Bei dem Wort Hose verzog sie das Gesicht, gab jedoch nach und zog eine schwarze Lederhose aus dem Schrank. »Deine Mutter lief auch ständig in Hosen herum.«, erzählte sie missbilligend.
Ich schmunzelte, als ich den Bademantel ablegte und in die Hose schlüpfte. Meine Mutter hatte Kleider immer schon für unpraktisch gehalten. Als kleines Mädchen hatte sie mir das Bogenschießen beigebracht und ich konnte mich noch genau an ihre Worte erinnern, als ich eines Morgens in einem Kleid vor ihr stand. »Eine Kämpferin trägt nichts, worin sich ihre Beine verfangen könnten, außer es verschafft ihr einen Vorteil gegenüber dem Gegner.«
Ich strich über den glatten Soff der Hose und wünschte, sie wäre jetzt hier bei mir.
»Hier, ich denke, das gefällt dir.« Mrs. Cecil reichte mir ein schlichtes Schwarzes Top und ein Paar dunkelbraune Fellstiefel.
»Was ist eigentlich mit meinen Sachen passiert?«
»Ich hab sie in die Waschküche gebracht, sie waren ganz verdreckt.«
»Oh, vielen Dank.«
Die alte Dame klopfte mir liebevoll auf die Schulter. »Ein Dankeschön ist nicht nötig, dafür bin ich schließlich da.«, sie strich eine Falte meines Oberteils glatt. »Komm jetzt, du hast sicher Hunger.«
»Und wie.«, stimmte ich zu und folgte ihr aus dem Zimmer.
Nun da ich ausgeruht war, konnte ich mir, als ich Mrs. Cecil durch die Gänge folgte, die prachtvollen Wände und Gemälde endlich genauer anschauen. Alle paar Meter ließen bodentiefe Fenster das Sonnenlicht herein und bei denen, die geöffnet waren, bewegten sich die blauen Vorhänge sachte im Wind. Ich bewunderte die abwechselnd goldenen, dann wieder silbernen Verzierungen. Wir kamen an der Haupttreppe vorbei und folgten dem Gang weiter geradeaus zu einer schlichten, grau-weißen Steintreppe, welche sich in eine Spirale nach oben wandte. Die Treppe führte in einen geräumigen Flur, welcher sich zu einem großen Saal öffnete. Große Säulen stützten die kuppelartige Decke, die mit hellblauen und silbernen Malereien verziert war. An den Säulen standen vereinzelnd weiße Marmorstatuen und durch die hohen Fenster fiel warmes Morgenlicht, das durch den Schnee und die helle Farbgebung des Raumes noch strahlender erschien.
In der Mitte des Raumes wurden die silbernen Töne immer mehr von goldenen Verzierungen bis hin zu dem blattgoldenen Kronleuchter abgelöst.
Ich hätte mich am liebsten weiter umgeschaut, doch an der Tafel vor uns, welche nicht mal einen kleinen Teil des Raumes einnahm und mit den unterschiedlichsten Köstlichkeiten gedeckt war, wurden wir bereits erwartet. Eine Frau kam uns entgegen, als wir uns der Tafel näherten. Sie trug genau wie ich eine schwarze Lederhose, was mir ein kleines Schmunzeln entlockte, besonders als sie sich mir als Megan Missrill, die Königin des Eises, vorstellte. Ihr hellblondes Haar viel ihr glatt bis über die Schulter. Trotz ihrer eher schlichten und pragmatischen Kleiderwahl trug sie ein silbernes Diadem mit einem eisblauen tropfenförmigen Saphir.
»Setzt euch. Man sollte den Tag niemals ohne ein gutes Frühstück beginnen.«
Ich setzte mich neben Cora, welche bei den Worten der Königin zustimmend nickte. Mrs. Cecil wollte sich verabschieden, doch die Königin des Eises hielt sie lächelnd zurück. »Leisten sie uns doch etwas Gesellschaft und essen mit uns.«
Meine anfängliche Nervosität nahm ein wenig ab. Die Königin hatte eine freundliche und ruhige Ausstrahlung, in deren Gegenwart man sich einfach wohlfühlen musste. Ich konnte kein Zeichen der Überheblichkeit in ihrem Blick erkennen und die Tatsache, dass sie praktikable Kleidung, schönen und aufwendigen Kleidern vorzog, machte sie in meinen Augen noch sympathischer. Am Tisch saßen des Weiteren noch die beiden Lichtkrieger, welche uns gestern Abend empfangen hatten, Jonathan und Lucian sowie zwei die ich nicht kannte. Eine davon war eine junge Frau. Sie reichte mir einen Korb mit Brot, den ich dankbar entgegennahm.
