Tod eines Milliardärs. Nick Stein. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nick Stein
Издательство: Bookwire
Серия: Blutbücher
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752907001
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den Cowboy neben ihr ansah.

      »Hi, Johnny«, begrüßte sie ihn, bevor sie Ilka wahrnahm. »Hallo, Ilka. Gut, dass ihr kommt.«

      Ilka sah sich um. Bevor sie etwas fragen oder sagen würde, wollte sie sich selbst einen Eindruck verschaffen und im Geist durchspielen, was hier passiert war.

      Die Spurensicherung war fertig, wie sie an den zahlreichen Markierungen feststellen konnte. Auf dem Küchentisch, hinter dem Kirsten Warnecke saß, lag ein Bericht des Amtsarztes, Warnecke selbst tippte ihren in einen Laptop, wobei sie ab und an ins Wohnzimmer spähte, wo die Tote in ihrem Kreideumriss lag.

      »Die Leiche wird in einer halben Stunde abgeholt und zur Rechtsmedizin gebracht«, informierte sie die Kommissarin. »Die Wohnung haben wir für weitere vierundzwanzig Stunden gesperrt, bis der Tatortreiniger kommt.«

      Ilka trat ins Wohnzimmer, Jonas Altmann im Schlepp. Der Geruch war gerade noch zu ertragen. Altmann empfand das wohl anders; er eilte ins Bad und schloss die Tür hinter sich, Ilka hörte ihn trotzdem stöhnen.

      Gut so, dachte sie, die Mimose lenkt mich sowieso eher ab.

      Sie sah sich die Tote an.

      Die Frau war splitternackt, ihre Sachen hatte sie auf einem Stuhl abgelegt und über die Lehne gehängt.

      Sie lag auf einer Art Zeltplane. Das sollte wohl die Flüssigkeiten daran hindern, in das darunterliegende Parkett einzusickern.

      Die Leiche sah unförmig und fleckig aus. Dunkle Leichenflecken wechselten sich mit anderen Flecken ab, vor allem an Bauch und Brust und im Bereich des Unterkörpers. Die Haut dort war aufgeworfen, blasig und knallrot.

      Die Frau musste hübsch gewesen sein, dachte Ilka. Sie hatte lange, blonde Haare, die jetzt auf dem Teppich ausgebreitet lagen. Ihr Gesicht sah ebenmäßig aus. Wo jetzt die Maden verschiedener Fliegenarten krabbelten, waren einmal rote Lippen und braune Augen gewesen.

      Sie sah an die Wände und suchte dort und auf Tischen und Schränken nach Fotos der Toten. Sie fand zwei.

      Die Frau war in der Tat attraktiv gewesen. Ein Foto zeigte sie im Urlaub, im Bikini.

      Ilka fiel das Gesicht auf. Sie hatte große, braune Augen gehabt, eine leicht gebogene Nase und hübsche Ohren und Haare, über einer passablen Figur.

      Nur der Mund passte nicht. Die Mundwinkel zeigten auf beiden Fotos nach unten, als ob die Frau permanent unzufrieden gewesen wäre, enttäuscht.

      Sie wusste nichts über das Opfer, ihre Beziehungen, ihre Familie, ihr Leben. Das würde sie nach der Beschau nachholen.

      Jonas kam aus dem Bad und sah sich die Tote an.

      »So sehen wir auch mal aus«, neckte Ilka ihn. »Sieh schon mal genau hin, Johnny.«

      »Bäh«, sagte er. »Ich nicht. Ich lasse mich sofort verbrennen. Das ist doch widerlich, oder?«

      »Erkundige dich bitte nach ihrem Umfeld, Jonas. Kirsten wird dir sicher schon einiges sagen können. Namen, Alter, Familienstatus. Du weißt schon.«

      Er ging aus dem Zimmer, froh, sich diese fortgeschrittene Verwesung nicht länger ansehen zu müssen.

      Ilka betrachtete die Container und die anderen Dinge wie die Schläuche. Sie verbanden die Flüssigkeiten miteinander, es gab sogar einen Dreiwegehahn, mit dem die Frau wohl die Konzentration verändert hatte. Am Ende des Schlauches saß eine Art Spritze, mit einem Schild daneben und der Ziffer 14 darauf.

      Neben der Spritze lag ein Handschuh. Damit hatte die Frau das alles gehandhabt. Damit sie sich die Hände nicht an der Säure verbrannte. Dass die Auswirkungen auf ihre anderen Körperteile noch viel schlimmer sein würden, hatte sie anscheinend in Kauf genommen.

      Die Hand der Frau lag nach wie vor auf der Spritze.

