„Ihr sagtet, sie hielten sich nach dem Lande zu?“ frug der Master noch einmal zurück, als das Segelboot von dem Flatboot hinwegschoss.
„Ja“, lautete die Antwort, und zum dunklen Ufer hin, aber immer noch in etwas die Strömung benutzend, eilten die Verfolger dem unglücklichen Alfons nach, der sich wirklich näher dem Lande zugewendet hatte, um im Notfall das schützende Dunkel des Waldes zu erreichen.
Mehrere Minuten war das Segelboot so im wahren Sinne des Wortes über die Stromfläche fortgesprungen, als der Master, der im Vorderteil kauerte und aufmerksam über den Wasserspiegel hinschaute, in die Höhe sprang und ausrief:
„Dort sind sie, ich sehe das Boot!“
„Hurra, meine Burschen, greift aus!“, schrie der Doktor. „Und Ihr, Master, gebt mir Euer Messer, ich will dem bleichen Nigger einmal zeigen, was es zu bedeuten hat, in Louisiana einen Neger zu stehlen.“
Der Angeredete griff auch, ohne weiter ein Wort zu erwidern, unter seine Weste, holte sein langes Jagdmesser hervor und reichte es dem Doktor, der es aus der Scheide riss und jubelnd schwang.
Alfons hatte mit fast übermenschlicher Anstrengung seine Bahn verfolgt, als er aber die Ruderschläge der Verfolgenden immer näher und näher kommen hörte und nun einsah, dass er selbst nur noch eine kurze Zeit das seine Kräfte übersteigende Rudern würde aushalten können, wandte er sich näher zum Ufer. Hatte er den Wald einmal erreicht, so war alle Verfolgung im Dunklen und ohne Hunde unmöglich gemacht. Da – als Alfons seine letzten Kräfte anstrengte, das Werk zu vollenden, als er die Verfolger schon dicht hinter sich sah – brach ihm das rechte Ruder und sein Boot flog herum.
Beauvais und der Master erkannten augenblicklich, dass der Flüchtling in ihren Händen sei, und stießen ein Freudengeschrei aus. Der Erstere wandte sich nur noch an den Doktor und rief diesem ermahnend zu: „Bringt ihn nicht um!“, als das Boot auch schon an das andere hinan schoss und jener mit erhobenem Messer jubelnd hinübersprang.
Er sollte aber seinen Triumph nicht lange genießen, Alfons, wohl wissend, dass für ihn alle Hoffnung verschwunden sei, und fest entschlossen, nicht lebendig in die Hände seiner Peiniger zu fallen, war, mit dem Ende des abgebrochenen Ruders in der Hand, das er hochgeschwungen über seinem Kopfe hielt, auf das Sitzbrett gesprungen, und von schwerem Schlage getroffen, stürzte der Doktor rückwärts in das Boot, während das Messer seiner Hand entfiel und in den Fluten versank.
Beauvais, der im Begriff war, dem Doktor zu folgen, würde ein gleiches Schicksal mit dem Ersteren geteilt haben, hätte nicht der Master, der sich wohl hütete, in den gefährlichen Bereich des Ruders zu kommen, eine Pistole gezogen und sie schnell und besonnen auf den frei Dastehenden abgedrückt.
Beim Krach des Gewehres zuckte der Schwergetroffene zusammen, das wieder erhobene Ruder entfiel seiner Hand, und für einen Augenblick stand er aufrecht da, starr und fest zum Himmel empor sehend, dann stöhnte er „Selinde!“ und sank rückwärts in die Flut.
„Alfons!“, rief das Mädchen mit herzerschütterndem Schrei und folgte mit Gedankenschnelle dem Sinkenden, aber Beauvois, dies noch zur rechten Zeit gewahrend, sprang in das kleine Boot, und das weiße, flatternde Unterkleid erfassend, ehe es verschwand, zog er mit Hilfe seiner Leute die Ohnmächtige an Bord zurück.
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Vierzehn Tage waren nach diesem Abend verflossen, als der Doktor zuerst wieder nach Bayou Sara hinüberfuhr, sich aber dort sehr mäßig hielt, seine Geschäfte schnell besorgte und dann wieder hinüber nach Pointe Coupé fahren wollte. Er sah sehr blass aus, und eine breite, noch nicht ganz zugeheilte Narbe zog sich über seine Stirn.
Als er dem Flussufer zuschritt, um das Fährboot zu erreichen, das eben anlandete, hörte er seinen Namen rufen, und sich umwendend, erkannte er Guston, der ihm winkte und bald an seiner Seite war.
