Anmeldung erfolgreich.
Identität: Naomi Orinama
Sekundarstufe: Vier (4)
Aufzeichnungen – Informationen – Notenübersicht – Persönliche Daten
Naomi tippte auf Informationen und öffnete so ein Fenster mit Informationen zu ihrem Stundenplan, den Dozenten und vielen weiteren Themen. Sie rief ihren Stundenplan auf und vergewisserte sich, dass sie sich alles korrekt gemerkt hatte. Für den heutigen Tag waren eine Einheit Strategie, sowie eine Einheit angewandte Sicherheit eingetragen, bevor der Tag frühzeitig um 15 Uhr endete. Danach sollte es den Schülern freigestellt sein zu einer der vielen Trauerfeiern zu gehen oder den freien Nachmittag zu genießen. Als nächstes rief Naomi die Informationen über die Dozenten auf. Auf dem Display tauchten quadratische Bilder der verschiedenen Dozenten auf, untertitelt mit dem Namen und dem Fach, dass sie unterrichteten. Das erste Bild zeigte Professor Kirginja, einen mittelalten Mann mit Glatze und harten Gesichtszügen. Er hatte Naomi die Prüfungen der dritten Sekundarstufe abgenommen und sie erinnerte sich an seine raue Stimme, die eher dazu passte, einer Hundertschaft Untergebener Befehle zuzubrüllen, als Studenten zu unterrichten. Die zweite Dozentin war eine noch im aktiven Dienst stehende Frau, F-Lieutanant Sargei. Sie hatte blonde Haare, ein freundliches Gesicht und unterrichtete die Studenten wohl in angewandter Sicherheit. Naomi schloss das Fenster wieder, mehr musste sie heute nicht wissen.
Abschließend überprüfte sie ihren neuen Spind Standort. Er lag gleich um die Ecke des Vorlesungssaals, also sperrte sie das Display, stand auf und packte ihre Sporttasche. Auf dem Gang war immer noch nichts los. Es war Naomi recht, sie hatte gelernt die Ruhe und das Alleinsein zu genießen. Vielleicht würde sich das dieses Jahr ändern. An der Seite eines Ganges, der tiefer in das Gebäudeinnere führte waren die Studentenspinde aufgereiht. Die Front war aus mattem bläulichem Metall und für den Moment sahen sie alle gleich aus. Vor dem Jahresanfang waren alle von Grund auf gereinigt, alle Erinnerungen an die bisherigen Schüler beseitigt worden. Aber im Laufe des Jahres würden Schriftzüge, Poster und Kratzer jedem Spind individualisieren, bevor sie für das nächste Jahr wieder gereinigt wurden. Ein immerwährender Kreislauf. Mit weißen Lettern stand auf jedem Spind in der unteren rechten Ecke eine Nummer. Naomi ging bis zur Nummer 2.N5. Sie legte ihre Hand auf, wurde authentifiziert und öffnete die entriegelte Tür. Ein leichter Geruch nach Desinfektionsmittel schlug ihr aus dem Inneren entgegen. Naomi packte ihre Sporttasche und verfrachtete sie in den Spind. Als sie sich wieder umdrehte und zurück zum Vorlesungssaal ging hörte sie bereits trippelnde Schritte aus dem Stockwerk unter sich. Also würden bald auch die ersten ihrer neuen Mitschüler eintreffen. Beim Gedanken daran krampfte sich ihr Magen leicht zusammen. Würde sie sich in die Klassengemeinschaft integrieren können? Würde man ihr eine Chance geben. Naomi bezweifelte es, aber sie würde alles tun, um sich selbst zu widerlegen.
Im Raum angekommen setzte sie sich wieder auf ihren Platz, überschlug die Beine und wartete, den Blick auf die Tür gerichtet. Als erstes betrat eine Gruppe aus 3 Studenten den Raum. Ein schmächtiger Junge mit offenem Blick und 2 Mädchen die ihren Freund um gut einen Kopf überragten. Die drei unterhielten sich angeregt über den Ausgang des gestrigen Fußballspiels und nahmen keine Notiz von Naomi. Sie setzten sich in die letzte Reihe, während ihre Stimmen den ganzen Raum ausfüllten. Danach tröpfelten immer mehr Gruppen herein, keiner kam alleine und alle verstanden sich dem Augenschein nach gut. Ein paar bemerkten Naomi, aber niemand machte Anstalten sich zu ihr zu setzen, oder sie auch nur zu fragen wer sie war.
Kurz vor Unterrichtsbeginn kamen die letzten drei Studenten herein. Die erste, die den Raum betrat war ein braunhaariges Mädchen mit auffallend gelben Schuhen. Sie sprach mit einem großen, schwarzhaarigen Jungen. Mit seinen breiten Schultern wirkte es fast, als ob er nicht durch die Tür passte, aber schließlich schob er sich doch durch. Hinter ihm kam die letzte Person herein. Es war eine schlanke junge Frau, deren muskulöse Arme sich deutlich durch den Stoff ihres schwarzen Trauerkleides abzeichneten. Auf ihrer linken Schulter hafteten 2 kaminrote Streifen. Naomi konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber diese rostroten Haare würde sie jederzeit erkennen. Sie gehörten zu ihrer ehemaligen besten Freundin. Zu der letzten Freundin, die sie fallen gelassen hatte. Sie gehörten zu Misa.