Eine Weile aßen wir alle schweigend. Ich war wie ausgehungert und das Essen schmeckte köstlich. Ich wusste nicht, ob es an meinem Hunger lag, oder der Tatsache, dass ich mich zwei Tage lang nur von trockenem Brot und Äpfeln ernährt hatte, doch ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie so gut gegessen.
Als alle mehr oder wenige fertig waren, ergriff Megan, welche uns gebeten hatte, sie doch bitte nur mit ihrem Vornamen anzusprechen, das Wort.
»Wollt ihr uns erzählen, was vorgefallen ist? Euer Auftauchen kam sehr überraschend für uns. Besonders wenn ihr bedenkt, dass ihr vor einigen Tagen noch als verschollen galt und man sich nicht einmal sicher war, ob ihr überhaupt noch lebt.«
Ich warf Cora einen Blick zu, dann erzählte ich von Ayden, dem Lixh-Clan, welcher uns scheinbar dicht auf der Spur war, unserer Reise und nach kurzem Zögern auch von Soey und wie der Clan sie vergiftet hatte, da er sie für mich hielt. Als ich endete, bildete ich mir ein, einen Schatten hinter den Säulen vorbeihuschen zu sehen. Vermutlich nur eine Täuschung des Lichts.
Megan erzählte uns, dass sie nach dem Verschwinden meiner Mutter, nachdem das Reich ein Jahr ohne Führung auskommen musste, vom Elementarium in das Amt der Königin gewählt wurde. »Ich gebe zwar mein Bestes, doch an vielen Stellen sind trotzdem die Auswirkungen zu spüren, dass seit so langer Zeit keine rechtmäßige Erbin der königlichen Eismagier an der Macht war.«
Die Lichtkriegerin, welche mir das Brot gereicht hatte, nickte besorgt.
»Wie ihr bereits wisst, muss Skyler erst den Test bestehen, den jeder Wächter in jungen Jahren vollziehen muss, um eine richtige Wächterin zu werden. Und wie alt bist du? Neunzehn?«
Ich nickte.
»Gut, ich hoffe, wir sind uns alle in dem Punkt einig, dass es keinen Zweck hätte sie nach Loralliea zu schicken, da sie schon zu alt ist und die Ausbildung so keinen Sinn mehr machen würde, da die meisten Wächter mit achtzehn ihren Abschluss machen und sie viel zu viel nachzuholen hätte.«, fuhr sie fort und ließ mir keine Zeit auf ihre Frage zu antworten.
»Aber hat sie überhaupt das Wissen, um den Test bestehen zu können?«, fragte einer der Wächter, den ich nicht kannte.
»Es geht nicht darum, zu bestehen, sondern einem Element zugeordnet zu werden. Ich bin mir gar nicht sicher, ob man überhaupt durch den Test durchfallen kann.«, erwiderte Jonathan.
Megan nickte. »Der Test dient vor allem dem Zweck herauszufinden, ob Skyler tatsächlich Arabellas Erbin ist. Das Kind lebte all die Jahre versteckt von der Magie. Sie könnte genauso gut nach der Familie ihres Vaters kommen und der Naturmagie mächtig sein.«, sie blickte zu mir »Sollten wir nach diesem Test feststellen, dass du die wahre Königin und Nachfolgerin des Eises bist, werde ich natürlich meine Krone an dich weitergeben. Mir liegt einzig und allein das Wohl des Reiches am Herzen. Du sollst nicht denken, ich hätte mir die Krone unter den Nagel gerissen, sobald deine Mutter weg war.«
Ich schüttelte bestürzt den Kopf. »Nein, natürlich nicht. Das habe ich nie angenommen.«, ich verzichte darauf zu erwähnen, dass ich selber nicht im Geringsten den Wunsch hegte, die nächste Königin zu werden.
»Gut.«, sie lächelte.
»Also, sind wir uns alle einig so schnell wie möglich nach Nerehliea zu reisen?«, fragte Lucian Orage. Er spielte nervös an einem Stück Orangenschale herum.
Megan nickte. »Ich würde sagen vier Tagen müssten reichen, damit sich Cora und Skyler erholen können und wir alles für die Reise bereitmachen können.
Würdest du bitte ein Schreiben in das Gläserne Schloss schicken?«, sie wandte sich an eine junge Lichtkriegerin.
»Schon erledigt.«, diese verabschiedete sich und eilte aus dem Raum.
»Was passiert mit dem Verräter?«, fragte ich vorsichtig.
»Wir übergeben ihn dem Rat, er wird entscheiden, was mit ihm passiert.«, erklärte Megan.
»Der Junge hat bestimmt ein paar interessante Informationen.«, fügte Lucian grimmig hinzu.
»Sollten wir nicht besser auf