Die Haustür ging auf.
„Ihr bleibt direkt im Flur stehen“, hörte sie Jens energische Stimme. „Lara und Tim. Ihr bewegt euch nicht, bis ich mit einem Wasserschlauch wieder hier bin, um euch abzuspritzen.“
Cora hörte das entsetzte Quieken ihrer Tochter und grinste. Dann ging sie in Richtung Flur und bekam einen kleinen Schock. Dort bot sich ihr ein lustiges Bild. Jen, die völlig verzweifelt aussah, hüpfte auf einem Bein herum und versuchte, sich den nassen Stiefel auszuziehen. Lara und Tim sahen aus, als hätten sie im Schlamm gegeneinander gecatcht. Und Nils stand völlig unbeteiligt daneben und sah aus, als könne ihn kein Wässerchen trüben. Jen stütze sich an der Wand ab und schaffte es so, endlich den Stiefel auszuziehen.
Lara hatte ihre Mutter erblickt und sah sie aus großen, ängstlichen Augen an. „Mama. Müssen wir wirklich unter den Wasserschlauch?“
„Wenn Jen das sagt“, erwiderte Cora amüsiert. „Ich halte mich da raus. Ehrlich gesagt, ihr seht tatsächlich so aus, als bräuchtet ihr dringend eine Grundreinigung.“
„Mama!“ Laras Stimme klang jetzt schrill.
„Okay. Ich werde mit Jen reden. Vielleicht lässt sie sich von einer sofortigen warmen Dusche überzeugen.“
Jen richtete sich auf. „Also gut. Dann warm duschen. Aber die Klamotten werden hier ausgezogen.“
„Auch die Unterwäsche?“, fragte Tim erschrocken.
Jen schüttelte den Kopf. „Die kannst du im Bad ausziehen. Du duschst hier unten, und Lara geht hoch. Nils bekommt schon mal einen heißen Kakao.“
„Das ist unfair“, schmollte Lara. „Der kann auf uns warten.“ Doch ein böser Blick von Jen genügte, und Lara zog sich schnell aus und verschwand die Treppe hoch.
„Sieht nach Mordsspaß aus“, sagte Cora und deutete auf das Wäschechaos zu ihren Füßen.
„Eigentlich hatten wir den auch.“ Erschöpft ließ Jen sich auf die Treppe fallen. Nils setzte sich neben sie, legte seine Hand auf ihr Knie und sagte: „Alles gut.“
Cora lächelte. Jen stupste Nils auf die Nase und erwiderte: „Ich weiß. Und jetzt ab mit dir in die Küche. Dein Kakao wartet.“ Das ließ er sich nicht zweimal sagen.
„Dein Sohn ist wirklich süß.“
„Jedenfalls wenn er will“, fügte Cora hinzu. „Und was war mit den anderen beiden?“
„Die hatten Streit um die Mohrrübe. Jeder wollte sie dem Elefanten geben. Es endete damit, dass die Mohrrübe im hohen Bogen ins Gehege flog und Lara und Tim sich auf dem Boden wälzten.“
„Ich wette, den Preis für die Mutter des Jahres kannst du dir abschminken“, lachte Cora.
„Das schätze ich auch.“
Gemeinsam beseitigten sie das Chaos, kochten Kakao für die ganze Bande und brachten sie nach dem Abendessen ins Bett. Dann trafen sie sich mit einer Flasche Rotwein und zwei Gläsern auf dem Sofa.
„Und jetzt möchte ich alles über Daniel hören.“
„Direkt auf den Punkt kommen. Das mag ich an dir.“
„Schließlich platze ich bald vor Neugier. Ist er der Grund, warum dein Mann und du nicht mehr zusammen seid?“
Cora schüttelte heftig den Kopf. „Auf keinen Fall. Dennis habe ich verlassen, weil er und ich nur noch Freunde waren, kein Ehepaar mehr. Dazu fühle ich mich einfach zu jung. Daniel hat damit nichts zu tun. Er hat mich erst später kontaktiert.“
„Ich dachte, du kennst ihn schon länger.“ Jen legte etwas Holz nach.
