Mississippi-Bilder. Gerstäcker Friedrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerstäcker Friedrich
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753136073
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müssen, denn ich kenne Bayou Sara ja gar nicht wieder; kaum zehn Häuser waren’s, wie ich fort von hier ging, und jetzt steht eine ordentliche Stadt da.“

       „Nun, die Mulattin Nelly lebt immer noch“, lachte Willis, „und führt so guten Brandy wie früher, da wollen wir denn vor allen Dingen einmal einsprechen, vielleicht findest Du dort einige alte Bekannte.“

       Mit diesen Worten nahm er seines neu gefundenen Freundes Arm wieder in den seinigen und schlenderte mit ihm dem nahen Kaffeehause zu, aus dem ihnen lautes Lachen und Jubeln entgegen tönte.

       Es war ein nicht sehr großes, nach der Straße zu offenes Zimmer, in das sie traten, und dessen Hintergrund ein langer Schenktisch ausfüllte. Der eigentliche Schenktisch (Bar) bestand aus einem aus gemasertem Holz verfertigten, etwas hohen Aufsatze, über den weiße Marmorplatten gelegt waren, um die darauf verschütteten Flüssigkeiten wieder leicht hinwegwischen zu können. Auf einem großen, mit weißem Tuch überdeckten Präsentierteller standen mehrere Dutzend reiner Trinkgläser, während auf einem anderen dicht daneben eine gläserne große Schale mit einem plattierten Deckel, geriebenen Zucker enthaltend, prangte. Neben ihr befanden sich wiederum zwei kleine Fläschchen, die, fest zugekorkt und mit einer durch den Stöpsel laufenden Federspule versehen, dazu dienten, die in ihnen enthaltenen Flüssigkeiten (Staunton-Bitters und Pfefferminze4) in die Getränke zu tröpfeln, um diesen einen pikanten Geschmack mitzuteilen. Hinter dem Schenktische nun waren in langer Reihe alle möglichen Arten von Getränken, Weine und Liköre, in zierlichen, farbigen und feingeschliffenen Flaschen und Karaffen angeordnet, und zwischen ihnen Orangen und Zitronen aufgeschichtet, was dem Ganzen einen frischen, heiteren Anschein gab. Unter dem Schenktische stand eine große Schüssel mit Eis, das in Stücken in die Gläser geworfen wurde, den Trank abzukühlen, und ein junger Mann in einer weißleinenen Jacke und eben solchen weiten Beinkleidern war emsig beschäftigt, den durstigen Gästen, die sich bei der übergroßen Hitze in beträchtlicher Anzahl eingefunden hatten, einzuschenken. Ein langer Doktor von der anderen Seite des Mississippis, von Pointe Coupé, schien übrigens besonders tätig, sein Glas immer wieder aufs Neue zu leeren, bei welchem Geschäft ihm denn alle anderen helfen mussten, weil er schwur, dass er nicht a l l e i n trinken wollte; und immer wieder ließ er das seinige wie die aller Anwesenden frisch füllen, obgleich er sich kaum noch selbst auf den Füßen halten konnte. Oft zwar versuchte ihm einer oder der andere zu entschlüpfen, aber mit Adlerblicken entdeckte und erwischte er die Deserteure, und ein frisches Glas war die Strafe, die ihrer wartete. Mehrere, unfähig noch einen Tropfen zu genießen, saßen in der Ecke, als unsere beiden Freunde zu Verstärkung anrückten und augenblicklich von dem Doktor mit offenen Armen empfangen wurden.

       „Willis – eh?“, redete er diesen an. „Durstig? Immer durstig?“

       „Hier, Doktor, ist ein Freund von mir, ein gewisser…“

       „Ein Freund von Euch? Er muss mit mir trinken. Sir, geben Sie mir Ihre Hand – so – ich bin der Doktor Siel von Pointe Coupé, Sie müssen von mir gehört haben. Was wollt Ihr trinken? Hier, Barkeeper, schnell, hier ist ein Mann, der durstig ist – so recht, Gläser und Eis hinein, mir aber kein Eis, ich will’s heiß haben, heiß wie Lava, will Hitze mit Hitze kurieren. Zum Henker, wem gehört denn das lange Gesicht, was da zum Fenster hereinstiert? Kommen Sie herein, Sir, was wollen Sie trinken?“

       „Danke, danke“, sagte der Neuangekommene, indem er rasch in die Tür trat und sich ohne weitere Umstände sein Glas füllen ließ.

       Es war ein Mann von außergewöhnlicher Länge, der noch um mehrere Zoll über den schon ungeheuer langen Doktor hinausragte, mit vorstehenden Backenknochen und grauen, scharf und klug umherblickenden Augen, dessen ganze Gesichtszüge aber den Yankee nicht verkennen ließen. Ein blauer, langschößiger Frack war trotz des heißen, schwülen Wetters fest zugeknöpft, und ein hoher, weißer Filzhut, den er, etwas nach hinten gerückt, auf dem Kopfe trug, machte die lange Gestalt nur noch länger. Seine Stiefel waren nach der modernsten Facon gearbeitet und ganz neu, mochten ihn aber wohl gedrückt haben, denn auf beiden hatte er, gerade über den Zehen, mit einem Messer einen Kreuzschnitt gemacht, um seinen Füßen Raum zu gewähren; überhaupt schien er das Bequeme zu lieben, denn er setzte sich augenblicklich mit größtmöglicher Gemütsruhe auf den Ladentisch, wobei ihm seine Ausdehnung sehr zustatten kam, und leerte das ihm mit Wachholder und Wasser dargereichte Glas.