„Nun, Doktor, wie geht’s?“, fragte er diesen, die ihm entgegen gestreckte Hand schüttelnd. „Was macht die Stirn? Das muss ein höllischer Schlag gewesen sein!“
„War’s auch, Guston, war’s auch, warf mich nieder, wie ein Stück Holz; der Hund hat aber seine Bezahlung bekommen.“
„Er soll über Bord gefallen und ertrunken sein?“, fragte Guston, den Doktor von der Seite fixierend.
„Verdammt will ich sein, wenn ich weiß, wie er fortgekommen; als ich ihn zuletzt sah, stand er noch fest genug auf der Ruderbank, um mich mit dem scharfkantigen Holz zu Boden zu schlagen, aber der brave Master – Ihr geht mit nach Pointe Coupé, nicht wahr?“, unterbrach er sich plötzlich selbst.
„Der Master soll ihn erschossen haben – wie mir gesagt wurde“, fuhr Guston, die Zwischenfrage nicht beachtend, fort.
„Die Neger wissen nichts und können kein Zeugnis vor Gericht ablegen; ich wollte übrigens, ich hätte an jenem Abend Euren Vorschlag angenommen und Euch das Mädchen überlassen, ich wollte, ich hätte es!“
„Nun, seid Ihr nicht mit ihr zufrieden? Ich nehme mein Wort selbst jetzt noch nicht zurück – wenn auch nicht mehr aus derselben Ursache als neulich.“
„Leider“, fuhr der Doktor ärgerlich heraus, „habe ich sie heute Morgen begraben lassen.“
„ B e g r a b e n?“, frug Guston, erstaunt einen Schritt zurücktretend. „Begraben? Das junge, kräftige Mädchen?“
„Lieb wär mir’s, ich hätte weder sie noch den nichtswürdigen langen Yankee je mit Augen gesehen; die Dirne kostet mich ein schmähliches Geld, und dann legt sich der kleine weibliche Teufel hin und wird krank. Erst glaubte ich, sie wolle mich nur zum Narren haben, und ließ sie auf Anraten meiner Frau züchtigen, sie muckste aber nicht und wurde zuletzt ohnmächtig; nun ließ ich sie in ein Krankenhaus bringen und gab ihr eine alte Frau zur Pflege; ich mochte sie doch nicht gern verlieren, sie war wenigstens ihre fünfhundert Dollar wert. Da setzt sich der schwarze Racker in den Kopf, nichts mehr zu essen, legt sich hin und liegt da und rührt sich nicht. Umsonst ging ich selbst zu ihr und versuchte alles, um sie wieder zur Vernunft zu bringen, umsonst drohte ich ihr mit den fürchterlichsten Strafen, und ließ ihr wirklich, nur um ihr zu beweisen, dass es mein Ernst sei, einige Hiebe geben, es blieb vergebens; sie ließ alles ruhig mit sich anstellen, und gestern Mittag, als ich zu ihr ging, um noch einmal zu versuchen, ob stärkere Drohungen vielleicht einen größeren Einfluss auf sie haben möchten, richtet sie sich plötzlich auf ihrem Bett in die Höhe, schwatzt allerlei dummes Zeug von Alfons, Vater und Mutter, und fällt um – sie war tot.“
„Ich wollte doch, Ihr hättet sie mir damals überlassen“, sagte Guston, nachdenkend und verstimmt vor sich niedersehend – dann wandte er sich rasch von dem Doktor ab und schritt langsam nach Bayou Sara zurück.
Höhlenjagd in den westlichen Gebirgen
Novellen-Zeitung.- J. J. Weber, Leipzig, 1844. 1.Jg
An einem klaren, bitterkalten Nachmittag des Monats Februar, als die Sonne, von dünnen Nebelschleiern umzogen, nicht Kraft genug hatte, die schneidende Luft, die aus den nordwestlichen Prärien herüber wehte, zu mildern, und selbst an den fließenden Wasser, etwas in Arkansas sehr Ungewöhnliches, ein starker Eisrand hing, kletterten an den steilen Abhängen, welche die Quellen des ‚Spirit Creeks‘ einschließen, drei Männer über die rausten und unwegsamsten Stellen hinweg, die in der ganzen Gegend nur gefunden werden konnten, und obgleich oft kurze Strecken offenen, ebenen Bodens vor ihnen lagen, umgingen sie doch stets diese, und suchten wieder die schroffsten, wildesten Wände aus, an denen abgebrochene Felsblöcke, und toll und bunt durcheinander geworfene Steinmassen ihr Fortschreiten fast zu einer Unmöglichkeit machten.
Die drei Jäger – denn andere Leute konnten in solchem Fels-Chaos nichts zu suchen haben – hielten sich auch einige hundert Schritt voneinander entfernt, aufmerksam dabei den Boden und die Pflanzen, über dem und an denen sie hingingen, untersuchend, und nur sehr langsam bewegten sie sich vorwärts. Da lenkte plötzlich der Ruf des am tiefsten Dahinkletternden