurti: aufrichtig, solide, ein durch und durch anständiger Kerl. Aber ohne Nervenkitzel.

      Heute Abend war Ännchen ganz Anne-Kathrin. Sie saß kerzengerade auf ihrem wackligen Gefängnisstuhl und genoss die Delikatessen. Sie strahlte. So etwas Gutes hatte sie noch nie zu essen bekommen.

      „Also?“ fragte sie erwartungsvoll.

      *****

      An diesem Wochenende setzten wir keinen Fuß vor die Tür. Um es präzise auszudrücken: wir kamen praktisch nicht aus dem Bett, denn auch die Mahlzeiten nahmen wir im Bett ein, indem wir uns gegenübersitzend gegenseitig fütterten. Er stellte Fragen, und ich erzählte aus meinem Leben. Das war wohltuend, denn bisher wollten immer alle Leute mir ihre Leidensgeschichte erzählen. Jochen hörte zu, er nahm an jeder Einzelheit Anteil und bestätigte mir immer wieder, für wie tüchtig er mich hielte und wie sehr er mich für das, was ich erreicht hatte, bewunderte. „Jetzt bist Du dran,“

      sagte ich Sonntag Nachmittag.

      „Warum bist Du eigentlich noch