Naomis Gedanken rasten. Was tat Misa hier, sie sollte eigentlich eine Jahrgangsstufe unter Naomi sein. Naomi hatte alles getan, um die 3. Sekundarstufe zu überspringen, alles, um ihrer alten Klasse zu entfliehen. Und Misa war einer der größten Gründe gewesen. Der tägliche Schmerz, den sie in Naomi verursachte, durch ihre Taten, ihre Worte, oder bloß ihre Anwesenheit, war zu viel geworden. Und jetzt stand sie hier, unterhielt sich lachend mit dem großen Jungen vor ihr. Als die Gruppe an Naomi vorbei ging nahm sie aus dem Augenwinkel das spitze Lächeln um Misas Mund wahr. Wie hatte sie es geschafft die dritte Stufe zu überspringen? Naomi war die einzige gewesen, die die Prüfungen in diesem Sommer abgelegt hatte. Oder waren Sonderprüfungen für sie angesetzt worden? Naomi konnte sich nicht vorstellen, wie Misa das bewerkstelligen sollte, aber jetzt musste sie wohl oder übel damit leben. Schon hörte sie tuscheln aus den hinteren Reihen, wagte es aber nicht sich umzudrehen und nachzusehen von wem es kam.
Die übrigen Minuten vor Unterrichts Begin verbrachten die Schüler damit, sich über ihre Ferien auszutauschen, miteinander zu lachen und mit neuen Leuten Kontakt zu knüpfen. Misa wurde direkt in die Klassengemeinschaft aufgenommen, bestärkt durch ihren Freund und ihre umgängliche Art. Mit Naomi sprach noch niemand. Einige Minuten später betrat Professor Kirginja mit forschen Schritten den Raum. Mit ihm kam eine Aura des Unheils, die jedem aufmüpfigen Studenten horrende Strafen androhte und dafür sorgte das mit einem Mal Stille im Zimmer herrschte. Kirginja nahm hinter dem Dozentenpult Aufstellung und betrachtete die Studenten. Mit einer Stimme, die kalten Stahl schneiden konnte begrüßte er sie. „Willkommen in der vierten Sekundarstufe meine Herrschaften. Da ich die meisten von Ihnen bereits im letzten Jahr geschult habe erwarte ich zumindest keine Verschlechterungen. Dasselbe gilt für unsere zwei neuen Studenten, die aus der zweiten Sekundarstufe hierher versetzt wurden. Doch hierzu möchte bestimmt ihr Kurssprecher noch etwas sagen in seiner …“, er zögerte einen winzigen Augenblick „… unausweichlichen Ansprache.“ Sein Gesichtsausdruck verriet eindeutig was er von diesem obligatorischen Ritual eines jeden neuen Schuljahres hielt.
Naomi blickte sich um, sie wusste nicht wer der aktuelle Kurssprecher war. 3 Reihen hinter ihr stand ein Junge auf, es war derjenige mit dem sich Misa beim Hineingehen so angeregt unterhalten hatte. Einmal mehr fiel ihr sein muskulöser Körper auf, der deutlich durch das enganliegende Hemd zu erkennen war. Selbstbewusst ging er nach vorne und reichte mit großer Geste Professor Kirginja die Hand. „Schon gut, Mr. Topwa. “, knurrte Kirginja, „machen Sie einfach schnell.“ Der Junge setzte ein breites Grinsen auf, trat hinter das Pult und rief mit fester Stimme. „Willkommen in der vierten Stufe der Hölle.“ Ein kurzes Auflachen hallte durch den Raum, das aber parallel zu der sich hochziehenden Augenbraue von Professor Kirginja wider verstummte. Der Junge räusperte sich und fuhr mit ernsterer Stimme fort. „Also, wie ihr hoffentlich noch wisst bin ich Goron Topwa, euer Kurssprecher. Falls sich jemand anderes berufen fühlt diesen Posten auszuführen kann eine Wahl über euer Infosystem beantragt werden. Solange ihr aber zufrieden mit mir seid bleibe ich und sorge dafür, dass es unserer Klasse gut geht. Sonntagabend gibt es eine Konferenz der Kurssprecher mit dem Akademiepräsidium. Ich informiere euch am Montag über die Ergebnisse. Jetzt bleibt mir nur noch die neuen vorzustellen. Beginnen will ich mit meiner Freundin Misa Kumarani, dieses schöne Mädchen da hinten. Steh bitte kurz auf.“
Misa stand auf, winkte mit einem strahlenden Lächeln in die Runde und wurde mit einem warmen Applaus begrüßt. Goron sprach jetzt mit ruhiger, gefasster Stimme weiter. „Ihr wisst was heute für ein Tag ist. Heute ist ein Tag an dem wir um unsere Toten trauern. Ihr wisst auch, dass ich mir meine Trauer für Sonntag aufhebe, aber wie ihr seht gehört auch Misas Familie zu den Opfern.“. Er wies auf das schwarze Kleid und Misa schlug die Augen nieder. „Das Wichtigste ist unsere Solidarität mit den Betroffenen, also bitte ich euch um einen Moment der Andacht.“ Goron verschränkte die Arme und senkte seinen Kopf. Naomis Magen krampfte sich zusammen. Sie hatte Angst, wie es weitergehen würde. Nach einigen Sekunden hob