       „Gentlemen“, begann jetzt der Yankee, nachdem er einige Kreuz- und Querfragen des Doktors mit ebenso vielen anderen Fragen beantwortet hatte, „ich denke, wir können ein Geschäft zusammen machen.“

       „Ihr habt doch um Gottes Willen keine Wanduhren zu verkaufen?“, fragte mit komischen Schrecken der Doktor.

       „Nein“, entgegnete lachend der Yankee, „damit befasse ich mich nicht.“

       „Ihr Herren scheint Euch sonst nicht gerade an etwas Bestimmtes zu binden“, wandte Guston ein, indem er dem Langen näher trat.

       „Für diesmal doch“, antwortete der Yankee, „ich habe mich auf den Menschenfleischhandel gelegt, und mit dem lässt sich nicht gut ein anderer vereinigen, Vieh- und Pferdehandel ausgenommen; doch habe ich meine letzten Mustangs5 in Baton Rouge6 verkauft und nur noch ein Negermädchen von ungefähr fünfzehn Jahren übrig behalten, die ich heute Nachmittag um vier Uhr in Müllers Kaffeehaus ausspielen will, um am Mittwoch wieder mit dem Mailboot nach New Orleans und von da nach meiner Heimat zurückkehren zu können.“

       „Und was kostet das Los?“, fragte Willis.

       „Fünf Dollar – wir wollen sie auswürfeln!“, lautete die Antwort. „Es ist ein kapitales Mädchen, gesund und kräftig, und die schönste Negerin, die Ihr je gesehen habt.“

       „Aber wo steckt denn die Dirne?“, unterbrach ihn der Doktor. „Schafft sie doch einmal her, und sieht sie gut aus, nun so nehme ich drei oder vier Lose.“

       „Sie ist nur wenige Schritte von hier entfernt“, sagte der Yankee, von seinem Sitz aufstehend. „Warten Sie einen Augenblick, und ich bringe sie herüber; es wollten sie überdies noch einige Herren hier ansehen.“ Mit diesen Worten verließ er das Schenkzimmer und kehrte bald mit einem schönen, jungen Negermädchen zurück.

       Das kurze, wollige Haar hatte eine Rabenschwärze, die Nase war, ihrer äthiopischen Abkunft treu, breit gedrückt, aber klein und zierlich, und nur leicht aufgeworfen zeigten sich die kirschroten Lippen, zwischen denen, wenn sie sprach, ein Paar blendend weiße Reihen Zähne sichtbar wurden und umso mehr gegen die samtartige, schwarze Haut und die dunklen, glühenden Augen abstachen. Sie war nicht groß, aber schlank gewachsen und ungemein zierlich gebaut, so dass selbst der seiner Sinne kaum noch halb mächtige Doktor einen Fluch ausstieß und schwur, sie wäre eine verteufelt hübsche kleine Hexe.

       Mehrere Pflanzer aus der Umgebung waren jetzt noch hinzugetreten, von denen fast alle Lose genommen hatten, und der Yankee führte das Mädchen wieder fort, um in St. Francisville oben noch mehr Teilnehmer für das Würfelspiel um ein menschliches Wesen zu finden.

       Unmittelbar hinter dem Mädchen war, als ihr Herr sie zur Schau in die Schenkstube führte, ein junger blasser, aber sehr anständig gekleideter Mann eingetreten, der mit gespannter Aufmerksamkeit den ganzen Verhandlungen horchte und zuletzt, als jeder ein Los nahm, seine Barschaft ebenfalls hervorholte. Unstreitig hatte er beabsichtigt, zwei Lose zu kaufen, denn er überzählte sein Geld mehrere Mal; es musste aber wohl nicht zureichen, denn seufzend schob er einige Dollarnoten wieder in sein schmächtiges, stark abgenutztes Taschenbuch zurück und löste für fünf einzelne derselben ein einziges Los.

       Bald darauf, als sich der Doktor wieder nach ihm umsah und bei allem, was im Himmel und auf Erden lebte, schwur, dass er mit ihm trinken oder sich mit ihm schlagen müsse, war er verschwunden.

       Unterdessen rückte die vierte Nachmittagsstunde heran und eine große Anzahl von Menschen hatte sich vor dem eben erwähnten Kaffeehause versammelt, wo sie ungeduldig den Yankee erwarteten. Endlich kam er – an seiner Seite ging das Negermädchen und nicht weit von ihr entfernt, doch etwas zurück, der bleiche junge Mann.

       Lärmender Jubel empfing die Neuankommenden, und der Doktor war der Ausgelassenste