      Ilka ging zu der Spurensicherungsfrau hinüber. »Gab es da nicht noch andere Kanülen und eine Art Einlauf?«, fragte sie.

      Die Frau in Weiß nickte. »Ja. Da waren Reste von Körpergewebe dran. Halb aufgelöst von der Säure. Kannst du dir in der Rechtsmedizin ansehen.«

      Altmann hatte neben der Frau von der Spurensicherung Platz genommen, sehr eng an ihrer Seite. Den linken Arm hatte er auf ihrer Stuhllehne liegen. Er sah sie entschuldigend an.

      »Die Frau heißt Marietta Wesemann«, berichtete er. »Sie ist siebenunddreißig, ledig, arbeitete als Bankangestellte hier in Hannover. Ihre Familie lebt in Memmingen, ist schon informiert worden. Von Freunden ist bisher nichts bekannt, das haben die Kollegen schon mit der Bank und den Kollegen abgeklärt.«

      Er nickte bestätigend zu seinen eigenen Worten.

      »Jonas?«

      »Ja, Ilka?«

      »Ich brauche alle ihre Kontakte. Soziale Netzwerke, Kollegen, Klubmitgliedschaften, Freundinnen, Nachbarn. Alles. Okay?«

      Altmann nickte grimmig und nahm den Arm von der Lehne.

      Ilka wandte sich an die Frau. »Was ist mit ihrem Handy? Frau Wesemann hatte doch bestimmt eines, oder?«

      »Haben die Kollegen mit aufs Revier genommen.«

      »Den Laptop wirst du dann mitnehmen, richtig?«, fragte sie weiter. Warnecke nickte. Ilka wandte sich an Altmann.

      »Frag nach, ob das Handy geöffnet werden kann, wenn nicht, setzt jemanden darauf an, Jonas«, bat sie den großen Mann. »Jetzt gleich?«

      Altmann hatte auf den Bildschirm vor Kirsten Warnecke gestarrt, als ob er die Informationen mit ihr teilen wollte. Er stand widerstrebend auf und nickte mürrisch.

      Ilka hatte noch eine Frage an die Frau in Weiß. »Kann man ohnmächtig werden, für längere Zeit, wenn man sich Säure einführt?«

      Die Frau nickte. »Der Schmerz schaltet alles ab. Der Schock kann durchaus zum Tode führen.«

      Sie ging zurück ins Wohnzimmer, diesmal gefolgt von Altmann.

      »Komm mal hier rüber«, bat sie ihn. »Zum Laptop.«

      »Stell dir vor, du säßest am anderen Ende eines Chats oder Programmes, ein Spiel vielleicht, das die Frau über den Computer empfängt und über die VR-Brille sieht«, forderte sie den Cowboy auf. »Was siehst du?«

      Er sah sie mit einem Ausdruck an, als ob sie ihn veräppeln wollte.

      »Was ich sehe? Die Frau da? Das Mordopfer?«

      »Während des Gespräches. Du bist online, die Brille ist an, ihr redet über VR. Was macht die Frau gerade?«

      »Ach so. Du willst das nachstellen.«

      Altmann trat hinter den Laptop und sah sich im Raum um.

      »Also. Die Frau saß auf dem Sofa. Angezogen, trank einen Kaffee.«

      Er zeigte auf eine leere Tasse auf dem Couchtisch.

      »Sie quatschen. Der Täter erzählt ihr eins vom Pferd, kriegte sie dazu, sie auszuziehen und auf den Teppich neben das Sofa zu legen. Hat sie mit irgend etwas heißgemacht.«

      Er kratzte sich seine Barthaare in der Kinnfurche. Ilka fragte sich, was passieren würde, wenn die Stoppeln dort auf der jeweils anderen Seite eindrangen. Würden sie dort Wurzeln schlagen, wenn er sie nicht alle paar Stunden abschabte?

      Altmann ging in den Tätermodus über.

      »Irgendwann habe ich sie so weit, dass sie bereit ist, mit Säure zu experimentieren. Ich habe ihr das Blaue vom Himmel versprochen, was passieren kann. Irgendwelche Geschichten, dass Leute durch den schockierenden PH-Wert hochintelligent geworden sind. Und dass das nur ganz schwache Säure ist. Den sie sogar noch dimmen kann, also alles auf der sicheren Seite. Und dass sie damit eine Frage lösen kann, deren Antwort sie dem Mercedes näherbringt.«

      Er sah zu der Frau hinüber.

      »Die Rechtsmediziner werden uns sagen, wo die Säure entlanggeflossen ist. Wenn ich mir das so ansehe, konzentrieren sich