„Ich war 22, als wir zusammen gearbeitet haben.“
Dann berichtete sie Jen von Daniel und endete damit, dass die Zeit damals wohl einfach nicht die richtig war.
„Tragisch schön“, kommentierte Jen das Ganze mit glänzenden Augen. „Nach achtzehn Jahren, triffst du Mr. Right wieder und endlich werdet ihr zueinander finden.“
Cora lachte. „Du bist ja eine Romantikerin“, stellte sie fest und schenkte noch Wein nach.
„Ich liebe Happy Ends.“
„Und was ist mit deinem Happy End?“
„Das liegt eine Etage höher und schläft hoffentlich.“
„Das meinte ich nicht.“
„Ich weiß. Aber ehrlich, ich bin glücklich ohne Mann an meiner Seite.“
„Darauf trinke ich.“
6
„Du bist dir ganz sicher, dass du das alles hier wirklich willst?“, fragte Tamara nach und stellte den Umzugskarton in ihr Zimmer. Müde wischte sie sich den Schweiß von der Stirn.
Cora nickte. „Selbstverständlich, Tamy. Endlich freue ich mich wieder auf die Zukunft. Ich habe einen Job, drei weitere Kinder und zwei kostenlose Babysitter. Was will man mehr?“
„Nette Zusammenfassung.“
„Wenn ich gewusst hätte, dass du mit einem kompletten Haushalt umziehst, hätte ich meinen Flug nicht getauscht.“ Jen tauchte mit einem Karton voller Bücher im Türrahmen auf. „Das sind die Tage, an denen ich Männer definitiv vermisse.“
„Ich bin euch sehr dankbar, dass ihr uns beim Umzug helft. Ich hoffe, ich kann das wieder gut machen.“
„Klar.“ Jen stellte den Karton auf Tamaras Bett. „Das erste Jahr übernimmst du die Babysitter-Dienste.“
„Gute Idee“, stimmte Cora zu. „Jedes Wochenende frei. Ein Traum.“
„Das wird es wohl auch bleiben“, grinste Tamara. „Ein Traum.“
In dem Moment kam ein schriller Schrei aus einem der Kinderzimmer. Die drei Frauen blickten sich an. „Du gehst“, entschieden Cora und Jen gleichzeitig und blickten Tamara an. „Da kannst du dich gleich an deinen neuen Alltag mit fünf Kindern gewöhnen.“
„Okay“, stimmte Tamara zu. „Hier habt ihr den Autoschlüssel für das zweite Auto. Fangt schon mal an mit dem Ausräumen. Ich helfe euch, wenn ich die Kids wieder im Zaum habe.“ Sie ließ die beiden stehen.
„Warum habe ich bloß das Gefühl, dass wir gerade reingelegt wurden?“
„Weil es genauso ist, du Schlaumeier.“
Abends saßen sie völlig fertig, aber zufrieden auf dem Sofa. Die Kids hatten beschlossen, alle gemeinsam im Zimmer der Zwillinge zu schlafen. Sozusagen als Einstand. Da Wochenende war, hatte niemand etwas dagegen.
„Schlafen endlich alle?“
Tamara nickte. „Kreuz und quer, durcheinander und übereinander. Ich habe einfach über jeden eine Decke gelegt und sie ein wenig zurecht gerückt.“
„Solange niemand auf dem Boden liegt.“
Tamara verneinte.
„So“, sagte Jen und lehnte sich zurück. „Jetzt bist du dran mit deiner Geschichte“, wandte sie sich an Tamara. „Wo steckt der Erzeuger deiner Kinder?“
Tamara griff sich ins Haar, löste das Gummi, das es zusammengehalten hatte, und schüttelte ihre roten Locken. „Keine Ahnung. Er konnte gar nicht schnell genug von mir wegkommen, als er erfahren hat, dass ich schwanger bin.“
„Du meinst, er weiß nicht mal, dass er zwei Kinder hat?“
„Weiß er nicht. Seine letzten Worte an mich waren,